Sie isst nichts

435 102 5
                                    

Sie isst stets nichts. Denn das ist für sie leichter.

Bis sie auf sie trifft. Und bis sie bemerkt, dass loslassen viel leichter ist.

Ihr Hunger ist an diesem Mittag gar nicht so groß und ihr Bauch gibt auch nur leise Geräusche von sich. Dennoch erkennt sie wie es ihr wirklich geht.

Sie sitzt nur einen Tisch weiter, doch im Gegensatz zu ihr vollkommen alleine. Sie isst nichts, und sie isst, so als würde die eine hungrig sein, und die andere nicht. Doch es ist genau anders herum.

Bis sie ihr plötzlich Gesellschaft leistet und sich alles ändert.

»Wenn wir die Mittagspause heute zusammen verbringen, hörst du dann auf, das Essen in dich hereinzustopfen?«, fragt sie aus dem Nichts.

»Aber nur, wenn du dafür die Portion isst. Die Leute da drüben sind deinen Hunger nicht wert.«

Sie denkt darüber nach. Die Beliebtheit ist alles, was sie hat. Monatelang hat sie an ihrem Status gearbeitet und sie ist die ganze Zeit über zufrieden damit gewesen. Die vielen Freunde, die Partys, der Spaß ist eigentlich alles, was sie je wollte.

Doch ist es wirklich das, was sie glücklich macht? Wie oft wünscht sie sich, sich nicht verstecken zu müssen, so viel essen zu können, bis sie wirklich satt ist? Wie oft wünscht sie sich, eine Person zu haben, die sie so sieht und akzeptiert wie sie ist und bei der sie einfach sie selbst sein kann? Die Antwort ist leicht: Viel zu oft.

Also entscheidet sie sich dazu, nun jeden Mittag die Pause mit ihr zu verbringen.

Schneller als gedacht erfüllt sich dadurch ihr Wunsch.

Und sie isst noch immer nichts, aber nur wenn sie gerade keinen Hunger hat.

Denn sie hat jemanden gefunden, der ihr einen Grund zum Zufriedensein gegeben hat.

Sie erkennenWhere stories live. Discover now