Die Wüste

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Wir sind nun schon drei Tage unterwegsund meine Füße brennen. Am liebsten würde ich die Drecksschuheausziehen und barfuß laufen, aber ich weiß, dass das nach kurzerZeit nur noch mehr weh tun würde. Martin redet immer noch nicht mitmir. Aber wirklich Lust, mich zu unterhalten, habe ich auch nicht.Ich möchte mich einfach nur auf meine Schritte konzentrieren undversuchen nicht zu realisieren, dass wir uns verlaufen haben könnten.Denn wenn das der Fall wäre, käme ich nicht damit klar.Wahrscheinlich würde ich mich in den heißen Sand setzen und michweigern je wieder aufzustehen. Eigentlich würde ich das gerade auchso schon gerne machen. Meine Füßen schmerzen und wir haben nur nochwenig Wasser. Ich versuche nicht aufzublicken, denn alles was ichsehen werde ist Sand. Und ich möchte wirklich keinen Sand mehrsehen. Manchmal hat man das Gefühl hinter der nächsten Düne kämeeine Stadt oder ein Fluss. Zumindest irgendetwas anderes als Sand.Und Sonne. Ich glaube nach diesem Trip, werde ich mich über jedeSchneeflocke in Deutschland freuen wie ein kleines Kind. Ohnehin wares eine schlechte Idee mit den Einheimischen eine Tour in die Wüstezu machen. Wir hätten das über die Agentur machen machen sollen,das habe ich Martin schließlich direkt gesagt. Aber nichtmitzufahren, wäre wohl auch keine gute Idee gewesen. So kurz nachdemer mir meinen Fehltritt verziehen hat. Oder zumindest sagte, er habemir verziehen. Ich weiß nämlich ganz genau, dass ich das meinganzes Leben lang zu hören bekommen werde. Also, man nehme an, ichüberlebe das hier. Mein Leben war zu kurz, um jetzt schon zusterben. Ich bin schließlich erst Mitte dreißig. In den bestenJahren. Ja, wir müssen hier lebend rauskommen. Martin wollte noch...Ganz im Ernst, spiele ich mir doch nichts vor. Mich interessierteinen Scheiß Dreck, was Martinwill. Mich hat es noch nie interessiert und mich wird es auch nieinteressieren. Denn Fakt ist : Ich liebe Martin überhaupt nicht.Eigentlich hasse ich ihn sogar. Aber das kann ich ihm nicht sagen.Ich konnte schon seit meiner Kindheit nicht nein sagen. Man könntesogar behaupten, es sei ein bisschen krankhaft. Aber als Martin michzum ersten Mal gesehen und angesprochen hat, fand ich ihn ja wirklichnoch echt toll. Und lass mich nicht lügen, diesem Aussehen, kann jawohl keiner widerstehen. Den strahlend blauen Augen in denen manversinkt und den Bauchmuskeln mit dem winzigen Muttermalen unterseinen Rippen. Nein. Nein. Nein, nein, nein, nein. Ich kann das nichtschon wieder machen. Immer versuche ich mich selber davon zuüberzeugen das Martin der Richtige ist. Aber er ist arrogant. Unddas wäre ja nicht mal so schlimm, wenn er damit nicht seineUnsicherheit verstecken würde. Eigentlich hasst er sich selber undalle in seinem Umfeld. Martin ist so jemand, den Kollegen hassen,deine Eltern verabscheuen und den man in der Bahn zusammenscheißt,weil er so ein Arschloch ist. Nur mich. Mich liebt er. Das hat erzumindest gesagt, als er mir den Antrag gemacht und mich mit seinenumwerfenden Lächeln angestrahlt hat. Und ich habe ja gesagt, weilich so glücklich war, dass mir jemand einen Antrag macht, der dabeiin seinem Anzug, mit seiner Hugo Boss Fliege, auch noch sounverschämt gut aussah. Aber das war es auch eben. Er sah gut aus.Mehr nicht. Sagen kann ich ihm das allerdings nicht. Wahrscheinlichliegt das daran, dass meine Eltern mich so streng erzogen haben. Jaund Amen sagen, das kann ich. Aber alles andere nun wirklich nicht.Naja, das ist nicht ganz wahr. Ich kann alle Bundeskanzler undPräsidenten von Deutschland, den USA und Russland aufzählen undganz schön viel über deutsche Wirtschaft oder Gesetze reden. Soviel bringt das aber nicht. Um mir ein wenig die Zeit zu vertreibenund mich nicht auf meine Füße zu konzentrieren, die brennen, alswäre ich jetzt tatsächlich in der Hölle gelandet, zähle ich dieletzten Bundeskanzler einmal in meinem Kopf auf. Nach drei Namenstarrt Martin mich von vorne böse an und ich merke, dass ich lautgesprochen habe. Also höre ich damit auf.

Ich beschließemit Martin Schluss zu machen, wenn ich hier lebend raus komme undüberlege es mir dann doch wieder anders. In meinem Kopf wäge ichdie nächsten Stunden Argumente dafür und dagegen miteinander ab undhoffe dabei wirklich, dass Martin das dieses Mal nicht gehört hat.

Weiterhin schaueich auf meine Füße und spiele erneut mit dem Gedanken meine Schuheauszuziehen und barfuß zu gehen.

Die WüsteWhere stories live. Discover now