Ich kann mich unsichtbar machen. Doch sobald das Kribbeln in meinen Füßen beginnt, schlägt blitzartig seine Hand nach vorne. Grob packt er mich um den Hals und verengt seinen Griff noch weiter. Mein Atem stockt und meine Luftzüge werden immer flacher. Das Atmen fällt mir schwerer und schwerer.
„Du wolltest es so", grummelt er mit tiefer Stimme. „Ich werde ihr mitteilen, dass du Probleme bereitet hast und früher beseitigt werden musstest."

Sofort reiße ich meine Augen auf. Er will mich umbringen. Jemand hat ihm befohlen mich zu töten! Panisch greife ich nach seinem steinharten Griff um meinen Hals. Vergeblich versuche ich einen Schrei loszulassen, jedoch bringe ich nur armseliges Piepsen heraus.
Ich greife nach seinen Fingern und versuche sie zu lösen. Stattdessen verengt er seinen Todesgriff nur noch mehr. Meine Lunge schreit verzweifelt nach Luft, welche mir nun völlig wegbleibt. Unwillkürlich schießen mir heiße Tränen in die Augen. Flehend begegne ich den Blick meines Wachens. Statt Wörter kommen aber nur seltsame Gurgelgeräusche aus meinem Hals. Auf seinem Mund breitet sich ein zufriedenes Lächeln aus.
Mehr und mehr fängt meine Lunge an zu brennen. Verzweifelt ringe ich nach Luft, doch nichts hilft. Ich werde sterben. Sobald ich das denke, verdunkelt sich meine Sicht. Immer mehr Schwarz sammelt sich vor meinen Augen. Ich werde nie wieder meine Familie sehen.

Doch bevor ich gänzlich mein Bewusstsein verliere, wird der Wache von mir weggezogen. Als hätte ich keine Knochen mehr geben meine Beine sofort nach und ich falle auf den eiskalten Boden. Zu beschäftigt Luft in meine brennenden Lungen zu ziehen, bekomme ich zunächst nicht mit, dass mich jemand vorsichtig hochhebt und mich von dem Wachen in Sicherheit bringt. Erst als sich das Brennen etwas gelegt hat, bin ich in der Lage dazu meine Augen zu öffnen. Angestrengt hebe ich meinen Kopf. „Wie-", krächze ich, doch ich kann nicht weitersprechen und verziehe vor Schmerz mein Gesicht.
Sofort richtet er seinen Blick auf mich. Seine türkisen Augen mustern mich sorgfältig. „Du musst deine Stimme schonen, versuch lieber nichts zu sagen."
Ich schließe wieder meine Augen und lege meinen Kopf zurück gegen seine Brust. Sein Herzklopfen ist etwas schneller als normal, dennoch beruhigt mich das rhythmische Klopfen ein wenig.

Er räuspert sich sanft. „Wolltest du fragen, wie ich dich gefunden habe?", erklingt seine besorgte Stimme. Erschöpft nicke ich, doch meine Augen bleiben geschlossen.
„Ich war auf den Weg in die Bücherei und habe plötzlich seltsame Geräusche gehört, also bin ich denen gefolgt. Als ich um die Ecke kam, habe ich eben dich gesehen, wie du, naja du weißt schon. Dann habe ich die Zeit gestoppt und ihn von dir gezerrt."
Abermals versuche ich zu sprechen. „D- dan- danke", bringe ich schließlich heraus.

Etwas später öffnet er eine Tür. Er trägt mich hinein und legt mich sanft auf eine weiche Oberfläche. Ich öffne meine erschöpften Augen und finde mich in einem unbekannten Raum wieder. Der Raum ist schlicht in weiß gehalten, bis auf einige dunkelgrüne Accessoires.
Verwirrt drehe ich mich auf die andere Seite, wo ein besorgter Rohan auf der Bettkante sitzt. „Willst du Wasser?" darauf nicke ich.

Dankbar nehme ich das Wasser entgegen und leere sofort das ganze Glas. Mein Hals fühlt sich gleich viel besser an. Er ist zwar noch immer rau, aber jetzt fühlt es sich wenigstens nicht so an als würde er vertrocknen. Rohan setzt sich wieder auf die Bettkante und richtet seinen Blick auf seine Hände.
Ich räuspere mich vorsichtig und bin überrascht als ich nicht vor Schmerz aufschreien muss. Vorsichtig fange ich an zu flüstern. „Danke."
Sofort blickt er auf. Trauer zeigt sich in seinen blauen Augen. „Es tut mir so leid", flüstert er zurück.
„Das war doch nicht deine Schuld. Du hast mich gerettet. Wenn du nicht gekommen wärest, dann- dann wäre ich jetzt vermutlich tot."

Ernst entgegnet er meinen Blick. „Wieso wollte er dich umbringen?", fragt er vorsichtig.
„Er meinte es wurde ihm von 'ihr' befohlen." Das bringt ihn zum Nachdenken.
Er lehnt sich etwas vor und streichelt mir vorsichtig über meine Wange. „Ich muss schnell etwas erledigen. Du kannst solange hierbleiben wie du willst."
Danach erhebt er sich und verlässt sein Zimmer.

Erschöpft lasse ich mich zurück ins Bett fallen. Trotz meiner vielen Gedanken, zieht mich der Schlaf immer tiefer und bevor ich es weiß, schlafe ich schon.

Ein leises Knarren weckt mich aus meinem traumlosen Schlaf. Als ich meine Augen nun öffne, ist das Zimmer bereits in ein tiefes Schwarz getaucht und es dauert ein wenig bis ich mich erinnere, wo ich mich befinde. Doch es dauert nicht lange bis mein schmerzender Hals mich an den Wachen erinnert.
Eine dunkle Gestalt nähert sich langsam dem Bett. „Hallo?", frage ich vorsichtig und betätige einen kleinen Knopf neben dem Bett, der sofort das Zimmer mit einem weißen Licht ausleuchtet.
Vom Licht geblendet bleibt die Gestalt stehen. Rohan.

„Hey", begrüßt er vorsichtig, „wie geht es dir?"
Ein kleines Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. „War schon mal besser." Meine Stimme klingt zwar noch kratzig, aber es ist schon viel besser als zuvor. Dies lässt den Prinzen ebenfalls etwas lächeln.
„Wo warst du?", frage ich ihn. Seine Miene verdunkelt sich wieder.
„Ich habe den Wachen einsperren lassen und musste einige andere Sachen besprechen, aber keine Sorge, du musst ihn nie wieder sehen.
„Aber seine Beauftragte könnte doch jeder Zeit wieder jemanden engagieren."
Zögerlich streckt er seine Hand zu mir und lässt sie über meine zerzausten Haare gleite. Ich sehe bestimmt schrecklich aus, aber egal.

Seine Augen mustern mich besorgt und landen schließlich auf meinem Hals.
„Wie schlimm ist es?"
„Es könnte schlimmer sein", sagt er mit einem schiefen Lächeln, doch seine Lüge ist offensichtlich. Es ist vermutlich schlimmer als ich denke.
Seine Augen finden wieder meine und seine Hand landet auf meinem Nacken. Lange starren wir uns gegenseitig an bis mir wieder seine Verlobte einfällt. Verlegen breche ich unseren Blickkontakt und fixiere stattdessen die weiße Decke, die meine Beine bedeckt.
„Ich sollte jetzt lieber gehen", sage ich kleinlaut. Sofort legt er seine zweite Hand auf meine Schulter. „Bitte, bleib heute hier. Ich würde mich nicht wohl fühlen, wenn du alleine in deinem Zimmer wärst."
„Aber deine Verlobte."
„Wir machen ja nichts", sagt er zögerlich. „Du warst in Gefahr und brauchst nun einen sicheren Schlafplatz." Als ich immer noch nicht zustimme versucht er es noch einmal. „Bitte, nur heute. Morgen werde ich einen meiner Wachen dazu beauftragen dich zu bewachen."

Schließlich gebe ich nach und stimme zu. „Aber nur heute."
„Nur heute", wiederholt er mit einem Lächeln. Kurz danach lege ich mich wieder auf das weiche Kissen und schließe meine Augen.

Etwas später spüre ich wie Rohan sich neben mich legt. Er schläft im selben Bett?! Das war nie ausgemacht. Aber ich kann ihm wohl schlecht sagen, dass er nicht in seinem eigenen Bett schlafen darf.
Vorsichtig um mir nichts anmerken zu lassen, entspanne ich meinen verkrampften Körper ein wenig. Er denkt wahrscheinlich, dass ich schon schlafe.
Einige Sekunden später spüre ich auf einmal eine Hand auf meinem Kopf. Nur schwer unterdrücke ich ein Überraschtes Zucken. Mittlerweile spüre ich sogar seinen warmen Atem auf meiner Wange.
Plötzlich sind seine Lippen auf meiner Wange. Doch so schnell wie sie da waren, waren sie auch wieder weg.
Habe ich mir das nur eingebildet?
Er flüstert mir noch „gute Nacht" zu und entfernt schließlich seine Hand.
Nein, das habe ich mir sicher nicht eingebildet. Er hat mich mit Sicherheit geküsst. Zwar nur auf die Wange aber immerhin. Unser erster Kuss.

Mit einem zufriedenen Lächeln falle ich erneut in einen traumlosen Schlaf.

The Queen of SecretsWhere stories live. Discover now