Kapitel 01

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"Emily"

"Sam"

Nachdem ich die Haustür aufgemacht hatte, kreischten wir gleichzeitig den Namen des anderen und fielen uns in die Arme. Wir hatten uns nur etwas länger als eine Woche nicht gesehen und doch fühlte es sich wie eine halbe Ewigkeit an. Sam zog ihre Schuhe aus und wir huschten hinauf in mein Zimmer. Dort angekommen setzten wir uns auf mein Bett, aßen eine Tüte m&ms und redeten beide wie Wasserfälle. Es wurde wieder Zeit, dass wir uns trafen, denn ich war mittlerweile schon ein paar Tage Zuhause (mein Koffer war immer noch nicht ausgeräumt, aber hey...) und der Alltag hatte mich schonwieder eingeholt. Das Beziehungdrama meiner Eltern ging weiter. Es ging sogar so weit, dass meine Mum mich zu einer Psychologin schicken wollte und ich daraufhin beschloß meine Eltern noch mehr zu meiden und nur noch mein Zimmer zu verlassen, wenn ich etwas essen oder trinken wollte oder auf die Toilette musste. Ich dachte zwar, dass Sam schon alles über Alex wusste, doch in Wahrheit sprachen wir trotzdem Stunden über ihn. Ach ja Alex..., der Typ der es mir im Urlaub angetan hatte. Er war ein gutaussehnder Brite mit dunkelbrauen, wuscheligen Haaren, einem tollen Humor und einem atemberaubendem Lächeln. Leider hatten wir außer Are you okay, I'm okay und Hey wenig miteinander geredet. Unsere Blicke waren dafür endlos und (für mich jedenfalls) so viel wert wie tausende Worte. Doch die Wahrheit war, dass wir beide richtig feige waren und nicht wirklich mit dem anderen besprochen hatten, unsere Nummern nicht ausgetauscht hatten und uns nie mehr wieder sehen werden. Nachdem es nichts mehr zu sagen gab, standen wir auf, schlateten die Musik auf volle Lautstärke und tanzten und sangen (naja singen konnte man das nicht nennen...) dazu. Am Abend machten wir uns aus, dass ich am Wochenende bei ihr schlafen würde, verabschiedeten uns und ich ging zurück in mein Zimmer. Die restlichen Stunden des Tages verbrachte genauso wie vor Sams Besuch: Ich lag im Bett, hatte die Augen geschlossen und hörte von One Direction Summer Love - und das in Dauerschleife! Ich war kein Directioner, doch dieses Lied beschrieb die vergangene Woche so unfassbar toll und seit Sam mir den Link geschickt hatte, lief es bei mir auf und ab.

Am nächsten Morgen war ich schon um halb 9 Uhr wach, was für mich persönlich wirklich ziemlich früh war. Meine Eltern hatten schon längst gefrühstückt, also setzte ich mich mit meinem Vollkornbrötchen und einer Tasse Café Latte auf die Couch und schaute die letzten Minuten vom Frühstücksfernsehen. Doch plötzlich betrat meine Mum das Wohnzimmer. Ich seufzte, weil ich auf eine Predigt wegen meiner angeblich unglaublich unsozial eingestellten Persönlichkeit eingestellt war, aber wie es aussah, wollte sie etwas Anderes ansprechen.

"Guten Morgen, Schätzchen. Bist du ausgeschlafen?"

"Morgen"

"Ich habe eine wunderbare Nachricht für dich!"

"Und zwar?"

"Ich habe uns als Gastfamilie eingetragen! Ab morgen wohnt ein Autauschschüler bei uns"

"Was?!"

Ich war sprachlos. Was wollten wir mit einem Austauschschüler?

"Und das Beste? Er oder sie bleibt nicht nur eine Woche, sondern das ganze Schuljahr!"

Den Schluck vom Kaffee hätte ich doch nicht nehmen sollen, denn im nächsten Moment versprühte ich ihn, wie ein Rasensprenger im Wohnbereich.

"Das ganze Schuljahr?!"

Ich wiederholte es so laut, dass mein Hund aus dem Schlaf gerissen wurde (und der war taub...).

"Ach komm schon, Maus! Das ist die Chance für dich endlich neue Leute kennen zu lernen!"

Also doch eine Predigt. Vielleicht schon einmal daran gedacht, dass ich keine neuen Leute kennen lernen möchte? Naja, es war schon zu spät, um sich aufzuregen, morgen kam er oder sie ja schon und heute wollte ich doch bei Sam schlafen. Warum eigentlich schon morgen? Es waren doch noch ein paar Wochen Ferien?! Scheiß drauf, das ließ ich mir nicht nehmen.

"Wann kommt denn er oder sie morgen?"

"Um 10."

Sehr gut. Ich fuhr einfach um halb 10 von Sam weg und dann war ich pünktlich zu Hause.

Schnell duschte ich mich, klatschte mir ein paar Produkte ins Gesicht und nahm den nächsten Bus. Es war aufgrund meines Schneckentempos schon Mittag. Überraschenderweise erwartete mich Sam nicht allein in ihrem Zimmer, sondern stand mit Finn im Garten und grillte."Sturmfrei!", riefen sie und Finn überreichte mir einen Radler. Wir stießen an und aßen ein paar Würstchen sowie gegrillte Maiskolben. Gerne dachte ich über die beiden nach. Sie würden so ein tolles Paar abgeben: Fan von dem selben Fußballverein, betrieben den selben Sport, verstanden sich super..., aber irgendwie wollte es nie klappen. Im Laufe des Nachmittages chillten wir uns in die Hängematte, Finn erzählte von seinem Urlaub und wir aßen Sams selbstgemachten Nutella Cupcakes - göttlich! Zu späterer Stunde zogen wir uns noch drei Horrorfilme rein und schliefen währendessen ein.

Plötzlich klingte mein Handy. Ich hatte gerade noch so gut geschlafen und dann sowas. Ohne die Augen zu öffnen tastete ich nach meinem Handy. Als ich es gefunden hatte hob ich mit einem genervten Ja? ab

"Emily, wo bist du denn? Es ist schon 10 Uhr, dein neuer Mitschüler sitzt schon bei mir auf der Couch", zischte meine Mum in den Hörer.

Ich schnellte hoch und riss meine Augen auf. Sam und Finn saßen am anderen Ende der Couch und warfen mir beide einen verwirrten Blick zu.

"Ja, ich bin gleich da", antwortete ich, legte auf und seufzte.

"Ich kann dich mitnehmen, ich bin mit dem Motorrad da", bat mir Finn an und ich nahm das Angebot gerne an.

Warum hatten mich die beiden nicht aufgeweckt? Schnell rannte ich hinüber zum Spiegel, zupfte mir meine Haare zurecht und streifte mir meine Klamotten glatt. Zum Abschied umarmte ich Sam noch und bedankte mich für den tollen Nachmittag. Dann stiegen Finn und ich auf sein Motorrad, ich schlang meine Arme um ihn und er drückte aufs Gas. Während der Fahrt überlegte ich mir eine passende Ausrede. Ich habe verschlafen würde wahrscheinlich nicht ziehen. Also dachte ich an Es gab Stau oderan Ich musste Sam noch etwas für die Nachprüfung erklären, obwohl sie garkeine hatte. Einfacher wäre es, wenn ich mich auf Finn ausreden würde - die Schrottkarre wäre nicht angesprungen oder so. Er ließ mich absteigen, ich setzte den Helm ab und drückte ihn ihm die Hand.

"Viel Spaß mit deinem Austauschschüler", sagte er und grinste.

"Blödmann, dich er erwartet auch einer, wenn du jetzt nach Hause kommst"

"Stimmt, aber ich hoffe, dass es eine heiße Spanierin ist."

"Jaja, träum weiter"

"Man sieht sich!"

"Ciao"

Ich wandte mich um und schlenderte zur Haustür. Dieses Projekt war ein bisschen anders als die Austauschprojekte, die bie zum jetzigen Zeitpunkt in unserer Umgebung stattgefunden hatten. Bisher wurden immer Schüler aus dem gleichen Land eingeladen, doch dieses Mal kamen sie aus verschiedenen Ländern und wurden, je nach dem welche Sprache die Gastfamilie noch so drauf hatte, zugeordnet. In unserem Fall konnten wir also einen Briten/eine Britin oder einen Spanier/eine Spanierin bekommen. Gerade als ich meinen Schlüssel aus meiner Tasche kramen wollte, riss meine Mum die Tür auf.

"Es ist ein Junge!", strahlte sie, als hätte jemand in meiner Verwandtschaft ein Kind zur Welt gebracht, doch tatsächlich war der Austauschschüler männlich.

"Toll", sagte ich weniger beeindruckt und zog meine Schuhe aus.

Der Vorteil von einem Jungen war, dass er nicht dauernd in meinen Schminksachen und meinem Kleiderschrank herumwühlen würde und sich dauernd etwas ausborgen wollte. Andererseits hatte ich Panik, dass er sich an meine Unterwäsche ranmachen würde - oh oh. Naja, Augen zu und durch. Ich öffnete die Tür zum Wohnzimmer und da sah ich ihn sitzen...

Neuer Schüler , Mitbewohner und große Liebe?Where stories live. Discover now