Ariana

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"Albus, was ist damals wirklich mit Ariana passiert?", fragt Minerva mit einer Stimme, die pure Ruhe ausstrahlt. Leicht verwirrt blickt er auf, verwirrt darüber, wie schnell ihre Stimmung sich gewechselt hat. Sie sieht ihn aufmunternd an, wie ein Lehrer einen schüchternen Schüler und nickt, und er fängt an zu erzählen. Anfangs klingt seine Stimme noch fremd für ihn und brüchig, festigt sich jedoch mit jedem neuen Wort.
"Ariana war schon immer ein wenig anders als die Kinder um sie herum. Sie war schüchtern und wirkte stets kränklich, als würde sie kurz davor stehen die Grippe zu bekommen. Aber eben diese Schüchternheit machte sie so liebenswürdig. Manchmal kam sie einfach an, schaute mich nicht an und setzte sich auf meinen Schoß, während ich lernte. Sie hatte so viel Liebe zu geben. Aber ihre schüchterne Art war dann doch auch das Problem; sie spielte nicht mit den anderen Kindern, die waren ihr zu ruppig, sondern verbrachte lieber ihre Zeit mit Aberforth oder mir. Also hatte sie nie wirklich Freunde, bald fanden die anderen Kinder sie merkwürdig und sie spielte nur noch alleine für sich, hinten in unserem Garten. 
Eines Tages, al sie sechs war, tat sie dies wieder. Sie saß alleine an den Büschen und zauberte in irgendeiner Art und Weise. Sie war keine Squib, wie viele Gerüchte es besagen, sie konnte sehr wohl zaubern.
Drei kleine Muggeljungen hatten sie durch die Büsche beobachtet und stellten sie zur Rede. Ariana hatte fürchterliche Angst. Es kamen damals noch immer fast wöchentlich Berichte zu uns, über Zauberer oder Hexen, die von Muggeln beim Zaubern gesehen und bestraft oder getötet worden sind. Die Jungen wollten, dass sie dasselbe wieder tat, sie hofften wohl, dass es ein Trick war, den sie lernen konnten. Aber eben weil Ariana solche Angst hatte und noch ein Kind und somit keine Kontrolle über ihre Magie hatte, konnte sie nichts tun, sie saß einfach nur da und starrte vor sich auf den Boden. Was genau die Muggel taten, wissen wir nicht. Wir wissen nur noch, dass wir Ariana schreiend und um sich schlagend im Garten fanden. Ich hatte solche Angst um sie, unsere ganze Familie hatte das. Wir dachten sie würde sterben, so schlimm sah sie aus und so schrecklich schrie sie. Bevor wir näher auf sie zugehen konnten, brach etwas schwarzes aus ihr hervor und zeigte uns das Bild der Jungen, die sie gesehen hatten und die sich inzwischen wieder hinter der Hecke versteckten. Sie alle drei hoben ihre Köpfe, sahen uns an und lachten uns ins Gesicht. Mit meinem Vater ging es sofort durch, er rannte los und den Jungen hinterher. Wir dachten, er würde ihnen nur die Leviten lesen, ihnen vielleicht den Hintern versohlen... Aber dass er sie tatsächlich angreifen würde, hätten wir nie gedacht; sonst wären wir ihm sofort hinterher.
Aber wir kümmerten uns stattdessen um Ariana, redeten beruhigend auf sie ein und schließlich wurde sie wieder sie selbst, die schwarze Masse wurde immer kleiner und zog sich dann in sie zurück. Wir trugen sie sofort ins Haus, brachten sie auf ihr Zimmer und pflegten sie dort jeden Tag. Keiner von uns ahnte in den anfänglichen Tagen, was wirklich passiert war, was sich wirklich aus ihr entwickelt hatte. Es wurde erstmals klar, als herauskam, was mein Vater mit diesen Muggeljungen angestellt hatte. Es kamen Zauberer in unser Haus, Menschen die meine Schwester nicht kannte und vor denen sie Angst hatte. Die Zauberer redeten mit meiner Mutter und meinem Vater, erklärten was geschehen war und nahmen meinen Vater mit. Die Jungen waren ihren Verletzungen durch meinen Vater erlegen und gestorben. Mutter schrie und tobte wie am Spieß, was Ariana fürchterlich aufregte und sie noch mehr ängstigte. Mein Vater wurde erst ins Ministerium zu einer Anhörung gebracht und dann direkt nach Askaban.
Aberforth und ich waren oben bei ihr, in ihrem Zimmer als es wieder passierte. Etwas schwarzes brach aus ihr hervor, was uns die Nackenhaare aufstellte und uns eine Gänsehaut bescherte. Es war pure Magie die vor uns hing und begann, ihre Wand aufzulösen, sie vibrierte förmlich in der Luft. Wie es schien, wusste Aberforth damals schon vor mir was los war; er ging direkt zu Ariana, streichelte ihren Kopf und sang ihr Lieblingslied, bis sie sich tatsächlich langsam wieder beruhigte. Ariana konnte seit dem Angriff nie wieder selbstständig zaubern.
Als wir am Abend mit unserer Mutter darüber sprach, standen für sie die nächsten Schritte fest. Ariana würde das Haus nicht mehr verlassen dürfen, sie würde nicht zur Schule gehen sondern zu Hause bleiben, wir würden unseren Vater nicht mehr wiedersehen und in ein anderes Dorf ziehen. Unsere Schwester war zu gefährlich wenn sie sich aufregte, sie hatte keine Kontrolle mehr über sich selbst oder das was sie tat. Also zogen wir um und begannen ein neues Leben.
Von jetzt an wusste niemand, welch scheußliche Vergangenheit mit unserer Familie einherging und niemand fragte. Wir versuchten Streit so oft es ging zu vermeiden und falls es nicht ging, flüsterten wir uns an, damit unsere kleine Schwester sich bloß nicht aufregte.
All das klappte eine ganze Zeit lang sehr gut. Irgendwann jedoch, ein paar Jahre später, machte unsere Mutter irgendeinen Fehler. Sie war alleine oben mit Ariana und sollte sie baden, Aberforth war nicht zu Hause und ich war bei einem alten Freund, mit dem ich eine Weltreise plante, nun wo meine Ausbildung in Hogwarts zu Ende war. Mein Bruder schrieb mir an diesem Tag eine Eule; Mutter wäre gestorben, Ariana ausgerastet und ich müsste nach Hause kommen. Also waren die Pläne durchkreuzt worden. Ich kam nach Hause und besprach mit Aberforth was weiter passieren würde. Er wollte nicht zurück nach Hogwarts und meinte, er würde sich alleine um unsere Schwester kümmern, meine Hilfe bräuchte er nicht. Aber ich fand es wichtiger, dass er zurück in die Schule geht und später irgendetwas aus sich machen könnte. Und alles war gut. Die ersten Wochen auf jeden Fall. Bis dann Gellert Grindelwald zu besuch in Godric's Hollow war."

Albus macht eine Pause des Erzählens. Er traut sich nicht Minerva anzusehen, schenkt sich stattdessen nochmal ein volles Glas Feuerwhisky ein und trinkt dieses in einem Zug leer.

"Ich freundete mich mit ihm an, verliebte mich in ihn und er sich in mich. Alles schien perfekt; wir schmiedeten Pläne für unsere Zukunft, sprachen über die Schule und die Welt, wie wir sie neu schaffen wollten. Vor allem aber sprachen wir über die Heiligtümer des Todes, wie wir sie suchen wollten und was wir mit ihrer Macht anstellen konnten. Gellert wusste von Anfang an von Ariana und was mit ihr war. Er gab mir das Gefühl ich könnte ihm vertrauen und das tat ich dann auch. Sein großes Interesse an ihr hätte ich viel früher bemerken müssen. Er stellte viele Fragen zu ihr, wollte sie selbst sehen und versuchte sich mit ihr anzufreunden. Anfangs redete ich mir ein, es wäre wegen mir; wegen seiner Liebe zu mir würde er versuchen, das beste aus der Situation mit Ariana zu machen. Auch sprach er davon, sie mit auf unsere Reisen zu nehmen, erwähnte dies sogar Aberforth gegenüber. Natürlich war dieser sofort dagegen und jagte uns von dort an immer wieder aus dem Haus, wenn wir die Köpfe zusammensteckten und Pläne schmiedeten. Also sah ich Ariana immer seltener und kümmerte mich nicht mehr um sie. Das übernahm Aberforth, wo doch Sommerferien waren.
Eines Tages reichte es Gellert, er wollte unbedingt aufbrechen und wollte Ariana mitnehmen. Wir gingen in unser Haus und waren schon halb auf der Treppe, als ein Zauber vor Gellert in die Wand einschlug und Aberforth auch schon zu schreien begann."

Wieder herrscht Stille. Minerva unterbricht sie nicht. Noch immer hält sie Albus Hand in der ihren. Sie bewegt langsam und leicht ihren Daumen und streicht damit über seinen Handrücken. Er hat gar nicht bemerkt, wann sie damit anfing. Die konstanten Bewegungen beruhigen ihn und geben ihm, da sie von Minerva kommen, die Kraft, weiterzusprechen.

Dumbledore's TrauerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt