3 - Sammelsurium

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Die Haare waren einfach gewesen. Alvaro hatte noch immer Marias Bürste im Bad liegen, an der er reichlich Auswahl hatte. Für ihr Blut hatte er im Mülleimer wühlen müssen, aber schließlich ein Pflaster gefunden, dass sie über einen Schnitt am Finger geklebt und am Morgen vor der schicksalhaften OP abgenommen hatte.

Ein Stück Knochen von ihr hatte er natürlich nirgends herumliegen. Die Möglichkeiten, die ihm zur Beschaffung einfielen, waren allesamt verrückt – aber passte das nicht zu der ganzen Situation?

Immerhin war er bereit dem Wort eines unheimlichen Fremden zu vertrauen, um den letzten Wunsch seiner großen Liebe zu erfüllen. Einen Wunsch, der nach den Regeln, die er von der Welt kannte, unerfüllbar sein sollte.

Es gab verschiedene Vorgehensweisen, doch egal wofür er sich entschied, er würde schnell sein müssen. Er hatte keine Ahnung ob nach der Prozedur im Krematorium noch Knochen übrig sein würden. Brannten Knochen?

Alvaro hatte versucht im Internet eine Antwort zu finden, doch er war jedes Mal in Tränen ausgebrochen, bevor er die Frage im Suchfeld beendet hatte. Er konnte einfach nicht darüber nachdenken, was mit Marias Körper geschehen würde. Obwohl er wusste, dass sie schon längst nicht mehr darin wohnte, war es doch, als würde er sie noch einmal verlieren.

Es blieb nur sich auf das Ziel zu konzentrieren und möglichst wenig zu denken. Denken war der Tod. Denken führte immer wieder zurück zum Abflussreiniger.

Trotzdem wäre niemandem geholfen, wenn er sich dabei erwischen ließ wie er versuchte nachts in das Bestattungsinstitut einzubrechen. Und er würde erwischt werden. Wenigstens in der Hinsicht machte er sich keine falschen Hoffnungen. Er hatte einfach keine Erfahrung mit Einbrüchen.

Es blieb also nur der direkteste Weg.

Alvaro zitterte, als der hagere Bestatter ihn einließ.

"Herr Espinosa", sagte der Mann mit der perfektionierten, professionellen Freundlichkeit, die nur die besten Bestatter, Altenpfleger und Kindergärtner aufbringen. "Kann ich Ihnen helfen? Frau Gandorff ist nicht mehr aufgebahrt. Wir haben sie bereits für das Krematorium vorbereitet."

"Ich weiß. Und es tut mir wirklich leid Sie bei Ihrer Arbeit zu stören, aber ... kann ich sie noch ein letztes Mal sehen? Bitte?"

Das professionelle Mitgefühl des Bestatters wich echtem Mitleid und er trat einen Schritt zur Seite.

"Kommen Sie rein Herr Espinosa. Ich kann verstehen, dass es Ihnen schwer fällt loszulassen. Jemanden so früh und unvorbereitet zu verlieren ..."

Er sprach noch weiter, doch Alvaro war im Kopf bereits woanders. Nein, der Bestatter konnte nicht verstehen wie schwer es ihm fiel loszulassen. Wie sollte er auch? Er hatte Maria nicht gekannt. Und selbst diejenigen, die sie gekannt hatten, waren ihr nie so nah gewesen wie Alvaro.

Er zuckte zusammen, als er beinahe gegen den Mann vor sich lief. Mit einer etwas langsameren Reaktionszeit hätte er den dünnen Mann wahrscheinlich einfach über den Haufen gerannt, zumal er selbst durch die breiten Schultern und den hohen Wuchs mindestens doppelt so schwer wirkte.

Der Bestatter ließ ihm mit einer Geste den Vortritt.

Der Raum war kühl und schmucklos. Es hätte nur deutlicher machen können, dass dies normalerweise kein Ort für die Hinterbliebenen war, wenn man über Lautsprecher Mallorca-Partymusik abgespielt hätte. Mehrere Särge standen auf Rollwägen, bereit in die gewaltige Brennkammer geschoben zu werden, die nur durch eine schwere Metalltür in einem altbackenen Matschgrün von dem kalten Raum getrennt war. Die Farbe erinnerte Alvaro unangenehm an seine alte Schule, die hauptsächlich in dieser Farbe gehalten gewesen war.

Die Tochter des FremdenWhere stories live. Discover now