l'odeur de Paris

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Die weiche Stimme, die sehr stark an eine moderne Version von Edith Piaf erinnerte, gab säuselnd die nächste Haltestelle bekannt: Gare principale de Paris (Pariser Hauptbahnhof). Unwillkürlich vollführte mein Herz einen kleinen Hüpfer. Ich war dieser einzigartigen Stadt ganz nah. Es war als könnte ich sie schon von hier aus riechen, sehen, hören, schmecken. Falls ihr euch jetzt fragt ob es Lebewesen in meinem Umfeld gibt, die von meiner spontanen, zugegeben etwas wahnwitzigen, "Teeni-haut-ab-Stadtreise" wissen....Nope. Da ist niemand. Höchstens mein Hund Angus, der mich wie ein 1A Sherlock Holmes mit Sahne dabei beobachtet hat wie ich mein Ticket für den TGV gebucht habe. Aber mit gefühlt drei Tüten Hundekuchen hat er einen stummen Schwur geleistet keiner Menschen,-und auch keiner Hundeseele, jemals davon zu erzählen. Wenn es um emine Eltern geht: Eine kleine Notlüge hat's getan. Ich hab ihnen gesagt, dass ich zusammen mit ein paar Freundinnen eine gemeinsame reise nach Wien unternehme. Kultur und so. Das war vermutlich auch der einzige Aspekt, der sie letztendlich davon überzeugt hat mich ziehen zu lassen. Meine Freundinnen wissen davon natürlich. Nur für den Fall, dass meine Eltern bei ihnen anrufen sollten um sich nach meiner Wenogkeit zu erkundigen. Alles genaustens durchdacht.

Der Mann vor mir hatte mittlerweile seine Zeitung beiseite gelegt und sich mit einer gewaltigen, ledernen Aktentasche auf dem Schoß ein Nickerchen genehmigt. Sein Kopf lehnte am von Fingerpatschern verschmierten Zugfenster und wackelte jedes Mal ein bisschen, wenn der TGV seinen Kurs änderte.  Aus Seinen ursprünglich wahrscheinlich mit Pomade zurückgekämmten  dunklen Haaren hatten sich einzelne Strähnen gelöst, die ihm nun ins Gesicht fielen und sein Gesicht umrahmten. Ich schätzte ihn auf ca Mitte 30. Einerseits wegen einigen sich leicht auf seiner dunkeln Haut abzeichnenden Falten. Andererseits kannte ich niemanden, der mit Anfang 20 mit Aktentasche und im maßgeschneiderten Anzug unterwegs war. Vielleicht war ich selbst aber auch einfach nur zu sehr an meinen Gammellook gewöhnt und hatte vergessen wie sich normale Leute anziehen. Wobei wir wieder beim Thema wären: Leute haben mich dumm genannt, hässlich, naiv oder depressiv. Aber nur einer hat mich je normal genannt. Und um ehrlich zu sein war genau das die schlimmste Beleidigung, die mir je an den Kopf geschmissen wurde. Ich bin alles andere als gewöhnlich.

Ich hatte schon immer einen Hang zur Kunst. Ja, ich gebe zu, dass meine ersten Werke wenig ansehnlich waren. Aber mit der Zeit bin ich echt gut geworden. Ich zeichne nicht das, was ich sehe. Ich zeichne auch nicht das, was ich sehen möchte. ich zeichne ganz einfach das, was ich IN den Dingen sehe. Was ich fühle. Mein Skizzenbuch ist wohl der einzige Gegenstand, ohne den ich wirklich nirgendwohin gehe. Es enthält alles über mich. Wenn es jemand lesen würde, würde er mich lesen. Und ich will nicht gelesen werden. Die Leute sollen sich eine eigene Meinung von mir machen. Ob die nun positiv ist oder nicht, überlasse ich dabei ihnen. Aber ich selber möchte unbeeinflusst ich bleiben können. Ich selber möchte die Person bleiben können, die in und durch meine Skizzen lebt. Lustigerweise muss ich sagen: Obwohl ich primär nur schwarz trage(längere Geschichte), sind meine Bilder recht farbenfroh. Meine gesamte Seele sprüht nur so von Farben. Überall sind sie. Ich liebe Farben. Vermutlich entsage ich ihnen genau deshalb wenn es zu meinen Klamotten kommt. Die Leute sollen mich nicht lesen können. Sie sehen nur was ich will, dass sie sehen. Nicht mehr und nicht weniger. Wer ich wirklich bin weiß nur ich. Hat Vor-und Nachteile.

Ich starre an mir herunter. Meine blassen Beine stecken in einer recht blickdichten schwarzen Strumpfhose mit Punkten und einer kurzen schwarzen Shorts. Auf meinen Knien hatte ich mein Skizzenbuch platziert. Ein mit Zeichnungen und Auschnitten vollgestopftes Buch in einem edlen schwarzen Einband. Es war so voll, dass das dünne silberene Bändchen an dessen Seite nicht mehr zum Verschließen dienen konnte und ich somit immer besonders darauf achten musste, dass keine meiner Gedanken einfach irgendwo herausflattert und sich auf nimmer Wiedersehen verabschiedet. Ein schwarzer, ungefähr drei Nummern zu großer, Hoodie rundete das Bild der Person mit der schwarzen Seele perfekt ab. Das Einzige, was heute farbig an mir war, waren eine knall lilanen Dr. Martens, die mittlerweile schon so ausgelatscht waren, als hätte ich sie durch die letzten zehn Jahre meines Lebens geschleppt.  Waren aber bisher nur zwei.

Mein Gegenüber kam allmählich wieder zur Besinnung und blickte kurz verschlafen aus dem Zugfenster, um sich zu vergewissern, wo wir uns befanden, nur um unmittelbar danach hastig seine Aktentasche und den kleinen Koffer zu schnappen, den er für die Fahrt unter seinem Sitz verstaut hatte, und zur Tür hinaus auf den Ganz zu eilen. Nun war ich allein im Abteil. Aufregung machte sich in mir breit, als der Zug langsam auf dem Gleis in den Hauptbahnhof einfuhr. Alles begann zu kribbeln. Dieses warme Gefühl der Vorfreude waberte langsam von meinem Magen hoch in meinen Kopf, den es völlig vernebelte, was mir  jegliche Möglichkeit des klaren Denkens nam. Es war wi wenn man sich in einer dieser Parfümerien befindet, auf der Suche nach dem perfekten Duft. Man probiert so viele verschiedene Gerüche aus, bis man nahezu gar nichts mehr riecht. Dann macht man eine kleine Pause, um seiner Nase Zeit zu geben sich von diesen beißenden Düften zu erholen, nur um direkt danach weiterzusuchen. Das kam meiner aktuellen Situation relativ treffend gleich. Nur war dies hier kein beißender Geruch nach lieblichen Rosen, Zitrusfrüchten oder exotischen Gewürzen.

Ich stand  am Gleis. Leute, gekleidet in alle Farben, aus allen möglichen Ländern eilten an mir vorbei. Eine geschäftliche Hektik. Ich atmete tief ein.

Das ist der Duft von Paris.

mon coeur t'appartient, ParisDove le storie prendono vita. Scoprilo ora