An deine/n beste/n Freund/in

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Anmerkungen: Ich habe alle Namen geändert und teilweise auch kleinere Infos. Ich habe diesen Brief nicht abgeschickt und werde es auch nicht tun. Trotzdem ist dies ein für mich sehr ernstes Thema und ich bitte, dass ihr damit angemessen umgeht. Ich habe diesen Brief anonym geschrieben und würde auch gerne anonym bleiben. Zum Verständnis sollte ich vielleicht erklären, dass in manchen Bundesländern die Grundschule sechs Jahre geht. Ich komme also „als das Ganze anfängt" in die 7. Klasse und neu auf ein Gymnasium.

5.8.2018

Hallo Charlotte, ich wollte dir das hier schon länger mal sagen. Eigentlich will ich es dir gar nicht sagen. Eigentlich sollst du es nie erfahren. Vielleicht fällt es dir gar nicht auf, aber mir schon. Was rede ich da, ich fange einfach mal an. Das Ganze fing vor einem Jahr an. Ich wollte dich mit Ole verkuppeln und da schrieben wir auch viel miteinander, doch als das zwischen euch zerfiel, hatten wir nicht mehr so viel Kontakt.

Klar, wir waren in einer Klasse und auch befreundet, aber nicht mehr wirklich „beste Freundinnen". Und durch die neue Schule hatte sich auch manches geändert. Lucinda, aus unserer alten Klasse, ist jetzt nur in der Parallelklasse, aber ihr geht zusammen zum Handballtraining und habt deswegen immer noch sehr viel Kontakt. Ich mag Lucinda auch, aber du verbrachtest die ganzen Pausen mit ihr. Vor allem am Anfang des Schuljahres wollte ich gerne die neuen Mitschüler kennenlernen, aber du warst sehr oft bei Lucinda.  Eigentlich war das gar kein Problem, denn ich mag Lucinda, aber ich kam mir immer etwas ausgeschlossen vor, wenn ich mit euch beiden redete. Ihr sprecht über annikazion und GNTM und die Leute vom Handballtraining, aber ich kann mit all dem nicht viel anfangen.

Und ihr lachtet sehr viel zusammen, doch ich verstand selten warum. Da ich mit euch nicht so viel anfangen konnte, war ich bei Liliane, Tina, Emma, Lara, Franziska, Luana und Nora aus der neuen Klasse und freundete mich mit denen immer mehr an. Du warst auch manchmal bei uns, saßt beim Essen bei uns am Tisch, wenn Lucinda bei ihrer Klasse saß, aber wenn wir am Nachmittag noch Eis essen gingen, warst du selten dabei. Zwar manchmal, aber nicht immer.

Erst im April erwähntest du mal, dass du Tina, Emma und Nora gar nicht magst. Ich wunderte mich sehr, denn ich dachte, dass du schon ein bisschen mit ihnen befreundet bist, aber erst da fiel mir auf, dass du nie mit ihnen wirklich redest. Da wurde es mir zum ersten Mal bewusst, obwohl es schon am Anfang des Schuljahres anfing: wir entfernen uns voneinander. Und ich musste damals im April daran denken, dass ich fast nichts mehr über dich wusste. Wenn mich zum Beispiel jemand gefragt hätte, ob du mit Moritz zusammen bist oder in ihn verliebt bist, hätte ich es nicht gewusst. Wenn wir uns im Freibad trafen, wusste ich immer, ob Liliane da sein wird, aber nie, ob du da sein wirst. Und ich fragte mich selber: wenn ich ein Problem hätte oder verliebt wäre, würde ich es dir sagen? Ich glaube nicht, nicht mehr.

Als ich letzten Sommer in Leon verschossen war, bekamst du davon auch nichts mit. Ich weiß noch nicht mal, ob du es jetzt weißt. Ich war das ganze Schuljahr lang einmal bei dir zu Hause, nämlich an deinem Geburtstag. Und du warst auch nur einmal bei mir, allerdings waren da auch viele andere dabei und du warst die zweite, die schon wieder ging. Wir trafen uns genau einmal zu zweit zum Shoppen. Aber auch das war nicht mehr so schön wie vor zwei Jahren.

Als ich ungefähr im Februar herausfand, dass du dich sehr oft mit Marie aus der Grundschule triffst, wunderte ich mich sehr. In der Grundschule wart ihr zwar befreundet, was aber größtenteils daran lag, dass sie meine beste Freundin aus Kindergartenzeiten war. Ich fand es eigentlich nicht schlimm, dass ihr euch trefft, aber du hast sie mindestens einmal im Monat getroffen und meistens auch noch bei ihr übernachtet und mich hast du so gut wie nie getroffen außerhalb der Schule. Im November meldeten wir uns beide zur Ferienfahrt der Schule in den Sommerferien an. Im Januar fragtest du, ob ich wieder mit dir, wie seit vier Jahren, auf dem Reiterhof in den Sommerferien fahren will. Ich meinte, dass ich eher nicht fahren würde, weil wir auf die Ferienfahrt fahren. Du nahmst es einfach zur Kenntnis und sagtest nie mehr etwas dazu. Im Juli erfuhr meine Mutter über deine Schwester, dass du auf den Reiterhof mit Marie fährst. Ich fühlte mich hintergangen und ausgenutzt, denn Reiten war für mich eine Sache, die ich nur mit dir machte.

Es hätte mich vermutlich auch nicht gestört, wenn du es mir gesagt hättest, aber so fühlte ich mich einfach nur schlecht. Auch unser Musikgeschmack änderte sich. Du hörst relativ oft Deutsch-Rap oder SXTN, doch ich kann damit gar nichts anfangen und höre fast nur englische Musik. Viele Lieder, die ich höre, kennst du vermutlich gar nicht.

Ich bin gerade im Urlaub auf Fuerteventura und du bist auch auf Fuerteventura. Ich fragte dich, in welchem Ort du bist, mit dem Hintergedanken, dass wir uns vielleicht mal treffen könnten. Doch du schriebst nur den Ort, ohne irgendwelche Anzeichen, dass wir hier mal was zusammen machen könnten. Ich weiß nicht genau, wie es dazu kam und ob jemand oder etwas daran Schuld ist. Ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist: wir haben uns in verschiedene Richtungen verändert. Wir haben teilweise andere Freunde, andere Musikgeschmäcker, andere Hobbys.

Ich glaube nicht, dass wir wieder wirkliche beste Freundinnen werden, aber ich hoffe, dass wir uns nicht komplett voneinander entfernen. Das hier soll kein Abschiedsbrief werden, denn eigentlich will ich dich nicht verlieren. Ich hoffe, dass das hier ein Wiederanfangsbrief ist. Ob als beste Freundinnen oder normale Freundinnen, weiß ich nicht. Du bist ein toller und inspirierender Mensch.

Danke für die Zeit, die ich mit dir hatte, auch wenn ich nicht weiß, wie viel Zeit wir noch miteinander verbringen werden. Manchmal vermisse ich die Zeit mit dir.

Alles Liebe

deine XXXXX

30Where stories live. Discover now