Chapter 1.1

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Der Regen hört nicht auf.
Es ist mitlerweile 22:20 und er hat immer noch keinen Unterschlupf gefunden. Der Regen durchnässt seine Klamotten und seine Reisetasche die er bei sich trägt. Was ein Jammer aber   auch...

Er stapft weiter am Waldrand entlang, zu der anderen Seite des Dorfes, wo er hätte den Bus kriegen können. Er gähnt und geht sich mit seiner rechten Hand durch sein blasses Gesicht, um seine etwas zu langen Haare aus den Augen zu wischen.
Er schaut zu seiner Rechten.
Das Dorf schläft schon. Alle Lichter sind aus. nur die wenigen Straßenlaternen helfen ihm dabei, den Weg nicht aus den Augen zu verlieren.
Dieser Moment hatte was gruseliges an sich.
,,Wenn ich als kleines Kind gesehen hätte, wie jemand nachts im Regen die Hauptstraße entlang trottet, hätte ich todesangst bekommen'', denkt er sich beim Gehen.
Er hat Zeit. Der nächste Bus kommt morgen früh. Dann muss er nie wieder an diesen grauenhaften Ort zurück kehren. Er macht eine kurze Pause auf einer alten Holzbank, diese aussieht, als wenn sie jeden Moment zusammen brechen würde. Er ist erschöpft und müde, doch trotzdem will er auf die andere Seite des Dorfes gehen, um dort unter der Bushaltestelle zu schlafen.
Daher macht er sich wieder auf den Weg.

Er ist schon tief in seinen Gedanken versunken, als plötzlich Scheinwerfer ihn von hinten anleuchten.
Er erschreckt und zuckt zusammen.
,,Wer ist das? Ein Auto? Ein Bus? Die Polizei? Hat man mich gesehen? Bitte nicht!'',denkt er sich und bleibt verängstigt stehen. Seine Augen zugekniffen.
Das Fahrzeug hält vor ihm an. Er öffnet die Augen und sieht einen schwarzen Bus.
,,Warum hält der Bus hier? Der Bus ist doch schon abgefahren?''
Nichts desso trotz geht er auf die vordere Tür zu um den Fahrer zu fragen.
,,Entschuldigen sie...'',stammelt er.
Der Busfahrer wirkt sehr düster und beängstigend auf ihn.
Er trägt einen langen schwarzen Mantel, einen alten schwarzen Zylinder, lange braune Haare und schwarze Lederhandschuhe.
Im Allgemeinen sieht er nicht sehr japanisch aus. Eher westlich, als käme er aus Schweden, Deutschland oder vielleicht auch Russland.
,,Entschuldigen sie...'',beginnt er seinen Satz erneut,,,Fahren sie nach Nahaya?''
,,Ich fahre sie hin, wo immer sie wünschen'',antwortet der Mann mit einer rauen, leicht bösartigen Stimme.
,,Also, sind sie so eine Art Taxi?''
Der Fahrer antwortet ihm nicht. Stattdessen blickt er starr geradeaus und beobachtet die mächtigen Regentropfen die aggressiv auf die Vorderscheibe schlagen.
,,Wieviel kostet eine Fahrt nach Nahaya Station?'',fragt er erneut, mit einem leicht genervten Unterton. Der Regen prasselte auf seinen Rücken, da er erst mit halben Fuß im Bus stand.
Stille.
,,Willst du jetzt mitfahren oder nicht?!'',schreit ihm der Busfahrer ins Gesicht.
Er zuckt, kneift die Augen zusammen und rennt panisch in den Bus hinein.
Er meint die raue Stimme hinter ihm lachen zu hören, doch dies kann genauso eine Einbildung sein. Man weiß es nicht.

Warum rennt er in den Bus? Er will doch viel lieber draußen bleiben und auf den Sonnenaufgang warten. Oder ist es diese wirkliche Dringlichkeit, die ihn gerade jetzt in diesen Bus zwingt? Diese Notwendigkeit, jetzt schnellstmöglich im Trockenen zu sitzen und eventuell etwas schlafen zu können. Ist das wichtiger als die Sicherheit am Ziel anzukommen und nicht von einem scheinhaften Bus weiß sonst wohin gefahren zu werden? Haha, das ist wirklich lustig.

Er setzt sich auf einen zufälligen Sitzplatz, atmet tief ein und aus und öffnet wieder seine Augen.
Er zuckt leicht zusammen, als er bemerkt, dass er nicht alleine ist.
Auf dem hinteren Sitzplatz sitzt ein Mädchen, welches in seinen Augen sicher genauso gruselig aussieht, wie der Busfahrer.

Ich winke ihn zu mir. Er soll sich zu mich setzen, denn ich will mich gerne mit ihm unterhalten.
Ich sehe wie er zögert und schließlich zu mir hinüber geht.
,,Wieso hast du mich hergeholt?'',fragt er und setzt sich gegenüber vor mir hin.
,,Ich will mich nur etwas unterhalten. Mir ist etwas langweilig hier alleine...'',antworte ich ihm.
,,Fährt dieser Bus nach Nahaya Station?'',fragt er mich besorgt.
Ich weiß nicht was ich darauf antworten soll, daher drücke ich es anders aus:,,Er fährt dahin wo du hinwillst. Also auch nach Nahaya, wenn du es denn so willst.''
Er versteht nicht so recht wie ich das meine. Ja wie auch? Ein Bus stellt sich ja normalerweise nicht auf die Wünsche der Fahrgäste ein.
Der Bus setzt sich in Bewegung.
,,Was willst du denn so dringendes in Nahaya wenn ich fragen darf?'',frage ich schnell um das Thema zu wechseln.
,,Ich möchte von Nahaya mit dem Shinkansen (jap. Schnellzug, ähnlich wie ein ICE) nach Tokyo fahren.''
,,Ah so ist das...'' Das alles weiß ich ja schon, aber irgendwie muss ich ihn ja ablenken.
Er starrt auf mein schwarzes, im Gothic-Stil gehaltenes Kleid.
,,Ich bin übrigens Yume!'',stelle ich mich ihm vor,,,Geschrieben wird es mit dem Zeichen für Traum. Was ist dein Name?''
,,Ich bin Kenta!'',stellt er sich mir vor.
Ich lächel ihn an, damit er sich etwas besser fühlt, in dieser zugegeben...sehr seltsamen Situration.
,,Und in Tokyo...'',fange ich wieder an neugierig zu fragen,,,Was willst du da machen? Studierst du da?''
Er geht sehr gut auf meine Fragen ein, sehr schön.
,,Genau, ich wurde bereits auf der Uni angenommen, nachdem ich mich beworben habe. Meine Mutter ist aber mit mir, gegen meinen Willen nach Abschluss der Schule, aufs Land zu meiner Familie gefahren, damit ich hier in der Landwirtschaft helfe. Da ich aber gerne Arzt werden will und nicht Bauer, will ich wieder zurück nach Tokyo. Also bin ich heute Nacht abgehauen.''
Ich nicke langsam und setzte mein künstliches Lächeln wieder auf.
,,Weißt du Kenta'',fange ich an und schaue ihn dabei tief in seine braunen Augen,,,Das hier ist ein Traum. Du schläfst gerade. Nichts von dem hier ist real.''
Er starrt mich an als hätte er einen Geist gesehen.
,,Ich will wieder aufwachen! Sofort!'',schreit er bis ans andere Ende des Buses und schlägt wild um sich.
Ich packe seine Haare und zerre ihn zu mir:,,Keine Angst. Du hast eine Möglichkeit hier raus zu kommen... Also, du steigst hier gleich aus wenn wir angekommen sind. Höchstwahrscheinlich wirst du in Nahaya austeigen. Dort kannst du die Uni besuchen und tun was immer du willst. Wie in einem Traum eben. Solange du bis zum Sonnenuntergang wieder zu diesem Bus zurückkehrst, wird alles gut sein. Du darfst aber nie vergessen was ich dir gesagt habe! Das ist ein Traum. Nichts ist real. Vergiss das nicht! Sonst lasse ich dich zur Strafe in deiner Traumwelt gefangen.''
Er sieht immer noch veränstigt aus. Wieso denn? Ist doch ein guter Deal, oder?
,,Und was wäre wenn ich jetzt einfach das Fenster öffne und rausspringe? Hm, was ist dann?!''
Er scheint noch nichts begriffen zu haben. Ja sowas aber auch.
,,Du würdest auf den Steinen aufprallen, sterben, und die Dorfbewohner können dann deine Leiche von der alten Holzbank in dein Grab verlagern. Aber echt interessant, diese Frage hat noch niemand gestellt''
Hoffentlich versteht er jetzt, dass er für die Sterblichen immer noch schlafend auf der Holzbank zu sitzen scheint.

Den Rest der Fahrt reden wir nicht miteinander. Sein süßes kleines Weltbild wurde eben von mir auf den Kopf gestellt.
,,Warte'',sagt er ohne Zusammenhang.
,,Du meintest doch eben, dass noch niemand diese Frage gestellt hat...''
Ich nicke mit einem Lächeln, denn ich weiß worauf er hinaus will.
,,Wie viele waren schon vor mir hier und wo sind sie jetzt?''
Ihr müsstet jetzt mal sein Gesicht sehen, einfach zu gut. So verzweifelt habe ich ihn noch nie gesehen.
,,Leider kann ich dir diese Frage nicht beantworten'',erkläre ich ihm,,,Ohnehin würdest du die Antwort nicht verstehen, da solche Dinge nicht für euch bestimmt sind. Ich kann dir aber sagen, dass wohl fast jeder Mensch schonmal Bekanntschaft mit mir gemacht hat.''
Er ist jetzt noch verwirrter. Anscheinend bringt ihm das was ch sage nicht weiter.

Der Bus hält.
,,Wir sind da!'',schrie der Fahrer von ganz vorne.
,,Wir sind da.'',wiederhole ich erneut. Kento schaut aus dem Fenster:,,Wo bin ich? Hier ist nur Wald''
,,Genau, laufe einfach den Weg hier entlang'',ich zeige in die Richtung des kleinen Pfades,,,Circa 20 Meter und du stehst in Nahaya''
Natürlich glaubt er mir nicht. Hier ist auch weit und breit nichtmal der Anschein einer Stadt zu sehen.
Doch trotzdem steht er auf, verabschiedet sich und geht den kleinen Pfad entlang.

Ich gehe nach in den vorderen Teil des Buses zum Sitz des Fahrers.
,,Es verlief gut, nicht?'',frage ich.
Er nickte grisend und zog mich an sich.
Ich spüre wie seine kräftigen Arme meinen viel zu dünnen Körper umschließen:,,Hast du gut gemacht, Yume...''



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⏰ Last updated: Aug 22, 2018 ⏰

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