Kapitel 19 - eins, zwei, Kuss

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Angelehnt an der unscheinbaren, grauen Wand des Toilettenhäuschens, beobachtete ich still die wachsende Menschenschlange vor den Türen.

Hoffentlich hockt meine Schwester nicht wieder kotzend vor der Schüssel und blockiert stundenlang eine Kabine, dachte ich noch, während ich zusah, wie zwei etwas jüngere Mädchen sich sichtlich über die Wartezeit aufregten.

«Wir haben dich schon überall gesucht», sprach eine dunkle Stimme, die ich erst falsch zuordnete. Ich riss mich von dem Anblick dreier betrunkener Typen, die mich ungeniert angafften, los. Langsam drehte ich mich herum und verfluchte innerlich meine unbegründeten Hoffnungen.

Samantha lächelte mich an, als wäre nichts geschehen und ließ sich gegen die flache Brust des rotblonden Jungens neben ihr fallen. «Bist du diese Nervensäge endlich losgeworden?» Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem breiteren, echter wirkenden Grinsen. Sie wartete meine Antwort garnicht erst ab, sondern zog mich einfach an meinem ausgeleierten Ärmel zu sich. «Super. Dann können wir ja endlich gehen», bestimmte sie und fuhr sich mit einer Hand durch das widerspenstige Haar.

«Aber das Spiel ist doch noch nicht vorbei...oder?» Meine Aussage war in einer unsicheren Frage ausgeatet. Trotzdem folgte ich den Beiden wie ein herrenloses Hündchen zum Ausgang.

«Stimmt schon, aber ist dir das so wichtig? Du kannst auch wieder zurückgehen, wenn du unbedingt möchtest.» Der rotblonde Fremde tat so, als hätte ich eine Wahl.
Kathlyn, die inzwischen dabei sein müsste, ihre Hände zu waschen, hatte ich einfach sitzen gelassen und außer ihr kannte ich niemanden, zu dem ich gehen könnte.

«Abgesehen davon verstehst du doch sowieso nichts vom Rugbyspielen, oder, Blondie?» Sam harkte sich lachend bei mir unter und der Unbekannte stimmte mit ein, einen Arm besitzergreifend um Samanthas Hüfte geschlungen.

Ich spielte die Unnahbare. «Nein, ihr habt Recht, passt schon.»

Am Tor angelangt, verschwand die Ausgelassenheit der Latina wie auf Knopfdruck und eine nicht erklärbare Anspannung legte sich um ihre reinen Gesichtszüge. Ungläubig beobachtete ich das Geschehen, während sie sich aus der Umarmung des Types wandte, die sie bis dato eigentlich genossen zu haben schien. «David», zischte sie warnend.
Doch bevor ich mich nach dem Grund ihres raschen Stimmungswechsels erkunden konnte, wurden wir von einer Horde misstrauisch dreinschauender Lehrern in Empfang genommen. Oh nein.

Die Erwachsenen umlagerten uns und ich unterdrückte den seltsamen Drang, wie bei einer Festnahme die Arme zu heben.
«Guten Abend, allerseits», pfiff Samantha locker, doch ihre Farce war leicht zu durchschauen. «Mrs Dallas.» Es hätte nur noch ein Knicks gefehlt.

«Guten Abend Samantha, hallo David», begrüßte unsere Direktorin meine Freunde und umschloss mit den Hände ihren schicken royalblauen Seidenschal, den sie sich kunstvoll um die Schultern drapiert hatte. «Ich hoffe ihr genießt das Spiel.» Dann bedachte sie mich mit einem müden Lächeln. «Fiona, es freut mich, dich hier anzutreffen und hoffe, du hast dich gut eingelebt.» Ihre mandelförmigen, weisen Augen wanderten vielsagend zurück zu meiner Begleitung.

Ich nickte abgehackt, vermochte die seltsame Stimmung nicht einzuordnen.

«Natürlich wollten wir unsere Schule tatkräftig unterstützen, aber», Samantha schenkte mir einen messerscharfen Blick. «leider hab ich Dummerchen meinen Pullover in Davids Auto liegen lassen.» Wie zur Verdeutlichung rieb sie sich fröstelnd über die nackten Arme. «Ich hoffe es ist in Ordnung, wenn die beiden mich begleiten.» Als wolle sie Mrs Dallas in ein gutgehütetes Geheimnis einweihen, neigte sie sich vor. «Schließlich bin ich ein hilfloses Mädchen und wir wissen ja beide, dass manche hier verbotenerweise das eine oder andere alkoholische Getränk zu sich nehmen.» Wüsste ich es nicht besser, hätte sogar ich ihr diese Show abgekauft.

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