2. »Ich will Hüter werden.«

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Hallo Zusammen!

Weiter geht's, diesmal mit der zweiten Hälfte meiner Charaktere. Vielleicht werdet ihr ein paar bekannte Gesichter wiederentdecken.

Über Rückmeldung jeglicher Art freue ich mich immer wahnsinnig, also lasst gerne einen Kommentar oder einen kleinen Zettel da.

Ich wünsche viel Spaß mit dem zweiten Kapitel, einen schönen Abend und einen wolkenlosen Himmel für die Mondfinsternis!

Eure

Schneestern37

~ • ~


»Ich verstehe einfach nicht, warum du dir das überhaupt ansehen willst.«

Percy stand in der Schlafsaaltür und beobachtete kopfschüttelnd, wie Oliver sich seinen Gryffindor-Schal um den Hals schlang. »Das bringt doch nichts. Erstklässler dürfen sowieso noch nicht ins Team.«

Oliver sah seinen Klassenkameraden wehleidig an. »Ich weiß. Aber ich will die Auswahlspiele trotzdem sehen.«

Percy blickte verständnislos zuerst zu Oliver, dann zu den mit Plakaten gepflasterten Wänden über den Betten seiner Mitschüler. »Warum sind bloß alle so versessen auf Quidditch? Es ist doch nur eine Sportart! Fred und George liegen mir damit schon zu Hause ständig in den Ohren.«

»Deine Brüder?«

»Ja«, sagte Percy leidend. »Sie sind neun. Und sie reden ständig davon, dass sie unbedingt Treiber werden wollen.«

Oliver grinste. Er würde die beiden in die Mannschaft holen, wenn er Kapitän wäre.

»Solange mein Bruder in der Mannschaft spielt, hast du sowieso keine Chance«, fuhr Percy fort. »Er ist ein guter Sucher, das sagen alle.«

»Wer sagt denn, dass ich Sucher werden will?«, fragte Oliver verwirrt.

»Alle wollen das. Du nicht?«

»Nein.« Oliver straffte die Schultern. »Ich will Hüter werden.«

~ • ~

Staunend drehte sich Oliver einmal um sich selbst und ließ seinen Blick über die hohen Tribünen und die Torringe zu beiden Seiten des Spielfelds wandern. Er stand zum ersten Mal in seinem Leben im Quidditchstadion von Hogwarts, und es war überwältigend. Viel größer, als er es sich vorgestellt hatte. Natürlich hatte er es schon aus der Ferne gesehen, und es war kaum ein Tag vergangen, an dem er nicht am Fenster des Gemeinschaftsraumes gestanden hatte, die Hände an die Scheibe gelegt, und sehnsüchtig hinunter zum Spielfeld geblickt hatte, doch nun, als er tatsächlich auf dem Rasen stand, inmitten des Stadions, und sich selbst zwischen den um ihn hoch aufragenden Tribünen seltsam klein vorkam, hatte er das Gefühl, dass das hier der Anfang war. Der Anfang von etwas Großem.

Die Tribünen boten einen atemberaubenden Blick über das Spielfeld. Oliver stand ganz vorne am Geländer und beobachtete gebannt die Spieler, die an ihm vorbeischossen. Natürlich hatte er bereits zuvor ein Quidditchspiel gesehen, den Sport hautnah miterlebt. Doch das hier war etwas anderes; das hier war der Anfang. In einem Jahr würde er selbst dort oben an den Torringen sein und sein erstes Testspiel fliegen, um in die Hausmannschaft aufgenommen zu werden.

Hoch oben, zwischen den anderen Spielern, konnte Oliver einen Rotschopf ausmachen. Das musste Charlie Weasley sein, der Sucher und neue Kapitän der Gryffindors. Wenige Minuten in der Luft genügten Oliver, um zu erkennen, dass Percy maßlos untertrieben hatte; Charlie war nicht gut, er war absolute Spitze. Und das, obwohl er hier im Moment nicht einmal als Sucher spielte. Oliver sah es schon an seiner Haltung, am Flugstil, an der Art, wie er das Spielfeld überblickte. Es wirkte, als wäre er hier in der Luft zu Hause. Oliver bewunderte ihn zutiefst.

Die Testspiele dauerten den ganzen Vormittag lang. Gegen Mittag kamen immer mehr Schüler, offenbar vom Frühstück, um sich die Auswahlspiele anzusehen. Doch Oliver blieb alleine, in der obersten Reihe der Tribünen. Seine Begeisterung war allmählich in Frustration umgeschwungen. Ein Jahr ohne Quidditch. Ein Jahr lang musste er warten, um überhaupt die Chance zu erhalten, der Hausmannschaft beizutreten. Und wer wusste, ob sie ihn überhaupt nehmen würden? Die Spieler, die er gesehen hatte, waren gut. Wirklich gut. Sie waren älter und erfahrener als er. Und nicht einmal die hatten es alle in das Team geschafft.

Niedergeschlagen kratzte über ein paar Einkerbungen in der Tribüne. Als er seine Finger an sein Gesicht hob, waren seine Fingerspitzen schwarz. Neugierig besah er sich die Buchstaben, die in das Holz eingebrannt waren.

ICH FÜHL MICH SO ALLEIN

Oliver biss sich auf die Lippe. Er wusste nicht, was es war, doch irgendetwas berührten diese Worte in ihm. Vielleicht war es, weil er sich im Moment so hoffnungslos und niedergeschlagen fühlte. Vielleicht war es, weil keiner seiner Klassenkameraden seine Leidenschaft zu Quidditch wirklich verstehen wollte. Oder vielleicht war es auch nur die Tatsache, dass er in Hogwarts bisher nie jemanden gehabt hatte, mit dem er einfach reden konnte, die ihn dazu bewegte, den Zauberstab zu zücken und drei Worte darunterzusetzen.

~ • ~

Marcus fühlte sich elend. Er hatte verloren, versagt, und Adrian ging ihm seit über einer Woche aus dem Weg. Im Großen und Ganzen - die schlimmste Zeit, die er in Hogwarts bisher je erlebt hatte.

Er hatte begonnen, auf dem Schlossgelände umherzuwandern, an abgelegene Stellen, an denen er einfach seine Ruhe haben konnte, ohne ständig daran erinnert zu werden, dass Adrian fehlte. Und obwohl er sich vollkommen niedergeschlagen fühlte, konnte er nicht umhin festzustellen, wie schön Hogwarts eigentlich war.

Von ganz oben auf den Tribünen hatte er einen schönen Ausblick über das Schlossgelände, bis hin zum schwarzen See. Nur dass das Wasser trüb und grau aussah, wie der Himmel über ihm. Grau und trostlos, so wie er sich fühlte.

Seit den enttäuschenden Auswahlspielen saß er öfter hier, wenn ihm alles zu viel wurde, wenn er dem Trubel im Gemeinschaftsraum entkommen und einfach einmal nachdenken wollte. Hier oben fühlte er sich seltsam abgeschieden, weit entfernt vom Rest der Welt, den Wind in den Haaren, Hogwarts still vor ihm liegend, alles ruhig und friedlich. Es war beruhigend.

Marcus schloss die Augen. Er würde das Beste daraus machen. Er würde die Zeit nutzen. Wenn niemand zu ihm hielt, niemand an ihn glaubte, musste er eben dafür sorgen. Er würde trainieren. Tag und Nacht, wenn es sein musste. Er würde Jäger werden, um jeden Preis.

Als Marcus die Augen wieder aufschlug, fiel sein Blick auf die Buchstaben, die er vor einer Woche in die Tribüne eingebrannt hatte. Nur, dass da nicht mehr nur seine Schrift war. In unordentlichen, etwas schrägen Buchstaben war eine neue Botschaft in das Holz geritzt worden, direkt unter seinen eigenen Worten.

ICH FÜHL MICH SO ALLEIN

ICH MICH AUCH


Nur ein kleiner ZettelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt