Die Melodie des Waldes

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Auch hier einfach mal ein paar Gedanken niedergeschrieben :)

Leise, kaum hörbar zwischen dem Rauschen der Blätter erklang einst eine Melodie. Ruhiger, zarter Gesang oder doch nicht mehr als die Klänge der Natur? Die Melodie lockte zwischen die Bäume, von denen einer besonders hervorstach.

Saftig grüne Blätter wogen im Wind sanft hin und her. Dazwischen geradezu leuchtend weiße Blüten, die sich auch durch die ein oder andere Brise lösten und fröhlich im Wind tanzten, wie kleine Feen, bis sie sich auf dem weichen Moos, das den Baum umgab, zur Ruhe legten. Dort dem Gesang des Baumes... und seiner Bewohnerin lauschten. Eine für viele unsichtbare Bewohnerin von solch Zartheit, dass einem das Herz zerbrechen mochte. Eine zierliche Gestalt mit Haut wie Glas, als würde sie bei einer falschen Berührung einfach zerbrechen. Die Augen, funkelnde Smaragde, in denen die Sonne aufzugehen schien, strahlten sie doch eine solche Wärme aus, wohlig und einladend. Das Haar, goldene Seide, die sich über den Körper der Baumnymphe ergoss, bis tief zu den Wurzeln des jungen Baumes.

Und ebenso jung war die Bewohnerin selbst. Ihre Bewegungen waren anmutig, frei und unbeschwert. Ihr Lachen war das herzliche, fröhliche von Kindern. Und ebenso wie kleine Sprösslinge war sie unendlich neugierig. Während sie sich zunächst an ihrem Dasein erfreute, verlangte es sie schon bald danach mehr zu sehen. Sie verließ die schützende Hülle ihres Baumes und verspürte zum ersten Mal das Gefühl Kälte, das sie zunächst zurückschrecken ließ, ihre Neugier dennoch nicht mindern konnte.

Unweit von ihr war eine Stadt. Ihre Schwestern hatten es ihr zugeflüstert, erzählt von dem bunten Treiben, doch alle Erzählungen und Beschreibungen wollten nicht ausreichen. Mit eigenen Augen wollte sie es sehen und entfernte sich von ihrem Stamm. Ihre Bewegungen waren lang nicht mehr so frei wie zuvor und auch der Gesang des Baumes wurde leiser... trauriger, je weiter sie sich von ihm entfernte, doch sie bemerkte es kaum, hörte es nicht einmal mehr.

Viel zu gebannt lag ihr Blick nun auf all diesen Gestalten. So viele Eindrücke, die mit einem Mal auf sie einströmten und kaum mit Worten zu beschreiben waren. Vorsichtigen Schrittes, unsichtbar für alle anderen, ging sie die Straßen entlang, fasziniert, wusste nicht, worauf sie ihren Blick richten sollte, da drang auf einmal etwas an ihr Ohr. Gesang war es, dessen Klang sie nun folgte und oh, hätte sie es doch besser nie getan...

Ein, zwei Schritte tat sie noch, da sah sie ihn.

Er stand dort, einen Hut vor sich auf dem Boden. Warum, hätte die kleine Dryade nicht sagen können, kannte den Unterschied zwischen arm und reich nicht, doch sie hielt sich auch nicht mit dem Gedanken auf, denn es war sein Gesang, der ihr Herz berührte. Er war voller Wärme. Sanft, liebevoll und doch zugleich kraftvoll. Sie konnte gar nicht verstehen, wie all die anderen einfach an ihm vorbeigehen konnten, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Sie jedenfalls ließ sich ein paar Schritte vor ihm nieder und lauschte einige Zeit den Klängen, die seinen Lippen entwichen, bevor sie zu ihrem Baum zurückkehrte.... was jedoch nicht bedeutete, dass der Sänger mit der wundervollen, gefühlvollen Stimme vergessen war. Ganz im Gegenteil.

Nicht viel Zeit verging, bevor sie erneut die schützende Umarmung ihres Baumes verließ und in die Stadt ging... und es sollte nicht ihr letzter Besuch sein. Immer und immer wieder ging sie. An die Kälte hatte sie sich bald gewöhnt und ihre täglich größer werdende Schwäche bemerkte sie kaum. Genauso wenig, dass sich der fröhliche Gesang ihres Baumes schon lange zu einem Klagelied gewandelt hatte, die Äste nicht mehr stolz in die Höhe ragten, sondern schlaff hinab hingen, einer Trauerweide gleich.

Doch ihre ganze Aufmerksamkeit galt allein dem Sänger... Mal stand er dort und gab seine Lieder zum besten, mal saß er einfach nur da, an eine der Wände gelehnt und beobachtete die Vorbeigehenden. Die kleine Baumnymphe hatte sich dann stets neben ihm niedergelassen und sich in träumerische Gedanken versunken an ihn gelehnt.

Vielleicht hatte er ihre Anwesenheit ja gar einmal bemerkt, wenn er sich etwas verwirrt umblickte, oder war das nur Wunschdenken...?

Jeden Tag könnte sie so verbringen, dachte die Dryade, doch ihr Körper wehrte sich heftig gegen diese Entscheidung. Aus der anfänglichen Schwäche wurden nun Schmerzen. Jeder Schritt war nun mehr eine Qual, als würde sie über glühende Kohlen gehen. Ihr Baum sang nicht mehr. Er weinte und schrie, litt er doch mit ihr.

Und doch vermochte sie es nicht dort zu bleiben. Sehnsucht erfüllte ihren zierlichen Körper und trieb ihn erneut aus der schützenden Hülle. Die Schmerzen ließen sie kaum noch vorankommen, glasklare Tränen perlten über ihre Wangen und nun weinten gar die Schwestern mit ihr, klagten und wollten sie zur Umkehr bewegen... doch sie kehrte nicht um, zwang sich durchzuhalten, bis sie erneut die Stadt erreichte.

Als sie ihn dann erblickte schien sich all dies auch gelohnt zu haben, erhellte sich doch ihre ganze Miene. Unter letztem Kraftaufwand wurden die restlichen Schritte getan, bevor sie sich neben ihn sinken ließ. Wie so oft lehnte sie den Kopf gegen seine Schulter. Er sang... Leise, mehr für sich selbst, doch sie vernahm jedes Wort, jeden Ton... Wie beruhigend es doch war, schien all ihre Schmerzen und Qualen fort zu tragen. Sie entspannte sich langsam, ihr Körper erschlaffte und nach einiger Zeit schlug sie die Lider nieder, würde die Augen nie wieder öffnen.

Leise, kaum hörbar zwischen dem Rauschen der Blätter erklang einst eine Melodie. Doch nun war sie verstummt. Stille umgab den Ort, von dem sie gekommen war und ein Baum stach an dieser Stelle besonders hinaus. Zwischen all den aufblühenden Bäumen stand er, mit kahlen Ästen, die kraftlos hinab hingen, umgeben von braunrotem Laub. Tot war er, würde nie wieder erblühen... und in der Stadt stimmte ein junger Mann ein Lied an, um ein paar Cents für sein tägliches Brot zu verdienen.

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⏰ Last updated: May 06, 2012 ⏰

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