5.2 Psalída - Ranke

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„Gut", erwiderte Orion langsam. „Aber, wenn irgendetwas sein sollte – "

„Dann werde ich euch sofort wecken", versprach Taras. „Jetzt los, bevor ich es mir anders überlegen sollte."

Orion lächelte zufrieden und etwas grimmig, dann legte er sich auf den Rücken, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen.

Aigis legte sich auf die Seite und rollte sich zusammen, starrte aber noch lange Zeit an die Wand, als hätte sie Angst, dass, sobald sie die Augen schließen würde, erneut mörderische Ranken aus dem Boden schießen und sie würgen würden.

Es hätte eh nichts geben können, was ihr im Moment die Angst genommen hätte, deswegen bewahrte Taras Stillschweigen. Er wartete, bis ihr vor Müdigkeit die Augen zufielen und ihr Atem gleichmäßiger wurde.

Orion rumorte leise im Schlaf, aber sonst war alles still.

Taras konnte sein Blut in den Ohren rauschen hören und schloss kurz die Augen, um sich zu beruhigen.

Als er sie wieder öffnete, erwartete er beinahe, dass sich etwas verändert hätte. Das dort ein Feind auf ihn lauerte, doch nichts war geschehen. Noch immer säumten die Sternbilder den Boden, noch immer schliefen die anderen beiden ruhig, auch wenn Aigis' Gesichtszüge gelegentlich zuckten. Wahrscheinlich träumte sie schlecht. Überraschen würde es ihn nicht.

„Die Träume sind die einzigen Welten, die wir nicht beeinflussen können", sagte eine tiefe Stimme hinter ihm und Taras nickte geistesabwesend, ehe er realisierte, dass er eigentlich keine Stimme hören sollte.

Er fuhr herum, bereit mit dem Schwert zuzuschlagen, als er innehielt.

Dort stand ein Mann mit weißem Haar und Bart, so dicht, wie die Wolken selbst. Er trug den saubersten und weißesten Chiton, den Taras je gesehen hatte und ein dunkelblaues Schmuckband zierte seine Hüfte. Der Mann war groß und kräftig und er konnte die Luft um ihn herum knistern spüren, als wäre sie elektrisch geladen. Die pure Macht, die der Mann ausstrahlte, reichte aus, dass Taras zurückwich und sein Schwert, wenn auch nur minimal, sinken ließ.

„W-Wer sind Sie?", fragte er vorsichtig und versuchte leise zu reden, damit Orion und Aigis nicht aufwachen würde. Noch hatte er nicht das Gefühl, dass der Mann gefährlich wäre. Wenn er jedoch irgendetwas auffälliges unternehmen würde, dann würde er lauter schreien, als je in seinem Leben zuvor.

Der Mann drehte sich nicht zu Taras um. Er betrachtete ein Sternbild, welches weit an der Wand lag und beinahe unterging. Vier der Steine bildeten ein Quadrat, fiel Taras auf.

„Der Pegasus", erklärte der Mann mit seiner tiefen Stimme und das Knistern der Luft erhob sich, als würde jedes Wort mehr Energie entfesseln, „ist ein solch schönes Sternbild. Aber unter den großen und bekannten geht es unter. Dabei hat mir dieses Pferd solch gute Dienste geleistet." Endlich drehte er sich um, sein Blick fiel aber nicht auf Taras. Die blauen Augen des Mannes waren so hell, dass es ihm so vorkam, als würden sie den Raum selbst erleuchten.

Er sah zu Orion und Aigis, die beide schliefen. „So jung", seufzte er.

Dann blickte er zu Taras und sein Blick brannte sich in sein Herz. „Du kannst so laut schreien, wie du es schaffst, mein Junge, aber deine Freunde werden dich nicht hören. Ich bin Zeus." Als er seinen Namen sprach, donnerte es, als würde der Himmel über ihm zusammenbrechen, doch als Taras erschrocken aufblickte, sah er noch immer die feste Steindecke, die sich keinen Millimeter bewegt hatte. Nicht einmal Staub rieselte auf ihn herab.

„Zeus?", hauchte er unsicher und ließ sein Schwert vollends sinken. Der kaputte Griff hatte fürchterlich in seine Haut geschnitten, die gerötet und gereizt war. „Ihr seid der Göttervater Zeus, Herr des Himmels?"

LavýrinthosWhere stories live. Discover now