║Dreizehn Tage danach║

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Die glorreiche Vergangenheit dieser Tasse bestand zum größten Teil darin, dass Max sie in der dritten Klasse von einem Mädchen geschenkt bekommen hatte. Von genau dem Mädchen, in das ich damals schrecklich verknallt war. Ich schwöre, meine Welt ist ein Stück in sich zusammengebrochen, als ich Max mit ihrer Tasse in der Hand gesehen habe. Ich war kurz davor, Max zu hassen. Früher, als das mit dem Hassen und Lieben noch etwas anderes war. Doch was hat Max getan? Er hat mir die Tasse gegeben, mit der Begründung, seine Bob-der-Baumeister-Tasse wäre schon seine Lieblingstasse. Ich war der glücklichste Mensch der Welt.

Später dann, lange nachdem ich über das Mädchen hinweg war, dass ja doch nichts von mir wollte, habe ich die Tasse in der hintersten Ecke unseres Küchenschrankes wiedergefunden. Ich wollte sie schon wegschmeißen, als mir einfiel, dass sie ja streng genommen noch Max gehörte. Also fragte ich ganz der gute Freund, ob er die Tasse zurückhaben wollte. Überraschenderweise sagte er ja und ich gab ihm sie zurück.

Aber jetzt steht sie wieder in meinem Küchenschrank. Und dass, obwohl ich von Zuhause ausgezogen und in der Zwischenzeit zweimal umgezogen bin. Schuld daran ist – wie zu erwarten – Max und eine gewisse Party, an die ich mich zumindest noch bruchteilhaft erinnere. Es war der erste Junggesellenabschied, auf dem Max und ich waren. Wir waren siebzehn oder achtzehn und mit Abstand die Jüngsten. Ich habe keine Ahnung mehr, warum gerade wir damals auf diese Party eingeladen wurden, geschweige denn, wessen Junggesellenabschied das überhaupt war. Das Einzige, was von dem Abend wirklich bei mir hängengeblieben ist, war das Poltern. Zum ersten Mal in meinem Leben bekam ich keinen Ärger für das Zerdeppern von Porzellangeschirr. Ja – ich wurde sogar darum gebeten. Das war irgendwie toll. Bis Max zu mir kam und sich lallend darüber beschwerte, dass man so schönes Geschirr mutwillig zerstörte. Am nächsten Morgen gab er mir die Hello Kitty Tasse zurück, mit der Bitte, auf seinem Polterabend dieses Ding endlich zu zerstören. Tja – seitdem steht es in meinem Schrank und wartet darauf, dass Max heiratet.

Hungrig beiße ich in mein Marmeladenbrötchen, als Max sich auf dem Stuhl neben mir fallen lässt. Er stützt sich mit dem Ellenbogen auf der Tischplatte ab und beobachtet mich von der Seite.

„Lou hat vorhin angerufen", gibt er nach einer Weile von sich. Ich halte für eine Sekunde in meiner Bewegung inne, kaue dann aber zu Ende und schlucke hinunter.

„Und was wollte sie?", frage ich neugierig, während ich einen Schluck Kaffee trinke, um die letzten Krümel hinunterzuspülen.

„Ach, nichts besonderes. Sie hat sich nur Sorgen gemacht", winkt Max ab. Ich sehe ihn skeptisch über den Kaffeetassenrand hinweg an.

„Alles okay zwischen euch? Ich mein, sie wusste doch, dass du bei mir pennst, oder?"

Max nickt unbeteiligt, wirkt aber nicht ganz so unschuldig, wie er tut.

„Hab ihr Stress?", hake ich nach. Max schüttelt den Kopf.

„Aber es läuft auch nicht so, wie du dir das vorstellst?"

Wieder schüttelt Max bloß den Kopf. Er seufzt.

„Würdest es dich interessieren, wenn ich mir ihr Schluss machen würde?", fragt Max plötzlich aus heiterem Himmel. Ich lasse mein Brötchen auf halben Weg zum Mund wieder sinken.

„Was ist das denn für eine Frage? Natürlich würde mich das interessieren! Was glaubst du denn?"

Ich schnaube übertrieben entrüstet. Max lacht kurz und trocken, ehe er blitzschnell wieder ernst wird. Irritiert halte ich inne.

„Nein, so meinte ich das nicht", verteidigt er sich. „Ich mein... ich wollte damit sagen... ich... würdest du dich darüber freuen?"

Ich spüre förmlich wie er die Luft anhält. Verwirrt runzle ich die Stirn.

„Nein?"

Ich ziehe eine Augenbraue hoch. Es ist mehr eine Gegenfrage als eine Antwort.

„Ich meine, wie fies wär das denn. Glaubst du ernsthaft, ich würde mich freuen, wenn du niedergeschlagen bist, weil du dich von deiner Freundin getrennt hast?"

Max schweigt und weicht meinem Blick aus. Ich verstehe nicht, warum er mich das fragt. Verunsichert esse ich mein Brötchen auf. Zwischen uns entsteht ein unangenehmes Schweigen. So etwas gab es seit Jahren nicht.

„Ich geh dann mal", verabschiedet sich Max eine halbe Stunde später von mir.

„Es könnte nämlich durchaus sein, dass ich vergessen habe Lou zu sagen, dass ich bei dir bin." Er grinst verschämt. Ich lache, doch es kommt mir ein wenig zu gezwungen vor, zu gewollt.

„Dann pass auf, dass sie dich nicht grillt oder in Stücke zerreißt. Ich würde dich nämlich gerne in ganz wiedersehen."

Für einen winzigen Moment zuckt Max zusammen. Wir beide tun, als wäre nichts geschehen, aber ich merke zum ersten Mal, dass irgendetwas anders ist zwischen uns. Ich weiß nur noch nicht, was.

Es macht mir Angst.

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Die Sekunde, in der die Welt stillstandWhere stories live. Discover now