Kapitel 10

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Das Abendessen verlief von meiner Seite aus schweigend. Ich hörte den anderen aufmerksam zu und lachte an den passenden Stellen, doch einbringen wollte ich mich nicht. Zu sehr hatte mich die Angst im Griff.

,,Also eigentlich redet Greyson am laufenden Band, ich weiß gar nicht, was mit ihm heute los ist!", sagte Mum plötzlich. Ich presste meine Lippen aufeinander, denn ich hasste es, wenn über mich gesprochen wurde.

Du hast ja keine Ahnung Mum... Wenn du mich auch nur fünf Minuten in der Schule sehen könntest, dachte ich mir und lächelte sie dabei an.

,,Bin nur müde", nuschelte ich, ,,ich glaub ich geh ins Bett. Gute Nacht!"

Somit stand ich vom Tisch auf und ging in unser Zimmer. Die Uhr tickte laut in dem sonst so stillen Raum und ich fühlte mich seltsam befreit: Endlich war ich wieder alleine. Gesellschaft war anstrengen.

20:36

Eigentlich zu früh zum schlafen, doch ich war wirklich müde, weshalb ich mich rasch umzog und mir im angrenzenden Bad die Zähne putzte. Ich vermeidete es tunlichst in den Spiegel zu sehen, denn ich wollte mich heute Abend nicht noch weiter unnötig quälen.

Der Raum war dunkel, die Bettdecke warm und flauschig und ich konnte nicht einschlafen. Immer wieder spukte mir der vergangene Tag im Kopf herum und hier und dort blitzte ein braunes Augenpaar auf.

,,Grey? Schläfst du schon?", flüsterte es plötzlich. Ich fuhr erschrocken hoch, hatte ich doch das Geräuschd er aufgehenden Türe gar nicht erst vernommen. Elyas lachte:,,Das heißt dann also nein." Unbarmherzig drückte er auf den Lichtschalter und tauchte das Zimmer in gleißendes Licht, während ich verärgert mir der Zunge schnalzte. ,,Sorry, aber ich muss mich noch umziehen, geht schlecht im Dunkeln. Und außerdem will ich dir mein hervorragendes Aussehen nicht vorbehalten."

Eingebildetes Arschloch.

Entnervt sank ich wieder in das Kissen zurück und starrte an die weiße Decke. Ich hörte, wie Elyas ins Bad trippelte, sich dort die Zähne putzte, zu laut und schief irgendein Lied von Adele vor sich hin sang und dann wieder in das Zimmer kam. Ich setzte mich auf um nach der Wasserflasche rechts neben das Bett zu greifen, als mein Blick auf Elyas fiel. Er hatte sein Shirt ausgezogen und ich starrte nun ziemlich dämlich und mit offenem Mund auf seinen Bauch. Vergessen war mein Durst und alles woran ich denken konnte war der Anblick des oberkörperfreien Elyas.

,,Willst du ein Bild machen? Hält länger", fragte dieser unvermittelt mit einem breiten Grinsen im Gesicht und fuhr dann fort:,,Mund zu, es zieht."

Mir wurde heiß und ich spürte, wie alles Blut in mein Gesicht schoss. Hatte ich gerade wirklich einem Jungen auf den Bauch geglotzt? Und auch noch Elyas? Oh.Mein.Gott!, kreischte mein inneres Ich hysterisch. Dann führte ich meine Bewegung aus und griff nach der Flasche. Als das Wasser meine Kehle hinabrann verschluckte ich mich und begann zu husten. Elyas hatte noch immer ein breites Grinsen im Gesicht.

Nur in Boxer kletterte er auf das Doppelbett und setzte sich neben mich. Zu nah!, dachte ich panisch und rückte ein Stück von ihm weg.

,,Okay, ich habe mir etwas überlegt, vielleicht können wir uns ja ein wenig besser kennenlernen: Jeder stellt abwechselnd eine Frage und der andere muss sie wahrheitsgemäß beantworten, ja?"

Ich zuckte mit der Schulter und nickte dann. Elyas lächelte.

,,Gut, ich fang an. Was machst du so außerhalb der Schule?", fragte er mich dann.

,,Mhm...Gitarre spielen, lesen, mich mit Simon treffen. Du?.", antwortete ich mit leicht krächzender Stimme. Mann war mein Leben langweilig...

,,Also in Berlin war ich im Fitnessstudio. Ansonsten habe ich mich mit Freunden getroffen und Musik gehört. Außerdem liebe ich es zu fotografieren. Nächste Frage: Bist du verliebt?"

Ich dachte nach: War ich denn überhaupt schon einmal verliebt gewesen? Also antwortete ich ehrlich mit einem ,,Nein, ich war es auch noch nie. Du?"

Du stellst aber kreative Fragen!, meldete sich mein Unterbewusstsein gehässig zu Wort. Auch Elyas musste grinsen.

,,Nein, noch nicht.", meinte er dann. Verwirrt sah ich ihn an und hob fragend eine Augenbraue: Noch nicht? Was meinte er denn damit? Verliebte er sich etwa so oft? Doch er winkte mit einer lässigen Handbewegung ab.

,,Warum bist du so...zurückhaltend und schüchtern?"

Diese Antwort war wirklich einfach. ,,Ich weiß es nicht. Was meinst du damit, dass dein Vater ein Arschloch ist?", fragte ich dann, denn ich erinnerte mich an unser Whatsapp-Gespräch.

Nervös fuhr er sich mit einer Hand durch seine Haare und biss sich auf die Unterlippe.

,,Das ist...nicht so einfach. Ich bin müde, lass uns schlafen, ja?"

Etwas enttäuscht nickte ich, doch ich verstand ihn: Es war einfach noch zu früh, sich richtige Geheimnisse anzuvertrauen.

Freak. (boyxboy)Where stories live. Discover now