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Der Tag hatte schon - sagen wir einfach mal - bescheiden angefangen. Nicht nur, dass ich beinahe verschlafen hatte. Nein, meine liebreizende Mutter meinte ausgerechnet an diesem Morgen aufzuwachen und die Küche in Flammen aufgehen zu lassen.

Ich meine, meine Mum ist klasse. Sie ist super lieb, echt cool, erfolgreich und einfach spitze. Nur die Sache mit dem Kochen hat sie in den letzten 45 Jahren irgendwie nicht begreifen können.

Also gab es statt den eigentlich geplanten Brownies nach Großmutters Rezept, zwei schnell zusammengemischte Sandwichs und einen Feuerwehreinsatz. Leider nicht der erste Morgen der auf diese Weise begann und ich verwettete meine liebste Lederjacke drauf, dass es auch nicht der letzte seiner Art war. Also stiefelte ich heute morgen etwas gestresst und bepackt mit allen Büchern, die ich der Schulbücherei bis heute schuldig geblieben war, durch den matchigen Schnee, direkt auf meinen kleinem Wagen zu. Er war nichts besonderes. Ein Gebrauchtwagen, der nur ein paar hundert Dollar gekostet hatte. Mum wollte mir zwar einen neuen Wagen kaufen, doch ich und meine sture Birne hatten sich dagegen gewehrt. Ich durfte gerade mal ein Auto fahren, war gerade mal alt genug um alleine die große, weite Welt zu erkunden, wieso brauchte ich also einen Neuwagen?
Antwort: ich brauchte keinen. Also fuhr ich mit meinem unscheinbaren kleinen Chevrolet.

Als die Heizung auch nach einer gefühlten Ewigkeit ansprang konnte ich in den zwanzig Minuten, die ich noch fuhr, etwas meiner morgendlichen Anspannung abbauen. Lautstark sang ich die Radiolieder mit. Vermutlich hielten mich einige Passanten für verrückt, aber wen störte es? Ich genoss meine schiefe Stimme, die im herrlichen Einklang mit SIA sang.

An meiner Schule, der Duken High, angekommen, beanspruchte ich direkt den ersten Parkplatz, den ich sah und beeilte mich ins Schulgebäude zukommen. Ich mochte es nicht zu spät zum Unterricht zu erscheinen. Versteht mich nicht falsch, ich war keine Streberin - nichts gegen Streber - aber für mich war es eine Sache des Respekts, der Zuverlässigkeit und des Verantwortungsbewusstsein. Es gab soviele Menschen, die sich wünschten mein Leben leben zu können, weil ihres einfach nur schrecklich und grausam war. Wenn ich ihnen schon nicht helfen konnte, war ein Mindestmaß an Dankbarkeit für mein angenehmes Leben doch gar nichts.Und e diese Dankbarkeit zeigte ich, indem ich trotz semiguter Laune zur Schule ging.

Mit dem sieben Büchern der Schulbücherei bepackt, schleppte ich mich die Stufen hoch und drückte mit meinem Rücken das Schultor auf. Es war aus Glas, warum auch immer, aber dadurch ziemlich leicht. Rückwärts betrat ich die willkommene Wärme und seufzte vor Erleichterung tief. Gestört wurde diese Zufriedenheit durch mein klingendes Smartphone. Enjo hatte vor Monaten mein Handy in dem Fingern gehabt und nun hatte jeder meiner Kontakte seinen persönlichen Song. Das Lied, das gerade spielte, sagte mir, dass Nicole anrief. Warum Enjo für meine Freundin ausgerechnet das Lied Smells like Teen Spirit genommen hat, war mir ein Rätsel.
"Du musst sofort herkommen! Er dreht durch!", schrie sie mir beinahe ins Ohr. Einen Augenblick stand ich bloß verwirrt da, bevor ich mich umdrehte und direkt vor mir die verwirrende Nachricht einen Sinn bekam.
Dieser hitzköpfige Idiot!, dachte ich, als ich meine Fracht fallen ließ. Wütend über Enjos Verhalten und unfähig vernünftige Worte zufinden, schnappte ich mir das schwerste meiner Bücher - Algebra - und warf es ihn an den Kopf. Mit einem eindeutigen Treffer brallte es von seinem Dickschädel und landete auf dem Boden. Der reagiert nichtmal!

Wutschnaubend überwand ich die letzten Meter der Entfernung und stellte mich direkt vor den einmeterfünfundachtzig großen Idioten. Ohne einen Blick in seine mit Sicherheit roten Augen zuwerfen, wandte ich mich an die Typen, die auf dem Boden hockten und wie verängstigte Welpen jammerten. Dank der Hitze, die Enjo ausströmte konnte ich mir denken, was die drei gemacht hatten. Trotzdem bot ich ihnen meine Hand an und half ihnen sich wieder aufzurichten. Sie überragten mich deutlich, was bei meiner Körpergröße nicht schwer war, trotzdem sahen sie fragiler und schwächer aus.
"Geht. Verschwindet und benutzt beim nächstem Mal eure Hirne und eure Augen. Lästert, wenn euch niemand hören kann. Jetzt haut ab!"
Ich wartete ihre Reaktion gar nicht erst ab, sondern widmete mich direkt den Schaulustigen. "Verschwindet, die Show ist vorbei! Los, macht euch vom Acker", rief ich und machte die passende Husch-Husch Bewegung mit den Händen. Als sich endlich die Menge lichtete, ging auf Nicole zu.
Seit mehr als sieben Jahren kannten wir uns und waren Freundinnen. Sie war genauso klein wie ich, vielleicht verstanden wir uns deshalb. Wir hatten dieselben dämlichen Zwergewitze über uns ergehen lassen müssen. Möglicheweise lag es auch daran, dass wir uns im Charakter ziemlich ähnelten, aber dass war nur eine der vielen Theorien.
"Wie war dein Wochenende?", fragte ich sie ganz ruhig, hob das von mir geworfene Buch auf und machte mich auf dem Weg meine restlichen Habseligkeiten einzusammeln.
"Ganz gut. Wir haben Grams besucht", berichtete sie. "Aber solltest du nicht erst mit Enjo reden, Ash? Dieses Mal war er nicht im Unrecht. Die drei Typen haben echt hässliche Dinge gesagt. Er hat es nur...übertrieben."
Ich seufzte tief und hon das letzte Buch auf. Mein Blick wanderte zu Enjo, der immer noch an derselben Stelle stand und anscheinend qualmte.
"Hey", sagte ich sanft und berühte im am Arm. Trotz der kühlen Temperaturen brauchte Enjo keinen Pullover, geschweige eine Jacke. Eine der Vorteile, wenn man ein Feuerteufel war.
"Wieso hast du mich aufgehalten?", fragte er mit zusammengepressten Zähnen. "Diese Bestrafung hätte niemanden etwas gebracht", antwortete ich im besänftigen Ton. "Du hättest vermutlich am meisten gelitten. Kerle, wie die drei, an denen solltest du dich nicht stören. Es wird sie immer geben. Sie sind Viren. Du kannst sie nicht auslöschen. Ganz einfach."
"Aber solltest nicht gerade du sie hassen? Solltest nicht gerade du diese Bastarde brennen sehen wollen? Du bist das Opfer. Täter gehören bestraft." Enjos Augen zeigten seinen innerem Zwiespalt, seine Gefühle als seine Augen über mein Gesicht und somit über meine Narben wanderten.
"Ich besiege sie nicht, indem ich jeden von ihnen anzeige und du sie quälst. Ich bin stärker, als diese Feiglinge. Ich störe mich am ihren Worten nicht. Sie berühren mich nicht. Enjo", sagte ich und griff mit der freien Hand nach seiner. "Sie sind mir egal. Ihre Worte und ihre traurigen Leben sind mir vollkommen egal. Also, beachte sie einfach nicht. Wenn du sie bestrafst, gibst du ihnen mehr als sie verdienen. Du gibst ihnen deine Aufmerksamkeit. Und die verdienen diese Kerle wirklich nicht."
Enjo schloss seine Augen. Ich konnte hören, dass er versuchte seinen Puls durch ruhige Atemzüge versuchte zu beruhigen. Er mzsste sein Blut abkühlen und somit das Feuer in seinem Adern verbannen.
"Vielleicht begreife ich es eines Tages", meinte er, als er seine Augen wieder öffnete und das hypnotische Grün, das ich so sehr mochte, zum Vorschein kam. Ich lächlte leicht und drückte seine Hand nochmals, bevor ich ihn los ließ.
"Gut und zur Strafe trägst du meine Bücher."
"Gerne", lachte er und ging voraus.

"Problem gelöst", sagte ich zu Nicole, als sie uns einholte. " Der Feuerteufel schläft. Vor uns steht der kleine Enjo Garcia".
"Klein? Ich glaube kaum, dass jemand wie du Ash, dieses Wort benutzen sollte", kommentierte mein sprechender Packesel. Die beunruhige Aura von vorhin war vollkommen verschwunden. Enjo war gerade zu ausgelassen. Er war ein völlig anderer Mensch. Manchmal fragte ich mich, wie es in seinem innersten aussah. Wie groß der Schaden war, der im als Kind und als Teenager zugefügt wurde.
"Zum letzten Mal", sagte ich und verbannte meine Gedanken. "Ich bin 1,60m. Ich bin größer als jeder Hobbit und jeder Zwerg. Ich bin durchschnittlich groß für Menschen."
"Genaugenommen liegt die durchschnittliche Körpergröße einer amerikanischen Frau bei etwas mehr als 1,63m. Somit seid und bleibt ihr Zwerge".
"Arsch", kommentierten wir simultan, was er mit einem Schulterzucken abtan.
"Zurück zu dem wichtigen Themen", beschloss Nicole, als wir das Klassenzimmer betraten und unsere Stammplätze im hinteren Teil der Klasse einnahmen. "Bevor unser kleiner Feuergott heute Morgen erschien, habe ich gehört, dass wir einem neuen Mitschüler bekommen."Ihre braunen Augen glühten gerade zu vor Aufregung.
"Der Arme", antwortete ich und kramte meine Untensilien aus meiner Tasche. "Er muss nicht nur mitten im Jahr die Schule wechseln, sondern zieht auch in diese hässliche Stadt."
"So schlimm ist Leetween auch nicht", warf Nicole ein. "Immerhin gibt es diese Stadt schon seit der den Großen Kämpfen. Die meisten neugegründeten Städte hielten nicht mal zehn Jahre."
"Danke, ich wollte eigentlich keinen Vortrag", stoppte ich sie sofort. Nicole war vom 21. Jahrhundert fasziniert, insbesondere von den Großen Kämpfen, was meiner Meinung mach viel mehr große Massaker waren, die zum Ende der alten Weltordnung führten und Menschen wie Enjo hervor brachten.
"Ruhe!"
Kaum hatte sie den Raum betreten, verdarb Mrs. Shester allen die gute Laune. Eigentlich brauchte man ihr nur ins Gesicht zusehen und schon sank das Stimmungssthermometer um mindestens zehn Punkte.
"Wir bekommen einen neuen Mitschüler", verkündete sie in ihrer typischen monotonen Tonlage, die jeden binnen weniger Minuten in den Schlaf trieb. Sie war nicht nur eine Stimmungsbombe, sondern die lebende Form des früheren sobeliebten Sandmännchens.
"Er kommt aus dem Norden Amerikas, aus New D.C.Benimmt euch und versucht nett zu sein. Ich brauche nicht noch mehr Probleme  in meinem Leben. Gray, komm rein."

Hätte ich damals gewusst, wie sich mein Leben dank diesen Jungens verändern würde, hätte ich ihm vielleicht in dem Moment, in dem er vor uns stand eine Kugel in den Kopf gejagt.
Vielleicht wäre das die bessere Wahl gewesen.

Burned; Fire & AshWhere stories live. Discover now