Prolog

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Kleine Schneeflocken tanzten in der Luft, vom kalten Wind durcheinander gewirbelt, bevor sie sich auf den Boden nieder liesen und sich mit den anderen Flöckchen verbanden, sodass sich auf dem Gehsteig eine dünne weiße Schicht bildete.
Ohne wirklich darauf zu achten setzte der graumelierte Mann die Flasche an seine Lippen und nippte an dem bitteren Getränk. Obwohl das Bier eiskalt vom Wind war und die Hände des Lieutenand zitterten, schien er die Kälte gar nicht zu bemerken oder sie einfach nur gut zu ignorieren. Er bezweifelte auch stark, dass seine Hände wegen der Kälte zitterten.
Er rührte sich kaum, lies nur den Blick über den Spielplatz umherwandern. Er wusste nicht einmal selber, warum er oft zu diesem Ort ging aber immer gelang er doch wieder zu diesem Platz, meistens mit mehreren Flaschen Bier und seinen Kopfhörern wenn er alleine war. Und normalerweise war er das auch immer.
Für einen kurzen Moment schwang sein Blick zu seiner alten Karre rüber, in der laut ein Lied von der Band "Knights of the black death" aus dem CD-Player spielte. Eine Gestalt auf dem Beifahrersitz hielt etwas in den Händen und als der ältere Mann näher hinsah, bemerkte er, dass es die CD-Hülle der Band war und die Gestalt neugierig die Rückseite davon betrachtete.
Augenblicklich schlich sich ein kleines Lächeln auf die Züge der sonst verhärteten Mimik des Mannes. Seitdem der Android sich gegen sein System gewendet hatte und zum Abweichler wurde, interessierte er sich immer mehr für Dinge, die ihn als den Prototyp von Cyberlife eigentlich nicht interessieren sollten, wie das tatsächliche hören von Musik. Von Tag zu Tag, je mehr er mit dem Abweichler arbeitete, bemerkte er deutlich, wie Menschen ähnlich er doch wurde. Er hätte niemals gedacht, dass diese Systemgesteuerte Figur einmal solche menschlichen Züge annehmen würde. Nicht nur, dass er sich vom Aussehen kaum bis gar nicht von des eines Menschen unterschied und die Stimme keineswegs "mechanisch" klang - was aber auch der produktion von Cyberlife zu verdanken war - so ähnelte sich jetzt auch immer mehr sein Charakter der eines Menschen. Natürlich war auch er nicht fehlerfrei und machte oft noch einige Fehler - was daran liegen könnte, dass Connor selbst über seine nächsten Schritte oder Handlungsweisen, die nicht in seinem Programm stehen, überrascht war -
Auch der ältere Herr wurde jedes Mal aufs Neue überrascht, wenn der Abweichler etwas tat, was nicht seinem Programm entsprach. Aber er sah das alles andere als negativ. Er griff Connor sogar gern unter die Arme, wenn er etwas nicht verstand und den Rat eines Wesens aus Fleisch und Blut brauchte.
Die Beiden arbeiteten auch nach dem Bürgerkrieg zwischen Androiden und Menschen und der Versöhnung beider Rassen weiter beim DPD. Dass Connor nun aber kein gehorsamer Androide, sondern ein selbstständiges Wesen war, störte die Gesellschaft dort auch, bis auf ein paar wenige, nicht. Sie waren sogar in manchen Situationen froh, jemanden zu haben, der schneller Blutproben durchführen oder den Kriminalfall reconstruieren konnte.
Cyberlife jedoch hat sich viele Male beschwehrt. Kaum ein Wunder, da sie ja lange Zeit gegen Abweichler gekämpft hatten, jedoch hat sich über die Hälfte der Gesellschaft so an die neue "Rassengleichheit" gewöhnt, dass selbst viele Mitarbeiter der riesen Firma sich dazu anschlossen, die Androiden zu unterstützen und ihnen neue Module vorstellte, die es ihnen ermöglichte, besser oder eher gesagt emotionaler zu agieren oder eine Simulation von Schmerz und Lust zu erzeugen. Natürlich war es unmöglich, die Module mit dem echtem Empfinden von Menschen gleich zu stellen aber die Wissenschaft wuchs stetig und man konnte nie wissen, was in den nächsten 10 Jahren alles schon möglich wäre.
Der ältere Mann nippte ein weiteres Mal an der Flasche und blickte wieder in Richtung der Ambassador Brücke. Er war so in Gedanken vertieft, dass er gar nicht bemerkte, wie der Android nach einer Weile die Musik ausschaltete, aus dem Auto stieg und sich zu ihm gesellte.
"Ich erkenne eine deutliche Unruhe in Ihrem Blick und dabei haben Sie seit einer Stunde und 54 Sekunden Feierabend. Woran denken Sie gerade, Lieutenand?", fragte er und legte den Kopf ein wenig schief. Man konnte am gelblichen Licht der LED des Androiden erkennen, dass er bereits darüber nachdachte, was seinen Kollegen und Freund so bedrückte aber trotzdem wartete er, dass dieser selbst die Frage beantwortete.
"Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mich dutzen und "Hank" nennen sollst, Connor?"
"Entschuldige Lieuten... Hank", verbesserte sich der Braunhaarige von selbst und seine Augen schwankten zur halb geleehrten Flasche in Hanks Hand. "Das ist nun schon die 3, seitdem wir hier sind, findest du nicht, dass...", doch augenblicklich verstummte Connor als der ältere Mann mit einem selbsterklärenden Blick zu ihm schaute. Connor lies ihn öfters auf seine Ernährung und Lebensweise hinweisen obwohl er wusste, wie sehr der Lieutenand das nicht ausstehen konnte. Nur diesmal erwiderte er nichts dazu, seufzte, nahm einen weiteren Schluck und blickte dann wieder vor sich zur Brücke und dem See. Der Android folgte seinem Blick, blieb ein paar Minuten still.
"Du denkst an Cole, liege ich Richtig? Es ist der 23. September, wenn mich mein Speicher nicht täuscht ist heute der Geburtstag von..." - "Du musst definitiv mehr an deiner Emphatie arbeiten", unterbrach ihn Hank und trank einen weiteren Schluck, diesmal einen größeren.
Lange Minuten des Schweigens vergingen, die keiner der Beiden zu brechen wagte. Irgendwas in Connors Innerem sagte ihm, dass es wohl besser wäre, einfach still zu bleiben.
Er verzog keine Miene, er musste sich jedoch eingestehen, dass er neugierig war und wissen wollte, warum sein Partner vom DPD so niedergeschlagen war. Sein Stillschweigen wurde dann auch damit belohnt, dass Hank die jetzt bereits leere Flasche auf den Boden abstellte, den Blick aber nicht von der Aussicht von der mit Schnee und Eis bedeckten Stadt wendete. Dann nickte er. Langsam, als müsste er sich selbst etwas eingestehen, was er am liebsten hätte vermeiden wollen.
"Du hast Recht, Connor", begann er dann, in einer ruhigen aber keinesfalls beruhigten Stimme sagend, "Heute ist der 23. September... Und der Geburtstag von Cole". Wieder wurde es eine Weile still und der Wind wirbelte geräuschvoll die vielen, weißen Flocken durch die Luft.
"Er wäre jetzt 10 Jahre alt..." und mit diesen Worten griff der graumelierte Mann zur nächsten, vollen Flasche, knackte den Deckel mithilfe eines kleinen Flaschenöffners an seinem Schlüsselbund und nahm wieder einen Schluck.
"Das..Das tut mir leid, Hank", bracht nun Connor die aufkommende Stille und sah einen kurzen Moment zu Boden. Sein System wusste zwar, was man bei Verlusten anderer Leute zu pflegen sagte, doch irgendwie brachte er es nur schwerlich übers mechanische Herz, diese Worte auszusprechen. Er hatte Cole nie kennengelernt, ihn nur auf einem eingerahmten Bild gesehen, aber dennoch... fühlte er sich unglaublich schlecht und traurig, als Hank das sagte.
Dennoch musste sich Connor wieder einmal eingestehen, dass ihm eine Frage auf der Zunge brannte. "Lieutenand... Hank, vielleicht kommt das ungelegen, jedoch fällt mir auf, dass in meinem Programm nichts über die biologische Mutter von Cole eingespeichert ist. Auch sonst ist mir keine weibliche Person in Cole's oder deinem Leben bekannt. Doch wenn mich meine Programmierung nicht täuscht, könnt ihr euch Menschen doch nur Fortpflanzen, wenn..."
"Geh mir bloß nicht ins Detail, ich weiß ganz genau, wie das funktioniert", gab Hank resigniert von sich, sichtlich genervt von der Fragerei des Androiden.
Als er jedoch auch noch den neugierigen Blick des Abweichlers sah, seufzte er und nippte wieder an seinem Getränk.
"Es ist auch der Geburtstag meiner Ex-Frau", sagte er dann, nachdem er den großen Schluck runtergebracht hatte. "Setz dich, Connor", er rutschte etwas um dem Androiden Platz auf der Bank zu machen. Er wusste nicht, woran das lag aber er fande es richtig, dem jungen Mann etwas mehr über sich und sein Leben zu erzählen. Das tat er normalerweise nicht, so gut wie niemand kannte viel von seinem Leben und das wollte er auch nicht ändern, jedoch konnte er Connor zutrauen, dass er alles bei sich behielt. Er vertraute ihm. Sie gingen nun Beide gemeinsam seit einer Weile durch gute und schlechte Zeiten, Hank hatte Connor schon in kniffligen Lagen unterstützt und das Gleiche galt auch anders herum. Der ältere Mann hatte das Gefühl, dass der Abweichler es verdient hatte, etwas mehr zu wissen, mehr zu erfahren. Gott, er hatte viel zu viel getrunken, er gesteht sich nur selten solche Dinge ein.
Nachdem sich Connor neben ihn gesetzt hatte, atmete er nochmal tief durch. "Wird mal Zeit, dass ich dir ein bisschen was erzähle. Aber hör gut zu, ein zweites Mal werde ich dir das alles ganz sicher nicht erzählen".

.........

So, das war der Prolog dieser Geschichte. Das erste Kapitel ist auch schon in arbeit.
Ich hoffe, es gefällt euch bis hierher :D
Konstruktive Kritik und Feedback ist immer willkommen! ^-^

[Das Titelbild der Geschichte gehört nicht mir]

What happened to Coles Mother? [Detroit:become Human FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt