Sterne

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Ruhig lag das tiefblaue Wasser in Form eines glatten Spiegels unter mir. Hin und wieder lösten schwache Erschütterungen in der Wasseroberfläche kleine Wellen aus, die sich ringförmig ausbreiteten. Das sanfte Plätschern war das einzige Geräusch, das die kalte Abendluft erfüllte, die in meine Lungen wanderte und ein Gefühl von Ruhe und Melancholie auslöste. Das schwache Rot am Horizont mischte sich mit dem Grau einiger Wolken, die einen Übergang zu dem dunklen Nachthimmel bildeten, der darüber lag. Nach und nach wurde diese Dunkelheit von den schwachen Lichtern der Sterne unterbrochen, die sich in phantasievollen Konstellationen am Himmel anordneten. Die schwächeren Punkte am Horizont wichen den hellen Lichtern aus, die darüber lagen und sich bald zu einem blass schimmernden Band zusammen fanden, das sich einmal quer über den Himmel zog. Doch es waren nicht die prägnanten, grellen Lichter, die mich interessierten. Unter dem Zenit, in einem dunklen, unbewohnten Gebiet tauchte eine einzige unscheinbare Lichtquelle auf. Obgleich seiner zurückhaltenden Helligkeit war sein Licht wärmer, einladender als das der anderen. Mit der Zeit verblasste alles um ihn herum und irgendwann gab es nur noch ihn und mich. Und plötzlich war es auch nicht mehr der schwache Punkt, der er einmal war. Mit jedem Augenblick, den ich fasziniert, fast hypnotisiert in den Himmel starrte, vergrößerte er sich. Die Wärme, die er ausstrahlte umgab mich und ich vergaß die Kälte dieser stillen Winternacht vollkommen. Der punktförmige Stern war nun zu einer sichtbaren Kugel geworden und als ich meinen Körper bewegte, stellte ich fest, dass der Boden verschwunden war. Es fiel mir schwer, meinen Blick von der Kugel zu lösen, aber irgendwann schaffte ich es und schaute mich um. Tiefes Schwarz umgab mich. Tiefes Schwarz, das von allen Seiten von hellen Lichtern aus vergangener Zeit durchbrochen wurde. Doch mein Stern überstrahlte sie alle. Er schien nun so nah zu sein, das ich glaubte, mit der Hand nach ihm greifen zu können, doch als ich es versuchte griff ich in kaltes Nichts. Plötzlich erkannte ich, dass ich ihn nie erreichen würde. Ich trieb durch die trostlose Kälte, die mich umgab und auch mein Inneres schien eine unendliche Leere geworden zu sein. Eine Leere, die eine Ewigkeit später durch das schwache Rot verdrängt wurde, das über dem ruhigen Wasserspiegel glitzerte. Plötzlich spürte ich wieder kalten Boden unter mir. Eine Träne fiel auf das Wasser und bildete eine Welle, die sich ringförmig ausbreitete. Der immer heller werdende Wasserspiegel kündigte den Beginn des lauten, grellen Tages an. Hier gehörten meine Träume nicht hin. Ich musste mich damit abfinden.

SilbenchaosWhere stories live. Discover now