10.1 Trélla - Wahnsinn

Beginne am Anfang
                                    

„Ja", murmelte er leise. „Es lässt mich nicht los. Außerdem... meine Wunden."

„Was ist? Tun sie weh? Soll ich mir das noch einmal ansehen?", fragte sie sofort, doch er schüttelte lächelnd und geschmeichelt den Kopf.

„Nein, das meinte ich nicht. Aber... warum sollten meinen Wunden so schnell heilen? Ja, es könnte ein Geschenk der Götter sein, aber erwarten Götter nicht immer etwas zur Gegenleistung? Ich will wirklich nicht undankbar klingen, aber... ich mache mir Sorgen, dass die Götter meine Wunden geheilt haben und Lyra deswegen diesen Traum geschickt haben. Vielleicht als eine Warnung. Irgendwas wird uns dort bestimmt erwarten und vielleicht ist es die Gegenleistung für meine geheilte Hüfte."

Calypso antwortete nicht sofort. Sie schien zu überlegen. Ihr Blick hatte sich verdüstert und sie blickte nach vorne, vorbei an Lyras Haarschopf, in die Ferne. Der Gang vor ihnen schien unendlich zu gehen und der Stein wollte sich nicht verändern. „Es könnte sein...", sagte sie und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, „aber ich würde nicht darauf wetten."

„Nein, ich auch nicht. Ich will den Göttern nicht unterstellen, dass sie uns etwas geben, nur um es doppelt zu nehmen, aber ich kann es auch nicht ausschließen." Eos biss sich auf die Lippe. Er mochte es nicht, wenn er oder jemand anderes schlecht über ihre Götter redete oder dachte, aber manchmal... manchmal konnte er sich auch nicht dagegen wehren. Manchmal kamen diese Gedanken und sie hinterfragten die Taten, die für sie Sterblichen so undurchsichtig waren, dass sie einfach nicht anders konnten, als sich zu fragen, ob sie für die olympischen Götter nicht einfach nur Spielfiguren wären, deren Nutzen sie erst dann klarstellten, wenn sie ihrem Ende entgegengingen.

Waren Eos und die anderen also gerade nur eine Belustigung für die Götter? War ihr Leid und ihr Überlebenskampf in diesem Moment nichts weiter, als eine Unterhaltung für die Götter auf dem Olymp?

„Wahrscheinlich werden wir nicht verstehen, was wirklich passiert ist", schloss sie, wohl ihren inneren Gedanken beendend. „Aber vielleicht sollten wir einfach auf... auf die Götter vertrauen. Bisher haben sie nichts getan, was uns geschadet hätte."

„Aber wirklich geholfen haben sie auch nicht", sagte er, schneller, als er darüber nachdenken konnte und Calypso nickte langsam.

„Ja, auch das. Sie... Ihre Taten erschließen sich uns nicht ganz und vielleicht mischen sie sich in diese Angelegenheit auch überhaupt nicht ein", sagte sie, „aber wir sollten wohl nicht ausschließen, dass sie vielleicht ebenfalls ihre Finger mit im Spiel haben. Zumindest wäre es für mich nicht überraschend, wenn die Götter dies nicht einfach so geschehen ließen. Immerhin... diese Tür."

„Ja, ohne dein Gebet wäre sie geschlossen geblieben", stimmte Eos ihr zu. Sie schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln, dann ging sie an die Spitze und gesellte sich zu Lyra, die ihr einen kurzen, grimmigen Blick zuwarf. Für Calypso war dieses Gespräch beendet.

Ohne, dass er es bemerkt hatte, war sein Griff um sein Schwert lockerer geworden, als er mit Calypso gesprochen hatte, doch nun, da sie wieder vor ihm ging, verfestigten sich seine Finger und er spürte jede kleinste Rille unter seiner Haut.

Dadurch, dass er sich genau auf seine Umgebung konzentrierte, bemerkte er etwas, das ihm zuvor nicht aufgefallen war. Durch die Gänge des Labyrinthes schien ein Luftzug zu gehen. Nur ganz schwach und in weit auseinanderliegenden Abständen, aber er war definitiv zu spüren. Beinahe so als ob...

„Wow", hauchte Castor beeindruckt und Eos schreckte aus seinen Gedanken. Er hatte den Gang um sie herum tatsächlich so intensiv betrachtet, dass er seine Umgebung nicht mehr wahrgenommen hatte.

Jetzt standen sie nicht mehr in einem steinernen Pfad. Zwar waren die Wände, der Boden und auch die Decke aus demselben, grauen Gestein erbaut und noch immer war dieses enge, bedrückende Gefühl vorhanden, welches eingesetzt hatte, kaum dass sie das Labyrinth betreten hatten, doch Eos erkannte sofort, was Castor so beeindruckt hatte.

LavýrinthosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt