5.Wer ist der Fürst?

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Wa...as wis...sen Sie ü...über den Fü...ürsten von H...hier? Erzä...ählen Sie mir al...les und las...sen Sie keine Kleinig...keit aus. Ich da...nke Ihn..en von Her...zen.
Eden liest diese Zeilen langsam und fehlerfrei vor, Ina wuschelt ihm erneut stolz durch die Haare und sagte: „Mein Kleiner, du bist ja so gut geworden. Wann triffst du dich wieder mit Philipp?", „Morgen, Mama", antwortet Eden. „Aber nur,  wenn die Schwestern ihn raus lassen."

„Setz deine Maske ab", krächzt mich nun der Alte an. Heftig schüttle ich nun den Kopf. „Sie schüttelt denn Kopf, Großvater. Glaub mir, du kleine Geheimniskrämerin, wir haben schon schlimmeres als das Gradesmal gesehen. Schau dir bloß meinen Großvater an, ja ich habe bemerkt, wie du auf seine Narben schaust. Allesamt von reichen Spaziergängern, die Sonntags nichts Besseres zu tun haben als ihrer Dienerschaft zu befehlen, einen alten Mann am Straßenrand auszupeitschen." Angewidert verzieht sie das Gesicht. „Oder dir das Kind aus dem Leib zu treten." Als die Hand dieser Frau an ihren Bauch wandert, lege ich meine Maske ab. Mir läuft stumm eine Träne über die Wange und ich umklammere fest die Kohle in der einen Hand und die Zeitung in der anderen. Ich weiß nicht, was ich schreiben soll. Nun ergreift räuspernd der Alte wieder das Wort: „Ach Ina, hör auf, sie weint doch schon, das spüre ich. Ihre Seele ist in Aufruhr." Dies überrascht mich gar nicht, da dieser Mann ein 3.Gradler ist, es heißt, dass diese Gradler die Komponenten Sehen und Anfassen besitzen. Daher gelten sie als sehr seelennah und charmant, viele Psychologen und Prostituierte sind in diesem Grad vertreten, denn sie besitzen die Kunst der Manipulation von Menschen.

Deshalb muss man bei diesen Gradlern Vorsicht walten lassen, weiß man doch nie, ob sie dich gerade versuchen zu manipulieren.

Ich atme einmal tief ein und aus, wischen mir die Tränen von der Wange und streifte dabei die Zahl auf meinen Lippen. Nun sieht mich Ina mit einem harten Blick an, der Rocksaum weht im Wind, an dem sich der Kleine fest ran kuschelt und vorsichtig seine Mutter und mich beobachtet. Ich zucke mit den Schultern und zwinge mich zu einem Lächeln. „Mama, warum hat das Mädchen das da? Großvater hat es hinterm Ohr." Das Kind geht nun auf mich zu und betrachtet meine Zahl ganz genau. „Das kommt darauf an, welchen gebürtigen Grad man besitzt, mein Junge." Dies sagt er schnell und lauscht etwas panisch nach Geräuschen in der Nähe. „Lasst uns etwas tiefer in die Gasse gehen, dein Mal ist nicht gerade unauffällig und das hat auch seinen Grund. Ina, hilfst du mir?" Der starre Blick auf mir löste sich und richtet nun seine Augen wesentlich zärtlicher auf den Alten. „Natürlich Großvater, aber die da soll gefälligst sich irgendetwas vor den Mund halten, ich habe keine Lust auf Ärger." Eilends schlage ich mir darauf die Hand vor den Mund und beobachte, wie Ina ihrem Großvater aufhilft. Seine Knochen knacken und er verzieht sein Gesicht dabei zu einer hässlichen Fratze. Ich will schon mit anpacken, aber eisige Augen warnen mich davor, auch nur in die Nähe dieses Mannes zu kommen. So lasse ich schnell von dieser Freundlichkeit ab und beobachte, die Hand stetig auf den Mund gepresst und mit einem salzigen Geschmack auf den Lippen die Szene.
Zu viert eilen wir zwischen zwei Hausmauern, an denen der Putz von den Wänden bröckelt, immer tiefer in die Gasse vor. Ich blicke nach oben um den Himmel zu finden, doch weiße Laken verdecken mir fünf Meter über meinem Kopf die Sicht. Ich fühle mich an einen Traum erinnert, ein Traum von einer Stadt, fast wie eine Insel, mit engen verwinkelten Straßen und grauen Vögeln. Mit tausenden kleine Kanälen durchzogen, Menschen kommen von überall her, um dieses Schauspiel von Wasser, Stadt und vielen Menschen und Geschäften zu bewundern. Früher dachte ich, es wäre nur ein Traum, aber eigentlich war dies mein erster Einriss in eine andere Dimension, wie mir meine Ziehmutter erklärte. Wie hieß diese Stadt noch gleich, Vene ... .

„Hey, wir sind da." Erschrocken fahre ich aus meinen Gedanken und wäre fast in Ina rein gelaufen, konnte aber gerade noch rechtzeitig stoppen. Wir sind in einer Sackgasse gelandet, in der mehrere Ausgestoßene versammelt sind und sich angeregt unterhalten. Ich habe von solchen Orten schon oft gehört, Menschen mit größeren Mitteln nennen sie 'Gammlermärkte' oder 'Drecksvolkplätze'. Hier sammeln sich Frauen, Männer, Kinder, Jung und Alt, um sich in ihrem gegenseitigem Leid zu unterstützen. Menschen ohne Heim schufen sich eines in der Gemeinschaft.
Manche sehen gut aus und halbwegs gepflegt, sie verstricken sich lachend in vergnügte Konversationen und gestikulieren wild mit ihren Händen. Doch hinter der Freude ist auch das unendliche Leid, halbverhungerte, kranke Kinder lehnen an den Wänden oder Erwachsene mit dicken Krätzeauswucherrungen an Armen, Beinen und Kopfhaut stöhnen auf vor Schmerz. Es riecht nach Schweiß, Exkrementen und Zigarrenqualm. Auf dem Pflaster liegen Teppiche ausgebreitet, eine Nonne begutachtet die Krätze eines Erkrankten, eine zweite verteilt Suppe an die Kinder. Erst jetzt fällt mir auf, dass wir uns dem Schloss oder auch dem heutigen Almosenkrankenhaus genährt haben. In einer Ecke dieses 'Gammlermarktes' liegt Stroh und der Teppich endet.

Name 269 (nicht überarbeitet)Where stories live. Discover now