Moormänner

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Die LCD-Uhr meines klapprigen BMWs zeigte 19:07 Uhr. Ich war schon viel zu spät. Wer hätte ahnen können, dass die Straßen in diesem kleinen Kaff jetzt noch derart voll waren. Der Stau auf der Hauptstraße hatte mich mindestens eine Viertelstunde gekostet. Gestresst krallte ich mich ins Kunstleder des Lenkrades. Meine Auftraggeber würden rasend sein. Seitdem ich auf diese Straße hier eingebogen war hatte der Verkehr zwar aufgehört, ich schien mich allerdings keinen Meter vorwärts bewegt zu haben. Es war eine Straße, die mitten durch das größte Waldgebiet hier in der Umgebung führte. Überall gab es Moore und große Weiher. Nicht ein einziges Auto kam mir entgegen und durch die hohen Bäume traf kein einziger Sonnenstrahl den von Moos verdeckten Boden.

Eine weitere gefühlte Ewigkeit später hatte ich dann endlich mein Ziel erreicht. Es war ein großes Haus. Modern und sicherlich mehrere Millionen schwer. Eine dieser Villen, die mitten in ein Waldgebiet gebaut wurden, weil die Menschen, die so viel Kohle hatten ja dafür bekannt waren, kurze Arbeitswochen zu haben und somit ganz viel Zeit zuhause verbrachten. Als einfacher Wachmann würde ich mir so einen Betonklotz niemals leisten können.

Das wollte ich ehrlich gesagt auch nicht. Mir hätte ein Blockhaus irgendwo weit weg von allen Problemen der ach so tollen Welt und ausgestattet mit Nahrung für den Rest meines Lebens vollkommen gereicht. Dieses Haus hier hingegen war die pure Manifestation von Dekadenz: Alles quadratisch mit hell gestrichenem Sichtbeton. Ein Haus, das man glatt in einem Sci-Fi Film erwarten würde.

Der Eigentümer, ein Mittvierziger im teuren, vermutlich maßgeschneiderten Anzug stand schon hektisch vor seinem Auto: Eine rote Sportkarre. Er kam auf mich zu, als ich den Wagen vor der Auffahrt abstellte. »Sie sind zu spät.«

Dessen war ich mir sehr wohl bewusst. Doch um ihn nicht zu verärgern musste ich mir einen blöden Kommentar klemmen. »Entschuldigen Sie bitte. Ich habe den Verkehr unterschätzt.«

Er überreichte mir einen Schlüssel. »Mein Unternehmen würden diese acht Minuten Verspätung 80.000 € kosten, also seien Sie beim nächsten Mal lieber eine halbe Stunde zu früh, als eine Minute zu spät da, verstanden«, sein Ton ließ keine Widerworte zu.

»Natürlich«, gab ich kleinlaut zurück.

»Morgen wird der Bauleiter Sie genauer einweisen. Für heute muss es reichen, dass ich überhaupt hier bin, ich muss in einer halben Stunde am Flughafen sein. Sie finden selbst rein«, er stieg ins Auto und griff nach der Tür. »Ach... und um 21 Uhr schaltet sich der Generator ab, also wundern Sie sich nicht, wenn dann das Licht dann ausgeht. Das Stromkabel wird momentan noch verlegt.«

Ich nickte. »Alles klar.«

Er zog die Tür zu und fuhr für meinen Geschmack viel zu schnell die Auffahrt zur Straße herunter. Als er eingebogen war hörte ich nur noch, wie der Motor aufheulte. Was für ein aufgeblasener, reicher Schnösel.

Mein Blick fiel auf das Haus. Dort hatten sie also eingebrochen und alles verwüstet. Drei Mal! Wer auch immer sich die Arbeit machte, in ein Haus einzubrechen, das mitten im Wald stand und noch nicht mal möbliert war. Wie auch immer. Solange ich bezahlt wurde war mir der Grund für den ich ein Gelände bewachen sollte egal. Wenn sich von meinem Monatsgehalt die Miete bezahlen ließ war ich schon zufrieden. Es würde mich auch nicht wundern, wenn es irgendwelche Umweltaktivisten waren, die den Wald hier schützen wollten. Tja Leute, das Haus stand jetzt schon. Ihr hättet damit vielleicht ein bisschen früher anfangen müssen. Erfahrungsgemäß reichte auch schon die Anwesenheit eines Wachmanns, um Einbrecher abzuschrecken. Deshalb bestand mein Job zumindest bei solchen Aufträgen wie diesem hier größtenteils aus Zeit-totschlagen.

Ich holte noch eine Taschenlampe aus dem Handschuhfach meines Wagens und steckte sie in die Tasche, um das Gelände einmal vorab abzugehen. Meistens ging ich unterschiedliche Routen über ein Areal, um so wenig Spielraum wie möglich für Schleichangriffe zu geben. Dazu musste ich mich aber einigermaßen auskennen. Also ging ich bevor es komplett dunkel wurde und dann auch noch das Licht ausging einmal alles ab.

MoormännerWhere stories live. Discover now