Dornröschenschlaf

Kapitel 6

Isabella

Trotz des verstörenden Fundes gehe ich in die Schule. Jetzt erst recht! Ich beschließe, mir vor Luca nichts anmerken zu lassen. Vielleicht spinne ich ja nur. Vielleicht suche ich so dringend jemanden, der für den Mord zuständig ist, dass für mich jeder als Täter in frage kommt.

Als ich den Pausenhof überquere, erreichen mich viele mitleidige Blicke. Ein paar Mädchen aus meiner Klasse laufen schluchzend zu mir.

"Wie konnte das nur passieren?", "Mein herzliches Beileid." das sind die häufigsten Sätze, die mir gesagt werden. Im Klassenzimmer lasse ich mich auf meinen Platz fallen. Ich versuche den leeren Stuhl neben mir so gut es geht zu ignorieren. Es war Annas Platz. Die ersten beiden Stunden vergehen langsam. Es wird viel über Anna geredet. Morgen wird in der Schule ein Trauergottesdienst für sie veranstaltet. Mehr bekomme ich nicht mit. Endlich klingelt es zur Pause.

Emily und Annika weichen mir nicht von der Seite.

"Du kannst, wenn du willst in der Pause bei uns bleiben." sagt Annika und streicht mir tröstend über den Rücken.

"Danke"

In einer Ecke des Pausenhofes steht Luca und neben ihm Julia. Die beiden gehen in meine parallel Klasse und von Anna weiß ich, dass Julia auf Luca steht.

"Ich komm gleich" sage ich zu Annika und Emily.

Luca sieht mich schon von weitem und winkt mir zu. Ich winke nicht zurück, sonder gehe direkt auf die beiden zu.

"Luca, das mit Anna tut mir soooo leid! Wirklich! Wenn du jemanden zum reden brauchst, du weißt ja wo du mich findest." Julia lächelt ihn an und legt wie zufällig ihre Hand auf seine Schulter.

"Hey" sage ich zu Luca.

"Siehst du nicht das wir gerade reden ?" zickt sie mich an. Ihre grün- blauen Augen funkeln mich wütend an.

"Schon gut." meint Luca.

"Finde ich nicht!" meint Julia scharf.

"Wann kapierst du es endlich ? Ich. Will. Nichts. Von. Dir!" brüllt Luca Julia an.

"Das wirst du noch bereuen." zischt sie, dreht sich um, schmeißt ihre Mittellagen, braunen Haare nach hinten und geht.

Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen.

"War sie eigentlich sehr eifersüchtig auf Anna?" frage ich.

"Ja. "

"Würde man wegen Eifersucht einen Menschen umbringen?" überlege ich laut.

"Bella, ich denke auch oft darüber nach. Aber wahllos Menschen zu verdächtigen hilft auch nicht weiter. Das ist dieArbeit der Polizei. Wahrscheinlich kennen wir den Mörder nichtmal."

Ich bin drauf und dran ihm von der Rose und dem komischen Zettel zu erzählen, lasse es dann aber doch. Warum weiß ich selbst nich.

-

"Nein Schatz, man weiß immer noch nicht, wer es war. Nicht mal die Tatwaffe wurde gefunden." beantwortet Mam meine Frage. Nach der Pause habe ich mich sofort befreien lassen. Ich konnte diese Blicke nicht mehr sehen, die Fragen nicht mehr hören. Aber am schlimmsten war der leere Platz neben mir. Er würde für immer leer bleiben.

"Heute um 3 kommen Torsten und Juliane vorbei." erzählt Mama.

"Mhmm"

"Wir haben sie eingeladen. Sie brauchen uns jetzt mehr denn je. Erst wollten sie gar nicht kommen, verständlich, aber ich konnte sie überreden."

In meinem Zimmer schließe ich die Tür ab. Dann gehe ich an die Schublade und hole die Rose und den Zettel raus. Wer macht sowas ? Wollte mir jemand Angst einjagen ? Oder war es wirklich Annas Mörder ? Bei dem Gedanken, er hatte mich beobachtet, wusste sogar wo ich wohne und hatte die Blume persönlich vor meiner Tür abgelegt, wurde mit augenblicklich kalt.

Vielleicht sollte ich einfach zur Polizei gehen. Aber es war ja keine konkrete Bedrohung, oder ? Die Rose konnte ja auch von einem Verehrer abgelegt worden sein. Aber der Zettel ? Das klingeln der Tür reißt mich aus meinen Gedanken.

Ich stehe auf, zupfe meinen Rock zurecht, atme einmal tief durch und gehe in den Flur.

Juliana scheint in den letzten Tagen um Jahre gealtert. Auch Torsten scheint 100 mal mehr Falten als sonst zu haben.

"Bella" schluchzend fällt Annas Mutter mir um den Hals.

"Es tut mir so Leid." Tränen Rinnen mir über das Gesicht. Auch Juliane fängt an zu weinen.

"Es ist so unglaublich schlimm für mich." schluchzt sie während sie mich noch immer fest im Arm hält.