Part 47

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Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen oder ärgern soll, dass Justin anstelle von Ian mit Jeremy losgefahren ist, um den Grill auszuleihen. Er hat es zwar nicht damit begründet, aber mir ist klar, dass er wegen mir mitgefahren ist. Seit wir wieder am Strand waren, ist er mir nur aus dem Weg gegangen und hat nicht mit mir gesprochen. Ich habe aber auch keinen Versuch gemacht, von meiner Seite aus mit ihm Kontakt aufzunehmen. Ich glaube, wir haben beide Angst davor, dass der Streit immer größer wird und wir uns am Ende darüber wieder verlieren. Deshalb ist es vielleicht sogar gut, dass er mir aus dem Weg geht. Vielleicht brauchen wir beide einfach etwas Zeit, um uns zu beruhigen und alles mit ein wenig Abstand betrachten zu können. Andererseits ärgert es mich aber auch, dass er nicht wenigstens versucht hat, mit mir darüber zu reden, was im Supermarkt zwischen uns vorgefallen ist. Dass er mir einfach so aus dem Weg geht, ohne den anderen Weg wenigstens einmal auszuprobieren. Natürlich hätte er damit weiteren Streit riskiert, aber ich habe das Gefühl, dass sich auf diese Weise gerade unsere Fronten verhärten und die Stimmung wenn er wiederkommt nur noch eisiger sein wird, als sie sowieso schon war.

Ich sitze auf einem Klappstuhl zwischen den Zelten und schneide Gemüse klein, damit wir nachher außer Fleisch auch noch etwas anderes zum Grillen haben. Von meinem Platz aus habe ich das Meer im Blick, was schön wäre, würden nicht Ian und die beiden Mädchen darin herumplantschen wie zwölfjährige. Er genießt die Aufmerksamkeit, die er von ihnen bekommt deutlich sichtbar und langsam kotzt mich das wirklich an. Ich habe vorhin eine SMS von Clara bekommen. Sie fragt, wie es Jeremy geht und ob Ian noch sehr sauer auf sie ist. Bisher habe ich nicht geantwortet. Was soll ich denn auch schreiben? Dass Jeremy nur noch wie ein Zombie herumläuft, weil er die Liebe seines Lebens verloren und jede Hoffnung aufgegeben hat? Dass Ian sich hier bestens amüsiert und überhaupt nicht mehr an sie zu denken scheint? Denn das wäre die Wahrheit. Oder soll ich ihr schreiben, dass es Jeremy ganz in Ordnung geht und Ian nachdenklich wirkt, als würde er sie vermissen? Das wäre alles andere als die Wahrheit, würde sie aber nicht so sehr verletzen. Warum muss ich eigentlich immer der Überbringer von solchen Botschaften sein? Justin beschwert sich darüber, dass ich mir zu viele Gedanken über die Probleme von anderen Leuten mache, aber was soll ich denn tun, wenn meine Freunde mich immer in diese Dinge hineinziehen? Wenn ich Clara die Wahrheit über Ian sage, verletze ich sie und hintergehe gleichzeitig ihn. Er wäre bestimmt nicht erfreut darüber zu hören, dass ich seiner Freundin zu Hause von seinen Flirtgeschichten hier erzähle. Gerade jetzt, nachdem sie ihn betrogen hat. Andererseits möchte ich sie aber auch nicht anlügen, weil ich dann das Gefühl habe, sie zu hintergehen. Es ist einfach mal wieder alles zum Kotzen und eigentlich kann ich Justin auch nicht übel nehmen, dass er langsam keine Lust mehr auf dieses Ganze Drama hat.

„Na du fleißige Hausfrau!", schreckt mich Jeremy aus den Gedanken, der anscheinend wieder da ist. Ich drehe mich kurz nach hinten, um nach Justin Ausschau zu halten. Er nähert sich unserem kleinen Zeltlager und trägt einen Grill.

„Na fleißiger als zu jedenfalls. Warum hilfst du ihm denn nicht?", wende ich mich an Jeremy. Der zieht nur die Schultern nach oben.

„Wollte ich. Aber er will keine Hilfe. Keine Ahnung, was mit dem los ist. Hat die mieseste Laune überhaupt." Er zieht sich einen weiteren Klappstuhl heran und setzt sich dann neben mich. Ich könnte ihm genau erklären, warum Justin sich so verhält, wie er sich verhält, tue es aber natürlich nicht.

„Ist wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden heute.", antworte ich deshalb nur knapp und deute dann mit dem Kopf in Richtung Wasser, wo Ian gerade versucht beide Mädchen gleichzeitig auf jeweils einer seiner Schultern zu tragen.

„Was hältst du eigentlich davon?", frage ich Jeremy, weil ich unbedingt mit ihm im Gespräch bleiben möchte, damit ich nicht in die blöde Situation komme, mit Justin reden zu müssen, wenn er gleich hier ankommt. Sobald Jer jedoch zu einer Antwort ansetzt, bereue ich meine Frage. Ich möchte ihn natürlich nicht wieder daran erinnern, dass Clara mit Luke geschlafen hat. Aber jetzt ist es bereits zu spät.

„Was meinst du? Dass er sich amüsiert? Ich kann ihm das nicht verübeln. Ihm geht es mindestens genauso dreckig wie mir." Diese Antwort überrascht mich jetzt aber doch.

„Glaubst du echt? Auf mich wirkt er nicht gerade niedergeschlagen."

„Kennst doch deinen Bruder. Der hat es nicht so damit, Gefühle zu zeigen. Vor allem dann nicht, wenn es darum geht, dass er verletzt ist. Aber ich merke, dass es ihm scheiße geht. Dafür kenne ich ihn zu lange, um das nicht mitzubekommen." Er blickt nachdenklich in Richtung Wasser. Die drei sind jetzt aufs Trockene zurückgekehrt und Ian hängt Chloe ein Handtuch um während Lisa sich die Haare abtrocknet. Bevor die drei sich auf den Weg nach oben zu uns machen zieht sich mein Bruder noch seine Klamotten an, womit die beiden Mädchen jedoch keine Zeit verschwenden. Sie haben wohl vor, im Bikini nur eingewickelt in ein Handtuch mit uns zu Abend zu essen. Na das kann ja lustig werden. Ich erwische mich dabei, wie ich die Augen verdrehe, als Justin den Grill direkt vor mir abstellt und dabei nicht auf mich, sondern auf entweder Chloe oder Lisa oder auch beide achtet.

„Ihr seht ja aus, als hättet ihr ordentlich Spaß gehabt im Wasser.", begrüßt er sie, als sie gemeinsam mit meinem Bruder bei uns ankommen und sich jeweils einen Klappstuhl nehmen um sich zu uns zu setzen.

„Ian hat uns echt auf Trab gehalten im Wasser." Chloe schenkt meinem Bruder ein Lachen, das falscher nicht sein könnte und er erwidert es mit einem dreckigen Lächeln, wie ich es eigentlich nur von Justin kenne.

„Du kannst mir je später im Zelt zeigen, was du sonst noch so drauf hast.", erwidert er und anstatt zu kontern, was ich von ihr erwartet hätte, zwinkert Chloe Ian einfach nur zu. Abartig. Ich erinnere mich daran, was Jeremy über meinen Bruder gesagt hat und dass es ihm eigentlich überhaupt nicht gut geht, kann das aber in diesem Moment überhaupt nicht nachvollziehen. Justin hat mich immer noch keines Blickes gewürdigt und setzt sich stattdessen neben Lisa.

„So. Wer will was zu trinken?" Jeremy hat einen Sixpack Bier aus seinem Zelt geholt und setzt sich wieder auf den Stuhl neben mir. Obwohl ich eigentlich ungern beim Essen Alkohol trinke, nehme ich ihm sofort eine Dose aus der Hand. Justins Kindergarten will ich mir wirklich nicht nüchtern geben.

„Auf unsere neuen Freunde.", ruft Justin, als alle ihre Dose geöffnet haben und hält seine hoch in die Mitte. Alle anderen tuen es ihm gleich.

„Auf unsere neuen Freunde.", wiederholen wir seinen Trinkspruch. Das Bier schmeckt fürchterlich bitter, aber ich trinke die halbe Dose in wenigen Zügen aus. Ich möchte einfach nur, dass dieser Abend vorbei ist und ich wünschte, wir hätten die beiden Mädchen nie kennengelernt. Lisa stößt noch einmal extra mit Justin an und die beiden tauschen ein ekelhaftes Lächeln aus. Ich weiß, dass er das extra macht um mich zu provozieren, aber trotzdem kann ich es nicht ignorieren. Sein Verhalten macht mich unheimlich wütend und ich habe eine seltsame Vorahnung, dass dieser Abend alles andere als gut enden wird. 

From Love to Hate? (FHtL Pt2) zur Zeit unterbrochenWhere stories live. Discover now