19. provokative Provokation

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Nur zu schade, dass Mr Kurt sich nicht leicht aus der Fassung bringen ließ. Seine gesamte Haltung war nach wie vor distanziert - was mich leicht enttäuschte. Mir war Wut immer noch lieber, als gar keine Emotion, aber wie es schien, würde er mir den Gefallen nicht machen. Er sah mich nicht an, während er sich zu seinem Sessel wandte und sich auf ihn niederließ. Auf diese Weise hatte er noch mehr Abstand zu mir gebracht. Wieso tat er das? Wieso unterdrückte er die offensichtliche Wut, statt sie wie gewohnt auszulassen?

Sein Benehmen war ganz suspekt. Was ging nur in ihm vor?

Die Ellenbogen legte er auf die Lehne und verschränkte seine Finger ineinander. Nachdenklich sah er an mir vorbei aus dem Fenster. Nicht einmal eines Blickes würdigte er mich.

„War das alles, Sir?", fragte ich und versuchte somit seine Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken.

Sein Blick glitt zu meinem verdreckten Kleid hinab und blieb dort hängen. „Was habt ihr unternommen?"

Na also! Der feine Herr wollte also doch mehr wissen! Ich musste mir ein Schmunzeln unterdrücken. „Wir hatten eine Menge Spaß. Das ist alles, was Sie wissen müssen."

„Aha.", sagte er lediglich. Es verging eine gefühlte Ewigkeit, aber er fügte nichts mehr hinzu. Ich runzelte die Stirn. Verdammt! Was sollte das?! Ich hasste es, dass er keinerlei Reaktion zeigte - und das obwohl er ganz offensichtlich mehr erfahren wollte. Ich musste dem Drang widerstehen, mir unruhig auf den Lippen zu kauen. Wieso ließ er sich nicht provozieren, so wie er es mit Leichtigkeit bei mir machte?

Ich wurde der Stille überdrüssig, daher fügte ich widerwillig hinzu: „Wie gesagt, wir waren auf dem Fest am Opernplatz."

„Das war's?" Er sah mich nach wie vor nicht an.

„Ja.", sagte ich mit Nachdruck und zerknüllte aus Wut den Schleier in meinen Händen.

Etwas blitzte in seinen Augen auf - aber so schnell, wie es gekommen war, war es auch wieder verschwunden und ich musste kurz überlegen, ob ich es mir nicht vielleicht eingebildet hatte. „Ein wirklicher Gentleman hätte dich zum Essen eingeladen und dafür gesorgt, dass du bei dem ersten Treffen nicht dreckig nach Hause zurückkehren müsstest.", sagte er trocken und schnaubte verächtlich. Er stand wieder von seinem Sessel auf und wollte sich gerade zum Kamin wenden.

„Ein wirklicher Gentleman hätte mich nach dem ersten Kuss nicht wie ein herkömmliches, dummes Hausmädchen behandelt.", erwiderte ich, woraufhin er in der Bewegung innehielt. Seine Augen trafen auf meine. Er sah mich einen Moment an, als wolle er etwas dazu sagen, aber stattdessen drehte er sich zum Kamin und lehnte seinen Unterarm auf den Sims.

„Wie dem auch sei.", warf er das Thema beiseite, als wäre es nicht einer Unterhaltung wert, „Du wirst dich sicherlich kein zweites Mal mit ihm treffen wollen, nach einem solch missglücktem ersten Versuch dich zu beeindrucken."

„Wieso?", fragte ich und legte den Kopf leicht schräg. „Ganz im Gegenteil."

Mit gerunzelter Stirn blickte er auf und durchlöcherte mich mit seinen Blicken. „Was soll das heißen? Du willst ihn wiedersehen?"

„Durchaus.", sagte ich mit einem Nicken. „Er hat mich gebeten, ihn auf einen Ball zu begleiten."

Er hob ungläubig eine Augenbraue. „Ein Ball?"

„Ja, ein Wohltätigkeitsball.", erklärte ich, „Etwas, wo von Sie wahrscheinlich nichts verstehen, denn Sie haben sicherlich noch nie in Ihrem Leben freiwillig Geld gespendet."

„Ganz recht. Das habe ich nicht und werde ich auch nie tun. Wer Geld möchte, soll dafür arbeiten."

Ich biss verbittert die Zähne zusammen. Solch ein Kommentar konnte auch nur von einem geldgierigen Geschäftsmann kommen.

Ella - Die Stille nach dem SturmWhere stories live. Discover now