Beziehungsopfer

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Langsam glitten ihre Finger über meinen Rücken.

Auf und ab.

Fast schon zärtlich.

Ich genoss diese Berührung zutiefst, doch ein bittersüßes Gefühl stieg in mir auf. Nur mühsam konnte ich ein Seufzen unterdrücken, denn ich wusste: Dieser Moment würde leider nicht ewig dauern.

"Man Leo, jetzt nimm nicht die ganze Zeit meine Freundin in Beschlag!"

Und schon war er vorbei, schneller als erwartet. Sie zog ihre Hand weg und ich hörte ihr Lachen, als ich mit geschlossenen Augen grummelte.

"Du kannst dich gerne zu uns setzen und mit schauen.", bot sie ihm an. Oh je, bitte nicht.

"Leonie pennt doch eh schon fast.", erwiderte ihr Freund, als sei dieser Satz Aussage genug.

Blinzelnd öffnete ich die Augen. Felix stand mit verschränkten Armen vor uns, über den Fernsehr flimmerte Werbung. Er grinste, aber seine angespannten Arme verraten mir sofort wie unruhig er war. Inzwischen kannte ich meinen Mitbewohner gut genug, um zu wissen dass er in diesem Zustand heute definitiv nicht hier bleiben würde. Immer, wenn es ihn derart in den Fingern juckte, wollte er Party machen. Bisher war ich nicht ein einziges mal mitgekommen, irgendwann hörte er auf mich zu fragen. Ich hatte zu viel Angst davor, was passierte wenn der Alkohol und die Euphorie mir meine Hemmungen nahmen.

"Tu ich nicht.", antwortete ich maulend. "Aber Werbung langweilt mich eben."

Heute war Donnerstag, was normalerweise für mich bedeutet, den Stress von der Arbeit zu vergessen und mich bei einem Glas Wein in die süße Welt der Mordopfer zu begeben. Donnerstags liefen die meisten Crime-Serien und gewöhnlich hatte ich diesen Abend in der Woche ganz für mich. Felix stand nicht auf Serien wie The Mentalist, Navy CIS oder CSI, und weil Paul und Jo (unsere anderen beiden WG-Mitglieder) abends eh nie da waren, gehörte der Fernsehr an diesem einen Tag der Woche mir.

Und inzwischen auch Hannah. Schöne, süße Hannah.

Sie war seit Jahren mit Felix zusammen, meiner Meinung nach eine beachtliche Leistung wenn man bedenkt wie er mit ihr umging. Kennen gelernt hatte ich beide, als Felix sich nach einer neuen WG umgesehen hatte - Hand in Hand waren sie durch die Wohnung gelaufen und inspizierten das Zimmer.

Damals war mir nicht aufgefallen, wie schön Hannah eigentlich war.

Und damit meine ich so richtig hinreißend. Erst, als sie vor einigen Monaten über Nacht blieb und sie morgens mit verwuschelten Haaren in der Küche stand, brannte sich ihr Anblick in meinen Kopf. Die hellbraunen Haare standen zerzaust in alle Richtungen ab und sie trug ein Shirt, dass ihr knapp über den Po reichte. Weiß mit schwarzem Print auf der Vorderseite.

Dass dies alles war was sie trug, wurde mir erst bewusst als sie sich streckte um sich das Kaffeepulver aus einem der oberen Schränke zu holen.

In meinen Gedanken war ich diese Szene schon hunderte Male durchgegangen. Ich bildete mir ein, dass sie ihren Blick ebenfalls über meinen Körper hatte gleiten lassen und mich abcheckte. Natürlich hatte sie das nicht, aber das Kribbeln in meinem Bauch war so angenehm, dass ich mir gerne vorstellte sie hätte es doch getan. In meiner Phantasie was dies der Moment, ab dem alles etwas anders ablief und viel weniger unschuldig. In der Realität hatten wir uns gegrüßt, ich trank ein Glas Wasser, sie setzte den Kaffee auf und ich verschwand im Bad. Mein Herz schlug damals so schnell, dass ich mich nach 45 Minuten unter der Dusche noch immer nicht beruhigt hatte.
"Leo?" Ich schreckte aus meinen Gedanken zurück.
"Hm?"
"Es geht weiter."
Ich öffnete die Augen und war zurück in der Realität. Die Welt der Mordopfer wartete auf uns, was viel besser war, als verliebten Gedanken an die Freundin seines Mitbewohners zu verschwenden. Ablenkung war alles. Vor allem, weil Felix kein schlechter Mensch war und ich ihm nicht weh tun wollte. Ich hatte nicht darum gebeten, dass Hannah sich donnerstags lieber mit mir vor den Fernseher setzte als mit ihm.

Die stumpfen Opfer mit Sofa (GL)Where stories live. Discover now