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Hermine stürmte nach draußen. Kalte Luft peitschte in ihr Gesicht, riss sie fast von den Füßen, doch sie ignorierte auch diesen Schmerz. Sie rannte die Treppen hinunter, den steinernen Steg entlang, zum Bootshaus. Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in ihr breit. Der Ursprung all ihrer Alpträume ragte bedrohlich in der nebeligen Luft auf und ließ ihr Herz für einen kurzen Moment einfrieren. Doch auch, wenn sie am liebsten wieder umgekehrt wäre, trugen ihre Füße sie weiter, bis sie schließlich vor der Holztür des Bootshauses stand. Sie stieß die Tür quietschend auf, rannte durch einen Gang und kam mitten im Inneren des Hauses zum Stehen. Noch ehe sie ihn suchen musste, fand sie ihn.
Er lag nur wenige Zentimeter von der Stelle entfernt, an dem sie ihn vor sechs Jahren wiederbelebt hatte. Bewegungslos.

„SEVERUS!", schrie Hemrmine panisch, schlitterte auf ihn zu und ließ sich ängstlich auf den harten, nassen Boden fallen. Ihre Knie schmerzten, doch sie ignorierte den Aufprall und legte sein Ohr an seine stille Brust.

Bevor ihre Panik sie übermannte, hörte sie das leise Klopfen eines Herzschlages.

Ruckartig hob die junge Hexe ihren Kopf und stierte auf das rote Blut, dass aus einer Kopfwunde trat.

„Vulena Sanentur", flüsterte sie leise und bewegte ihren Zauberstab auf die große, blutende Platzwunde. Dreimal wiederholte sie diesen Vorgang, bis die große, austretende Blutlache langsam wieder in seinen Körper zurückfloss und sich auf magische Art und Weise schloss.

Grade als sie ihre Hände auf seine Brust stemmen wollte, um ihn wiederzubeleben, umklammerte Snape fest ihr Handgelenk und riss Hermine von den Knien. Sie fiel sanft auf seine Brust und spürte den pochenden Herzschlag unter ihrem Körper. Snape drückte sie sanft an sich und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, lag sie bäuchlings auf ihm und schmiegte sich herzklopfend mit dem Gesicht in seine warme Halsbeuge.

„Hermine.", hauchte er zärtlich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Ich dachte, ich dachte...", begann Hermine zu schluchzen, denn auch wenn sie versuchte stark zu bleiben, konnte sie ihre Tränen nicht mehr aufhalten. „Ich dachte, du wärst tot."

Ihre Stimme wurde immer leiser und Snape presste sie noch ein wenig fester an sich.

„Ich werde dich nicht mehr verlassen. Es ist vorbei. Es ist vorbei, Hermine.", flüsterte er beruhigend und ohne ihn anzusehen, wusste sie, dass er in diesem Moment ehrlich war.

Ruhig blieben sie liegen, den harten Steinboden ignorierend, während sie das Gefühl hatte, den anderen nie wieder loslassen zu wollen.

„Du kennst meine Zaubersprüche.", durchbrach Snape nach einiger Zeit die Stille.

Im Klang seiner Stimme lag ein Hauch von Stolz und lächelnd stütze Hermine sich auf seiner Brust ab.

„Ich bin eben eine Musterschülerin.", erwiderte sie grinsend, was auch ihn zum Schmunzeln brachte. Er strich ihr sanft eine braune Strähne aus dem Gesicht und schaute sie liebevoll an. Dieser plötzliche, vertraute Blick, raubte Hermine den Atem. So hatte er sie noch nie angesehen. Und ohne, dass er etwas sagen musst, spürte sie die Liebe, die er ihr versuchte zu zeigen, ohne das er sie in Worte fasste.

Plötzlich räusperte sich jemand im hinteren Teil des Bootshauses und wie von der Tarantel gestochen, setzte Snape sich auf, umklammerte Hermine mit dem linken Arm und griff instinktiv mit der rechten Hand zu seinem Zauberstab.

„Keine Sorge.", rief Harry beschwichtigend, um dann vorsichtig und mit erhobenen Händen aus der Dunkelheit zu treten. „Ich bin's nur."

In seinem Gesichtsausdruck konnte Snape ein Grinsen erkennen, das ihm gar nicht behagte.

„Potter.", sagte er trocken, doch Hermine setzte sich schnell auf und erhob sich langsam. Ihre Hose und ihr Oberteil waren klatschnass, doch sie fühlte sich glücklich. Bevor sie Snape auf die Beine helfen konnte, starrte sie überrascht auf das vor ihr auftretende, merkwürdige Schauspiel.

Harry war vorgetreten und hielt Snape seine Hand hin. Ein undefinierbarer Ausdruck glitt über Snapes Gesicht, kurz überlegte er, ob er sie ignorieren sollte, doch er entschied sich dagegen.
Nickend ergriff er die Hand und wurde mit einem Ruck von Harry hochgezogen.

Staunend blickte Hermine Harry dankbar an. So viel Sympathie hätte sie beiden Kontrahenten niemals zugetraut.

Harry schaute nun das erste Mal tief in Snapes Augen und das nicht, um ihn voller Verachtung oder Boshaftigkeit anzuschauen, sondern um ihn im Stillen zu fragen, ob es funktioniert hatte. Ein kurzes Nicken von Snape genügte ihm. Das alles passierte in wenigen Sekunden, ohne das Hermine etwas davon mitbekam.

„Severus, wir sollten ins Schloss zurück gehen.", durchbrach Hermine die Stille, nachdem sie fröstelnd ihren Pullover zuzog und die beiden Männer irritiert anstarrte. „Was ist?"

Ein Lächeln breitete sich in Hermines Gesicht aus und Harrys und Snapes Mundwinkel schossen in die Höhe.

„Lass uns ins Schloss zurückgehen.", bestätigte Harry ihren Vorschlag, drehte sich um und verschwand aus dem Bootshaus.

Hermine schaute Snape lächelnd an, als dieser sich keinen Zentimeter von der Stelle bewegte.

„Komm.", sagte sie leise. Sanft ergriff Snape ihre Hand und beide schritten gemeinsam aus dem Bootshaus. Dem Ursprung ihrer Alpträume. Dem Anfang ihrer Zukunft.

Bis sie das Schloss erreichten, ließ keiner der beiden die Hand des anderen los.


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