11.04.10

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Sonntag, der 11.04.10

Hey, Harry!
Ich werde jetzt nicht anmerken, dass ich wieder zurück will, oder dass ich dich jetzt schon vermisse, oder dass wir hier nur eine kleine Wohnung mitten in der Stadt haben, denn dann werde ich mich daran erinnern, dass der Abschied viel zu schwer war, ich dich wahrscheinlich nur selten sehen kann und dass ich definitiv nicht für große Städte geschaffen bin.
Oder so ähnlich.
Wenn ich die Möglichkeit dazu hätte, würde ich sofort wieder zurück kommen.
Jedes Mal, wenn ich mit Lauren darüber gesprochen habe, dass wir jetzt wohl Brieffreunde werden, hat sie mich schräg angeschaut.
„Weißt du, wie lange solche Fernbeziehungen halten?"
„Wir sind nicht zusammen", habe ich immer geantwortet und mich halb tot gelacht, weil es einfach so absurd ist.
Und weil ich nicht darüber nachdenken wollte.
Wie lange halten solche Fernbeziehungen, Harry?
Ich bin mir sicher, dass unsere Freundschaft, um es mal ein wenig schnulzig auszudrücken, unser Leben lang gehalten hätte.
Damals wusste ich auch nicht, dass uns fast 90 Kilometer trennen würden.
Und das ist erst die Luftlinie.

Wie dem auch sei – entschuldige, dass ich erst jetzt schreibe, aber es hat eine Weile gedauert, bis alles an seinem Ort war, und du kennst meinen Dad: Er hat darauf bestanden, dass ich helfe, und uns beiden keine Pause gegönnt.
Mum im Gegensatz war wohl die zur Regel gehörige Ausnahme, genau wie Sophy. Nicht, dass ich verlangen würde, dass sie mitmachen (oder in Sophys Falle eben alles schwerer machen), aber es ist unglaublich deprimierend, wenn man mehr oder weniger alleine helfen muss.
Glücklicherweise haben meine Eltern eingesehen, dass ich ein eigenes Zimmer brauche, und Sophys Bett nicht zu mir gestellt. Ich glaube, sie hoffen immer noch, dass Dad schnell befördert wird, jetzt, wo er schon umgezogen ist.
Ich glaube, ich werde professionelle Autorin, damit ich das nicht auch machen muss.
Außerdem will ich mein eigener Chef sein.
Oder wir schreiben zusammen Lieder.

Hey, wie sieht es eigentlich mit deiner Audition aus?
Ich sterbe hier vor Neugierde (und dann entschuldige ich mich auch noch, weil
ich keinen Brief geschrieben habe – was ist mit dir?)
Noch kann ich meine Eltern bestimmt dazu überreden, dass ich in den Ferien mit nach London darf, wenn du angenommen wirst.
Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir genau jetzt umziehen mussten.
Nach dem Motto: Dakota, ich habe gehört, dass dein bester Freund demnächst endlich das für sein Talent bekommt, was er verdient? Was hältst du davon, wenn wir jetzt ans andere Ende der Welt ziehen, wo es weder WLAN noch sonst was gibt? Gute Idee, nicht wahr?
Genau. WLAN haben wir nämlich auch noch nicht.
Aber unter unserer Wohnung liegt – wie der Zufall es will – eine Bäckerei, bei der es täglich eine halbe Stunde kostenloses WLAN gibt.
Besser als nichts.
Ich werde es morgen mal ausnutzen und dich anrufen, denn ich nehme an, dass sie jetzt schon geschlossen haben.

Ich drücke dir die Daumen für deine Audition!
Dakota


forget me - h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt