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Federleicht streifen deine Lippen die meinen. Mein Herz fühlt sich an, als würde es gleich zerspringen. „Sorry." Deine raue Stimme bringt meine Knie zum Zittern. Und gleichzeitig schrillt eine kleine Alarmglocke in meinem Kopf. Warum entschuldigst du dich? Du bringst ein paar Schritte Abstand zwischen uns. „Sorry." Wieder dieses rätselhafte Wort. „Das hätte nicht passieren dürfen." Wie ein Schlag ins Gesicht treffen mich deine Worte. Und du verschwindest. Ich sinke langsam zu Boden. Warum tust du das? Ich dachte, du liebst mich! Wie naiv ich doch war. Ich hatte wirklich gehofft, dass die Gefühle nicht nur von meiner Seite kommen. Du warst von Anfang an mehr für mich. Was bin ich für dich? Aber natürlich, du bist zu gut für jemanden wie mich. Das hatte ich gewusst. Beliebt, gutaussehend, in allem perfekt. Sogar der Kuss war wie ein Abbild deines wunderschönen Aussehens. Ich schließe die Augen und verliere mich in den Erinnerungen. Ein Kribbeln breitet sich in mir aus, als sich der Kuss vor meinem inneren Auge abspielt. Doch dann kommt wieder die Realität. Wie ein eiskalter Eimer Wasser über mir. Das war alles nicht gewollt. Alles nur eine Lüge. Hirngespinst. Wieso hatte ich mich so an meinen Hoffnungen festgeklammert? Nun war alles vorbei. Die Dämme brachen ein.

Ein leises Kichern holt mich aus meinen Gedanken. Suchend blicke ich mich um. Mir kommt ein Paar auf Fahrrädern entgegen. Es ist warm, die Sonne scheint auf mein Gesicht. Ich schließe die Augen. „Hey." Ich reiße meine Augen wieder auf. Du stehst vor mir, ein leicht angedeutetes Lächeln in deinem hübschen Gesicht. Stumm starre ich an dir vorbei. Schräg hinter dir steht ein Mädchen von meiner Schule. „Hi." Sie lächelt vorsichtig. Ich weiß, dass sie mich kennt. Etwas lahm winke ich leicht, obwohl du direkt vor mir stehst. Ich bringe kein Wort heraus. Das ist also deine Neue. „Wie geht's?" Wir sind also beim Smalltalk angekommen. „Gut..." Meine Stimme krächzt. Deine Neue... Die Worte kreisen in meinem Kopf, drehen sich, verzerren sich. Ich spüre, wie meine Augen beginnen zu brennen. Nicht weinen! Deine Neue... Wieder und wieder höre ich die Stimme. Warum sie? Warum sie und nicht ich? „Also... man sieht sich...", durchbrichst du die Stille. Ich kann dich immer noch nicht ansehen. Deine Begleitung versucht, ihr Lächeln aufrecht zu erhalten. Sie schafft es nicht. Doch du gibst das Zeichen zum Aufbruch. Ihr setzt euch auf die Räder und fahrt los. Du sagst etwas, was sie zum Lachen bringt. Sie lacht hell und klar. Ich starre euch nach, bis ihr um eine Ecke biegt. Endlich kann ich meinen Tränen freien Lauf lassen. Sie laufen. Und nichts kann sie halten. Warum?! Ich finde keine Ruhe. Ich muss damit abschließen, es akzeptieren. Doch euer Gelächter verfolgt mich. Stunden. Tage. Wochen. Immer wieder kommt es hoch, hängt in meinem Kopf und entzieht mich der Realität. Warum?! Ich fühle alles, und doch ist diese Leere in mir. Sorry... Deine Neue... Hey... Das hätte nicht passieren dürfen.



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