Kapitel 2 - Alte Liebe

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Seit fast einer Stunde kauerte er nun in diesem dämlichen Gestrüpp. Ein Zweig stach ihn immer wieder ins Bein, sobald er eine etwas entspanntere Haltung einnahm. Doch das dichte Blattwerk bildete eine gute Deckung, um vom Haus aus nicht gesehen zu werden.

In sicherem Abstand und von ihr offenbar unbemerkt, war Lambert der Zauberin vom Marktplatz aus gefolgt. Ihr Weg führte sie von den belebten Straßen des Zentrums von Lan Exeter hin zu einem ruhigeren Wohnviertel. Vor einem kleinen, aber gepflegten Haus in einer schmalen Gasse blieb Keira stehen. Sie vollführte eine verhaltene Geste, sprach dazu ein paar Worte, die Lambert aus der Entfernung trotz seines empfindlichen Gehörs nicht genau verstehen konnte - offenbar löste sie einen Zauber, der Unbefugten den Zutritt zum Haus verwehrte. Das Äquivalent der Zauberer zu einem ordinären Schlüssel.

Keira betrat das Haus und schloss die Tür. Lambert blieb eine Zeitlang hinter einem Mauervorsprung stehen, unschlüssig, was er nun tun solle. Wo sie wohnte wusste er nun. Ihr Domizil hatte er sich zwar etwas mondäner vorgestellt, aber wenn stimmte, was Triss behauptet hatte - nämlich dass Keira sich von ihrem reichen Gönner getrennt hatte - dann musste sie nun offenbar ihren Lebensstil wieder etwas zurückschrauben. Geschah ihr Recht ...

Lambert wusste, dass er nun besser umkehren sollte. Sich eine Unterkunft für die Nacht suchen. Die Sache auf sich beruhen lassen.

Scheiße. Sie gesehen zu haben, in unmittelbarer Nähe, hatte die mühsam verbannten Erinnerungen wieder heraufbeschworen. Lambert war bewusst, dass er in dieser Nacht wohl kaum ein Auge zutun würde, wenn er sich weiterhin darüber Gedanken machte, ob sie wohl - während er in einem Bett im Gasthaus lag - Besuch von einem Liebhaber bekäme. Und wenn es so wäre? Eigentlich konnte ihm das egal sein. Eigentlich sollte es das ...

Lambert wurde von eiligen Schritten, die sich ihm näherten, aus seinen Gedanken gerissen. Ohne lange darüber nachzudenken, hechtete er zu einem dichten Gebüsch, das auf der anderen Seite der Gasse zwischen zwei Wohnhäusern wucherte und ging hinter dem Geäst in die Hocke, um sich vor Blicken zu verbergen.

Eine Gestalt in einem weiten Umhang hielt auf Keiras Haus zu. Obwohl der schwingende Stoff die Körperformen verbarg und eine tief ins Gesicht gezogene Kapuze das Antlitz verbarg, war sich Lambert jedoch sicher, dass es sich bei dem abendlichen Besucher um eine Frau handeln musste. Sie klopfte zaghaft an Keiras Tür, wollte offenbar keine unnötige Aufmerksamkeit erregen. Die Frau blickte sich kurz um, wie um sich zu vergewissern, dass ihr niemand gefolgt war. Keira öffnete ihr und die Frau betrat eilig das Haus.

Lambert starrte auf die nun wieder geschlossene Eingangstür.

Kein Liebhaber also offenbar - zumindest noch nicht. Oder Keira hatte - wie so manche andere Zauberin der ehemaligen Loge - Interesse am eigenen Geschlecht entwickelt. Lambert war sich nicht sicher, ob ihm diese Vorstellung mehr behagte.

Eigentlich sollte er sich nun wirklich auf die Suche nach einer Unterkunft begeben. Es dämmerte bereits. Wenn er sich nicht beeilte, würden alle Zimmer in den guten Gasthäusern belegt sein.

Eine halbe Stunde später fingen seine Zehen in seinen Stiefeln an, vor Kälte zu schmerzen. Im Haus konnte er gedämpfte Stimmen ausmachen - zu leise, um das Gesprochene zu verstehen. Jedoch reichte der vertraute Klang von Keiras Stimme aus, ihn weiter im Gebüsch ausharren zu lassen.

Kurze Zeit später öffnete sich die Eingangstür wieder. Die Besucherin richtete den Gurt einer Tasche auf ihrer Schulter. Bevor sie die Kapuze hochschlug, ihm ihr Haupt zu bedecken, wurde Lambert feingeschnittener Gesichtszüge und kunstvoll frisierten Haars gewahr. Zwischen den aufgesteckten Locken glänzten kostbare Ohrringe. Offenbar war die Dame nicht nur attraktiv, sondern auch wohlhabend. Ohne sich noch einmal zu Keira umzudrehen, die im Eingang stehen geblieben war, eilte die Besucherin die Gasse entlang und verschwand aus Lamberts Sichtfeld, als sie um eine Mauer bog. Sein Blick wanderte zu Keira, die im Türrahmen stehen geblieben war und ihrer Besucherin nachblickte.

Ewige FlammeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt