Prolog

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Laute Musik. Eine große Menschenmenge. Stickige Luft. Die Haut vieler Menschen, die sich auf der Tanzfläche auf enger Näher aneinander rieb. Was hat mich nochmal getrieben hier her zu kommen? Ich quetschte mich verzweifelt durch die Massen. Von manchen Seiten kamen empörte Aufrufe, andere probierten mich in ihre fragwürdig aussehenden Tänze einzubinden und andere waren mittlerweile schon so betrunken, dass es ihnen egal war, was um sie herum geschah. Erleichtert lies ich mich auf einen Barhocker fallen, nachdem ich es endlich zur Bar geschafft hatte. Ich vergrub meinen Kopf unter meinen Armen, in der Hoffnung, dass ich mich so von dem Lärm des Clubs abschotten konnte, jedoch ohne Erfolg. Ich seufzte, das war die schlechteste Entscheidung meines Lebens. "Ziemlich scheiße hier, hmm?" Verwundert drehte ich meinen Kopf zur Seite. Ein braunhaarige junge Frau spielte mit dem Strohhalm rum, welcher in dem Getränk vor ihr stand. Ich fragte mich, ob sie mich gerade angesprochen hat oder aus der Not heraus begonnen hat, mit sich selber zu sprechen. Die Frage klärte sich von selber, als sie sich zu mir drehte, immer noch dabei, den Strohhalm zu bearbeiten. "Du siehst aus, als wärst du mit einem Flugzeug geflogen, welches dann aber abgestürzt ist und du als letzter Überlebender und mit dem letzten Funken, welcher in dir steckte hierher gekrochen wärst." Meinte sie das jetzt ernst oder war es als Witz gemeint? Verwundert zog ich eine Augenbraue hoch, doch ihre Miene blieb unverändert. Stille. "Wird das jetzt ein Starrkontest?" "Nein, bitte nicht, ich bin furchtbar schlecht in so etwas." Sie pustete sich ihren franzigen Pony aus dem Gesicht, der ihr davor etwas in die Augen hing. Ich musterte sie. Sie trug einen grauen Wollpullover, nicht so einen, der irgendwann mal irgendwie angesagt war, sondern so einen, den man von seiner Großmutter zu Weihnachten geschenkt bekommt und dann in die hinterste Ecke seines Kleiderschrankes schiebt, in der Hoffnung ihn nie wieder sehen zu müssen. In Kombination zu dem Wollungetüm trug sie einen rosanen Rock, welcher in Gegensatz zu den anderen Röcken in diesem Club nicht hauteng war und knapp über den Hintern ging. Ganz im Gegenteil. Der Rock war weit und ging bis zu ihren Waden, so dass es jeden Pfarrer, der auf kein Sex vor der Ehe schwört, verdammt glücklich gemacht hätte, da dieses Teil praktisch Keuchheit brüllte. Es war so, als wäre sie an diesem Club vorbei gelaufen und hätte ganz spontan entschieden ihn zu betreten. "Du bist hier spontan reingekommen, oder?" Es interessierte mich und ich wollte es wissen. Sie lies von ihrem Strohalm ab und guckte mich erstaunt an "Woher weißt du das denn?" "War nur so eine Ahnung." "Und du?" "Wie und du?" "Na was du hier machst." Ich überlegte "Mich ablenken." "Ablenken von was?" Sie fragte immer weiter und normalerweise würde es mich nerven, sehr sogar, was den Fakt, dass ich ihr antwortete noch unglaublicher machte. "Von der ganzen Arbeit, den Stress...ich hätte mir wohl einen anderen Platz aussuchen sollen." "Tatsache, das hättest du, auf eine Party zu gehen, um abzuschalten ist wahrlich dumm." Ich stutzte. Sie sagte es einfach offen heraus, ohne mit der Wimper zu zucken. "Ist etwas?" Sie guckte mich fragend an. Ich schüttelte meinen Kopf. "Wie machst du das?" "Wie mache ich was?" "Wie machst du das, so gestresst zu sein, dass du aus Verzweiflung in einen Club gehst?" "Die Frage ist genau so dumm wie die Tatsache, dass ich mich alleine ablenken wollte auf einer lauten Party" Sie schwieg, wahrscheinlich hatte ich es gerade übertrieben. Dann lachte sie. Erst ziemlich leise, so dass es mehr ein Glucksen war, dann aber änderte sich das Glucksen ziemlich schnell in ein Lachen. Sie kniff während des Lachens ihre Augen zusammen, so als ob sie etwas blenden würde. Ich begann auch zu lachen. Ich verstand nicht, was so witzig war, wahrscheinlich nichts, doch ihr Lachen brachte mich gerade mehr zum lachen als es jeder Joint je getan hätte. "Lieber unbekannter Fremder," sie wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht "Jede Party ist laut." Das war es? Das war der Grund, weshalb sie so sehr lachen musste. "Nicht jede Party ist laut.", probierte ich mich zu rechtfertigen. "Es gibt ja auch einen Unterschied zwischen einem gemütlichem Kaffeekränzchen und dem hier!" Sie breitete ihre Arm aus. "Nein, das meine ich nicht." "Ein Kindergeburtstag ist auch etwas anderes." "Okay du hast mich, jede Party ist laut." Sie nickte zufrieden. " Genau so sehe ich das auch." "Das hast du mir vor ein paar Sekunden auch schon mitgeteilt." "Ich weiß, aber eine doppelte Aussage unterstreicht das Ganze so gut." "Damit lässt du mich aber wie ein Volltrottel dastehen." Sie kicherte. Nicht dieses typische Gekicher, wenn irgendeine Tussi sich einen Typen klären wollte, es war einfach nur ein Lachen, aber halt ein Leises und das war verdammt süß. "Das tut mir sehr leid, Fremder." "Du kannst auch einfach fragen wie ich heiße." Schnell schüttelte sie den Kopf, so als ob ich sie gerade etwas, für die kurze Zeit, die wir uns kennen, total Unanständiges gefragt hätte. "Mach das bitte nicht." "Aber ein herkömmlicher Name geht doch um einiges leichter von der Zunge als Fremder ." Ich legte besondere Betonung auf dieses Wort. Sie lachte wieder, und ich war mir jetzt mittlerweile sicher, dass sie das schönste Lachen hatte, dass ich jemals gehört hatte. "Das weiß ich doch, aber es würde alles kaputt machen, wenn ich deinen Namen wissen würde." "Entschuldige, aber ich kann dir gerade nicht folgen. Was genau würde es kaputt machen." "Dass wir eine Begegnung hatten, die wir nie wieder vergessen und oft daran denken, aber es einmalig ist." Wow, der hat gesesssen. "Was sagst dir, dass ich unsere Begegnung auch so großartig finde." "Mein magisches Radar, nein okay, ich weiß, dass mein Humor unterirdisch ist und du schon längst gegangen wärst, wenn dich nicht irgendwas an dieser Unterhaltung gehalten hätte." Sie lächelte und irgendwie sah sie beim Lächeln aus wie eine Maus und verdamm mich, sie hat voll ins Schwarze getroffen. Wer war diese Frau? Sie stand auf und strich sich ihren langen Rock glatt. "Warte, du willst doch nicht jetzt schon gehen?" "Weißt du noch, als ich beziehungsweise du gesagt hast, dass ich spontan hier her gekommen bin. Mir ist eingefallen, dass ich so gut wie alle meine Fenster hab offen stehen lassen und wenn ich nicht will, dass meine Wohnung leer geräumt ist, wenn ich wieder da bin, dann sollte ich echt los." Ich presste meine Lippen unzufrieden zusammen und schwieg kurz "Darf ich deine Nummer haben?" Sie lächelte wieder ihr Mauselächeln bäugte sich über die Bar und schnappte sich ein kleinen Notizblock und einen Kulli, die mit großer Wahrscheinlichkeit dafür gedacht waren, die Bestellung der Partygäste aufzunehmen. Sie schrieb etwas auf den Zettel, riss ihn raus. "Es war schön dich kennen zu lernen, Fremder. Vielleicht sieht man sich bald." Wieder dieses Mauselächeln. Sie faltete das Zettelchen, drückte es mir in die Hand und wand sich ab, um sich einen Weg, raus aus dem Club zu bannen. Ich starrte ihr nach, bis sie zwischen den schwitzigen Körpern verschwand und ich war mir sicher, dass es als Außenstehender so aussehen müsste, als würde ich ihr wie ein perverser Freak auf den Arsch starren. Als sie verschwand faltete ich ihren Zettel auseinander und was darauf stand, war so ziemlich das Erschütternste, was ich jemals gelesen habe. Ein feinen, aber etwas verwackelten Buchstaben stand auf dem Zettel einfach nur Felicia.

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⏰ Last updated: Jul 07, 2018 ⏰

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Felicia ist ihr NameWhere stories live. Discover now