"Das ist... das ist eine Katastrophe!"

Möglichst unauffällig schiele ich hinüber zu Sam, ohne den Kopf zu drehen, doch dieser schenkt mir ohnehin keinerlei Beachtung. Er ist viel zu sehr damit beschäftigt, sein ohnehin wirres Haar zu raufen und dramatisch zu gestikulieren, als habe die halb eingetrocknete Blutlache zu seinen Füßen ihm die Worte aus dem Mund genommen. Mit etwas Glück hält der Zustand für eine Weile an.

Nachdenklich betrachtet Jacy den schleimigen Fleck, auf dem vor nicht allzu langer Zeit noch ein mutierter Liliputaner gelegen hatte. Seine Miene ist ausdruckslos und hart, nur seine Löffel arbeiten, zucken stetig auf und ab, als würde dies die Rädchen in seinem Kopf ankurbeln. Bei der bildlichen Vorstellung des kleinen Antriebswerkes in seinem haarigen Schädel muss ich beinahe lächeln, verkeife es mir aber gerade noch. Eine in solch einer Situation vor sich hingrinsende Person würde mich nervöser machen als eine tollwütige Mutation - und neben meinen bekannten aggressiven Tendenzen muss ich mir nun echt nicht noch den Ruf eines Psychopathen machen.

"Und die Mutation hat genau hier gelegen? Mit oder ohne Messer im Körper?"

Irgendwie ist es seltsam, das Wort Mutation aus Jacys Mund zu hören. Es klingt... absurd, nicht passend. Nicht so, wie wenn Sam oder ich es gebrauchen; wir legen eine gehörige Portion Hass und Feindseligkeit hinein, vielleicht mit einer feinen Prise Verachtung garniert. Das, was man einem Lebewesen eben so entgegenbringt, sollte es einen grundlos jagen und töten wollen. Wenn Jacy es allerdings ausspricht... klingt es trocken. Gewöhnlich. Viel zu routinemäßig, als wäre es das normalste der Welt, seine eigene Rasse zu diskriminieren und als niederträchtige Monster bezeichnen - sich selbst mit einbeschlossen.
Es stört mich. Irgendwie.

"Ohne. Ich hab's rausgezogen."

Sams Tonfall klingt rau und schief, als habe er mit einem schweren emotionalen Verlust zu kämpfen, der ihm wahrlich ans Herz geht. Natürlich; nun kann er seine Ich-habe-eine-Mutation-getötet-Karte nicht mehr ausspielen. Das muss ein harter Schlag für sein beflügeltes Ego sein, wo er doch so stolz auf die herausragende, einzigartige Leistung gewesen war - sieht man davon ab, dass ich genau das Gleiche getan habe, alleine, vor ihm.
Der Kater legt den Kopf schief, und nach einem kurzen Augenblick des stillen Denkens sieht er schließlich betont langsam auf. Sein giftiger Blick trifft mich nur kurz, doch er genügt, um einen eisigen Schauer über meinen gefühlstauben Rücken laufen zu lassen. An dieses leuchtende Grün werde ich mich wohl nie wirklich gewöhnen können.

"Ich denke, sie ist noch hier."

Die Stille trifft so schlagartig ein, dass man sie beinahe hören kann. Sams Gejammer, Olivias laute Atemzüge, mein rasender Puls; all diese dumpfen Störfaktoren scheinen für einen Moment zu verstummen, so, als füllten die Worte des Katers den Platz ihres Daseins aus.
"Hier?", wiederholt Olivia langsam, nicht ohne den Blick dabei durch den langen Raum schweifen zu lassen, als erwarte sie bereits einen neuen Angriff. Einen Überraschungsbesuch der Fledermaus traue ich mich jedoch ausschließen - Jacy würde sie kommen hören. Hoffe ich zumindest. Immerhin wirkt er auf mich nicht alarmiert oder nervös, sondern äußerst entspannt und ruhig. Ich würde diese Sorglosigkeit womöglich als Provokation aufschnappen, würde er nicht ernsthaft über die Situation nachzudenken scheinen.
Jacy nickt bedeutungsschwer.
"Fledermäuse sind nachtaktiv, und als sie zu sich gekommen ist, war es vermutlich bereits hell. Also liegt es nahe, dass sie sich noch unter diesem Dach befindet. Vielleicht im Obergeschoß."
Sein rechtes Ohr zuckt nach hinten, wo hinter der nächsten Tür bereits ein Treppenaufgang zu erahnen ist. Allerdings gibt es keine Spuren, die darauf schließen würden, dass die Mutation tatsächlich dort hochgegangen war; das Vieh muss doch geblutet haben, warum hat es keine Flecken am Boden hinterlassen? Keine Schleifspuren, Pfotenabdrücke? Oder ist mein Hirn nur geprägt von unzähligen Horrorfilm-Klischees?

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