«Mach ich», flüsterte ich und er schenkte mir ein herzliches Lächeln.

«Also ich glaube ich schlafe auch noch ein Bisschen und ich denke dir würde das auch ganz gut tun», meinte Iwen. Ich sah zu meinem Schlafsack. Doch meine gestrige Schlafstelle war bereits von Serya und Elon besetzt.

«Schlafen klingt gut, aber irgendwie wird mein Schlafsack gerade von anderen gebraucht», sagte ich mit einem Kopfnicken zu den beiden.

«Bei mir ist noch genug Platz», flüsterte Iwen und deutete zu seinem Schlafsack. Also krabbelten wir um Elle herum und quetschten uns in die freigebliebene Lücke. «Schlaf gut», flüsterte er und lächelte. Daraufhin schlief er fast sofort ein. Ich betrachtete sein Profil, mit den geschlossenen blauen Augen und dem Blondschopf. Es sah aus, als ob er beim Schlafen lächeln würde und ich dachte vor dem Einschlafen nur an seine behutsamen Berührungen.

Den weiteren Tag verbrachten wir mehr oder weniger schlafend. Nur einmal wurden wir von Malia geweckt, die einen Salat aus jungen Blättern und kleinen Nüssen, die ich beide nicht kannte, zubereitet hatte. Wir hatten es nach über drei Wochen wohl alle mehr als nötig gehabt, uns einmal richtig auszuruhen.

Als ich die Augen schloss, kamen mir die Bilder aus der Stadt wieder hoch. Meine «Familie», das hiess eigentlich nur mein Vater und ich hatten der zweiten Klasse angehört. Er leitete eine Firma, die Elektrochips herstellte. Ich hätte sie übernehmen sollen. Wie so viele Sprösslinge der zweiten Klasse, und klassischerweise hatte ich dazu die allerhöchste wirtschaftliche Ausbildung besucht. In einer Gesellschaft die auf die absolute Leistung und einzig und alleine auf Geld und Macht aus war, hatte es dazu gehört, besser sein zu wollen als jeder andere seiner Stufe. Die unteren Klassen wurden scham- und skrupellos ausgebeutet. Ich hätte genauso in dieses System gehört, wäre da nicht Amber gewesen. Jeder hatte sie gekannt, sie war eine Vorzeigezweitklässlerin gewesen. Ehrgeizig, erfolgreich, klug, eine Führungsperson. Ich hatte zu ihr aufgesehen, wie es so viele getan hatten. Aber sie war nie die gewesen, für die wir sie gehalten hatten. Schon mit fünfzehn hatte sie sich dieser Gruppe angeschlossen, die mehrheitlich aus Jugendlichen aus der Fünften und Vierten, teilweise auch Dritten Klasse bestand. Bei einem Dinner hatte man mich neben ihr platziert. Ich konnte mich nur zu gut an die Nervosität erinnern, die ich verspürt hatte. Amber war drei Jahre älter als ich und einfach jeder wollte so sein wie sie. Wie erwartet hatte ich sie nicht wirklich interessiert, sie hatte mich den ganzen Abend über so gut wie komplett ignoriert. Erst als ich eigentlich schon fast hätte gehen wollen, und zwei junge Männer der zweiten Klasse mit mir zu diskutieren angefangen hatten. Zu Beginn eine ganz normale Diskussion wie man sie unter möglichen künftigen Geschäftspartnern führen musste, wie uns immer eingetrichtert wurde. Doch dann drifteten wir zur Frage ab, ob es Korrekt war, die Arbeiter aus den unteren Klassen für schlechte Löhne arbeiten zu lassen. Die beiden hatten es in Ordnung gefunden, da die Arbeiter ja keinerlei anderweitige Ausbildung besassen und sie keine anspruchsvollen Arbeiten verrichteten. Ich hingegen hatte darauf hingewiesen, dass es ihnen gar nicht möglich war, eine Ausbildung zu absolvieren und sie teilweise so wenig besassen, dass sie ihre Familien nur knapp ernähren konnten. Die anderen beiden Zweitklässler hatten über meine Naivität gelacht, mich als Sozialistin und Gutmenschen beleidigt. Doch dann war Amber hinzugetreten. Was genau sie gesagt hatte, wusste ich nicht mehr, so überrascht war ich, dass sie sich für mich einsetzte, doch es hatte gewirkt, die beiden drehten sich ohne ein weiteres Wort um und gingen. Zuerst hatten mich die Ängste geplagt, was mein Vater dazu sagen würde, doch Amber hatte es geschafft, mir sämtliche Zweifel zu nehmen. Sie hatte mit mir die selbe Diskussion geführt, die wir vorhin zu dritt angebrochen hatten. Nur hatte sie genau meine Meinung vertreten.

In der Woche darauf hatte ich plötzlich unerwarteten Besuch empfangen, Amber hatte in unserer Eingangshalle gestanden und gesagt, sie würde mit mir einen Spaziergang unternehmen. Darüber war Vater sehr erfreut, schliesslich gehörte Amber einer angesehenen, reichen und einflussreichen Familie an. Noch etwas wofür die gut waren die Familien, Geld, Besitztum und Macht wurde nicht irgendwohin verstreut, sondern konnte gezielt weitervererbt werden.

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⏰ Last updated: May 12, 2018 ⏰

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