4.2 Neró - Wasser

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Dias und Sotiris setzten sich mit dem Rücken zu Vaia und Elara. Vaia zog ihre nasse Kleidung aus und sie konnten hören, wie Elara sie neben das Feuer legte, damit diese ebenfalls trocknen würde. Mit den Händen trockneten sie sie so gut es ging ab und dann wärmte sie sich ebenfalls am Feuer.

„Es tut mir leid", murmelte sie noch einmal.

„Muss es doch nicht", wiederholte Dias und blickte zur Decke. Keine Vögel zu sehen. „Wir können nur froh sein, dass es nichts Schlimmeres war."

„So, wie ich den großen Dädalus einschätze, ist Wasser nur der Anfang. Bei der nächsten Falle werden sicherlich Felsbrocken oder Stacheln von den Decken stürzen", meinte sie und er konnte hören, wie ihre Stimme immer gedrückter wurde. „Ich muss vorsichtiger sein."

„Nächstes Mal halte ich dich einfach fest", sagte Sotiris und Dias blickte zu ihm. Seine Wangen waren einen Hauch dunkler geworden. „Dann machst du nicht noch einmal solch eine Dummheit."

„Ich bitte darum."

Sie schwiegen. Nur das Knistern des Feuers und der langsam wieder ruhiger werdende Atem von Vaia waren in dem erleuchteten Gang zu hören. Die Flammen warfen verzerrte Schattenbilder an die Wand und bei jeder Bewegung flackerte auch sein Schatten und Dias schauderte.

Er hatte die Geschichten über den Herrn der Toten, den Gott Hades, gehört. Er konnte sich mit den Schatten bewegen und wartete dann nur darauf, dass ein Sterblicher zu unachtsam werden würde. Dann würde Hades sich seine Seele schnappen und sie in die untersten Tiefen der Unterwelt verfrachten.

Als er schon dachte, es wäre viel zu still um ihn herum geworden, hörte er plötzlich Elara flüstern. „Großer Zeus, ich bitte dich, schütze uns und leite uns. Bitte mach, dass es meiner Freundin wieder gut geht." Dias musste lächeln. Elara mochte zwar klein und ängstlich sein und wahrscheinlich auch körperlich unglaublich schwach, aber sie war wirklich eine wahre Heldin.

„Wie sollen wir weiter vorgehen?", fragte Sotiris in die nächste, aufkommende Stille hinein. „Irgendwann wird uns der Proviant ausgehen."

„Uns bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als immer weiterzugehen", erwiderte Vaia, wieder mit etwas erstarkter Stimme. „Wenn wir einfach nur sitzen bleiben, dann präsentieren wir uns doch förmlich auf dem Silberteller."

„Richtig", gab Dias zurück. „Aber wir sollten nicht weiterhin kopflos weiterlaufen. Die Taktik, die wir am Anfang gelaufen sind, die sollten wir wiederaufnehmen."

„Du meinst, die Wände nach geheimen Türen absuchen?", fragte Sotiris nicht überzeugt und Dias wandte ihm den Blick zu. Die Flammen ließen auch Schatten in ihren Gesichtern tanzen und es wirkte noch verzerrter, noch grotesker, als schon auf den Wänden. Beinahe erzeugte das Gesicht seines Gegenübers einen boshaften Eindruck, als könnte er sich jeden Moment auf ihn stürzen und Dias das Schwert in den Rachen rammen, wie er es mit dem Minotaurus vorhatte. „Denn ich finde immer noch, dass wir dadurch viel zu langsam vorankommen."

„Das ja", gab er zu. „Allerdings hat Vaia in diesem Punkt nun mal die besseren Informationen. Sie weiß mehr über Dädalus, als wir, oder? Und wenn sie wirklich glaubt, dass er versteckte Räumlichkeiten eingebaut hat, dann glaube ich ihr. Du etwa nicht?" Sotiris runzelte die Stirn und blickte Dias säuerlich an.

„Doch, natürlich", knurrte er.

Dias lächelte. „Dann ist es ja abgemacht, oder?"

„Ich denke schon", gab Vaia zu. Er konnte sich nur vorstellen, dass Elara nickte und nicht daran dachte, dass sie sie nicht sehen konnten. Sie stieß einen lauten Seufzer aus. „Ich hoffe inständig, dass meine Schwestern nicht solch dumme Fehler machen, wie ich."

„Wie sind deine Schwestern so?", fragte Elara neugierig und Vaia lachte leise.

„Sie sind alle unterschiedlich, aber wir sind ein Herz und eine Seele. Theia und ich, wir sind die ältesten, dann Lyra und schließlich Medeia. Unsere Eltern... sie sind gestorben, als wir noch klein waren. Seit jeher sorgen unsere älteren Brüder für die Familie. Wir haben gleich sieben davon."

„Sieben Brüder?", hauchte Elara beeindruckt. „Wow. Und ich hatte gedacht, dass ich es mit zwei Brüdern und zwei Schwestern schon schwer habe... meine Eltern geben ihr Bestes, aber es ist nicht genug Zeit für alle."

„Das verstehe ich", sagte Vaia.

Als große Schwester konnte Dias sie sich sehr gut vorstellen. Sie hatte diese Art an sich, alleine mit ihrer Stimme beruhigend zu wirken.

„Wie ist es bei euch beiden?"

„Mein Vater ist tot", antwortete Dias. „Meine Mutter hat die Familie alleine großgezogen, mich und meine drei Geschwister. Sie ist Jägerin geworden und deswegen waren wir immer... man hat uns immer gemieden, weil es sich für eine Frau nicht gehört, eine Kämpferin zu sein, wenn sie Kinder hat."

„Deine Mutter ist eine Kämpferin?", fragte Sotiris und er konnte nicht ganz heraushören, ob er beeindruckt oder ebenfalls empört darüber war. „Meine Mutter ist auch nicht sehr beliebt. Sie ist Ruderin."

„Wirklich?" Vaia klang mehr als überrascht. „Ich habe noch nie gehört, dass eine Frau zu den Ruderern gehört."

„Oh, doch, meine Mutter ist nicht die einzige. Viele Frauen rudern, aber meist zeigen sie sich nicht. Deswegen möchte ich auch Feldherr der athenischen Armee werden", erwiderte er stolz. „Damit ich den Leuten auch zeigen kann, dass Frauen nicht nur in den Haushalt gehören."

„Das finde ich sehr nobel", sagte Vaia und wenn Dias sich nicht täuschte, dann war Sotiris auf einmal sehr stolz. Sein Lächeln war ein Stück breiter geworden und seine Augen strahlten nun heller als das verschwundene Gold.

LavýrinthosWhere stories live. Discover now