1 || "Nenn es doch Intuition."

40.5K 864 182
                                    

Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich die ganze Zeit nur meine Augen auf ihn gerichtet hatte, meine volle Konzentration nur ihm galt. Seine blonden Haare, die immer etwas aufgestellt waren, ließen ihn heiß wirken und ja – wie heiß er war. Seine blauen Augen, in denen aber auch ein leichter Grünstich zu finden war, ließen es so aussehen, als wäre er ein Unschuldslamm, doch alle wussten, dass dies nicht der Fall war. Er hatte Grübchen an seiner Wange, die ihn süß, aber auch sexy zugleich wirken ließen. Auch wenn ich wollte, konnte ich nicht wegsehen, wenn sich diese zeigten. Meine Augen hafteten schon gefühlte Stunden auf ihm. Er fing an zu lachen, wahrscheinlich wegen eines Witzes, und da sah ich es wieder – das Grübchen, welches mich immer zum Lächeln brachte.

Meine Schwärmerei für ihn wirkte für Außenstehende wahrscheinlich übertrieben – doch für mich war er der perfekte Mann. Er hatte mich schon in seinen Bann gezogen, als ich das erste Mal die Schule betreten hatte. Mitten im Schuljahr hatte ich Schule wechseln müssen - jetzt konnte ich nicht verstehen, warum ich am Anfang so dagegen war. Neue Stadt, neue Bekanntschaften.

Zu Beginn hatte ich es bereut, meine Mutter nicht überredet zu haben in unserem Dorf zu bleiben, doch so hätte ich den blonden und gleichzeitig heißesten Jungen nicht kennengelernt. Hm, kennenlernen konnte ich das wahrscheinlich nicht nennen. Wir gingen in dieselbe Klasse, doch geredet hatten wir nie miteinander, geschweige denn wurde ich von ihm beachtet. Es war aber nicht so, als hätte ich je einen Versuch gestartet mit ihm zu reden. Seit Anfang an wurde ich nur als der Einzelgänger – der komische Neue – bezeichnet. Wirklich gemein waren sie nicht. Was brachte es ihnen auch?

Ich seufzte, als ich meinen Blick endlich abwandte und auf mein Essen starrte. Das widerliche Cafeteriaessen schmeckte noch schlechter als gestern. Manchmal kam mir die Schule so vor, als wäre ich mitten in einen Film geraten – scheußliches Essen, Cheerleader und Footballer auf einem Tisch, die coolen Kids mit dabei und die „Emos", wie sie genannt wurden, irgendwo am Rand der Cafeteria. Da mir der Hunger durch diesen Gedanken jetzt vergangen war, stand ich auf, stellte das Tablett in die Ablage, ging aus der Cafeteria und machte mich auf den Weg zu meinem Spind. Noch eine halbe Stunde bis Sport begann. Schwitzen, sich abmühen beim Laufen mitzukommen und angeschrien werden, das klang nach einem mordsmäßigen Spaß. Wenn da nicht der sarkastische Unterton in diesem Satz wäre.

Als die Türe zur Cafeteria geöffnet wurde, blickte ich von meinem Spind auf. Als ich sah, was sich vor meinen Augen abspielte, konnte ich nicht anders, als das Geschehen zu beobachten, auch wenn es falsch war. Niall. Der blonde Junge, der mir seit zwei Monaten nicht mehr aus den Kopf gehen wollte, küsste – nein schlabberte schon regelrecht – ein Mädchen, welches nur zu gerne seine Spielchen mit ihm spielte und ihre Beine um seine Hüfte schlang, ab. Die Außenwelt schien für beide Personen nicht vorhanden zu sein – Hände fassten unter das Shirt des jeweils anderen und auch leises Stöhnen des Mädchens war zu vernehmen, welches mir regelrecht Schauer einbrachten, die über meinem ganzen Rücken liefen.

Ich bemerkte, wie er sich langsam von ihr löste, ihr noch einmal einen Kuss auf den Mund drückte und dann in Richtung Toilette zeigte. Wäre ich nicht der einzige Junge, der draußen auf dem Gang stand, würde jetzt jeder wissen, dass Niall eine neue Errungenschaft in sein Tagebuch schreiben könnte. Ich blickte durch die Gegend – auf einmal war alles interessanter, als daran zu denken, wie er ein Mädchen am Männerklo flachlegte. Es soll ja schon einmal vorkommen – wieder etwas, was mich an die klischeehaften Filme zurückdenken ließ – dass sich Frau und Mann, wenn sie ihren sexuellen Trieb ausleben wollten, es auf der Toilette in einer Schule trieben. Ach was rede ich mir ein – das alles war doch nur eine Ausrede, während ich gerne, anstatt des Mädchens, heimlich mit ihm verschwinden und die heißesten Fantasien, die ich mit ihm hatte, ausleben würde.

Ich lehnte an meinem Spind, als die zwei wieder aus dem WC kamen. Seine Haare waren komplett zerstört, ihre standen wie wild ab und beide hatten dieses Grinsen, welches mich an das typische „Ich hatte gerade Sex"-Grinsen erinnerte. Doch der Moment zwischen den Beiden wurde bald beendet, denn die Schulglocke würde jeden Moment läuten. So wollte das Mädchen auf gar keinen Fall vor den anderen aussehen – wie würde das denn wirken? Ich schüttelte mit dem Kopf als ich die Szene vor mir sah und drehte mich um.

teach me | ziam/niamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt