Kapitel 1

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Das Ungewisse war schon immer ein Problem für mich. Ich hasse Überraschungen und ich hasse Geheimnisse. Ich bin gegenüber Menschen, vor allem denen, die mir sehr nahe stehen, skeptisch. Kann man wirklich jemandem trauen? Was ist, wenn die Person, der du am meisten vertraust, dich hintergeht und du nun alleine dort sitzt?

Ich sitze nun hier im Park auf der Bank neben dem Mülleimer, wo die ganze Geschichte begann. So nimmt das Leben also seinen Lauf.
Noch vor 2 Wochen war ich wahrscheinlich das glücklichste Mädchen auf dieser Welt.
Und jetzt?
Jetzt sitze ich hier und weine mir die Seele aus dem Leib. Es regnet und mir ist kalt. Sollte ich meine Jacke überziehen oder sollte ich darauf warten endlich zu verrecken?
Normalerweise bin ich keineswegs ein Mädchen, was Selbstmordgedanken mit sich trägt. Aber jetzt scheint nichts besser als Sterben.
Ich ziehe mir meine Kapuze über, aber meine Jacke halte ich stets auf meinem rechten Arm. Meine Hände lasse ich in meine Strickjacke gleiten und suche nach meinem Handy. Irgendwo muss es doch sein. Ich springe hastig auf und durchsuche auch meine Hosentaschen, doch keine Spur von meinem Handy.
"Wo verdammt.. ich hab es doch..", ich drehe mich einige Male um meine eigene Achse und betaste meine Hüfte und meinen Bauch. Verwirrt setze mich wieder auf die Bank, ohne mein Handy gefunden zu haben. Dieser Dreckskerl! Nicht nur belogen hat er mich, sondern auch bestohlen. Mein Handy ist mein Heiligtum, nichts ist wertvoller als das, was auf dem Handy abgespeichert ist. Meine ganzen Erinnerungen. Er musste das Handy haben. Ich will aufspringen, doch mir fehlt die Kraft und eigentlich war mir mein Handy im Moment nicht wichtig genug, als dass ich ihn erstmal wieder sehen wollte. Also bleibe ich auf der Bank sitzen. Ich schaue mich ein wenig um und bemerke, dass es damals doch so ganz anders war. Es war zwar Juli, an dem Tag als es geschah, aber der Park hatte sich seither sehr verändert. Mir kommt es so fremd vor. Wie, als wäre ich zum ersten Mal hier und doch schon zum hundertsten. Den ganzen Tag hat es heute geregnet, das fällt mir aber jetzt erst bewusst auf, denn den ganzen Tag drehte es sich eigentlich nur um ihn.

Gestern schrieb er mir eine Nachricht, dass er eine Überraschung für mich hätte.
Er weiß, dass ich Überraschungen hasse, doch ich war trotzdem gespannt was auf mich zukommen würde.
Ich dachte, dass er sich einmal in der ganzen Zeit, wo wir uns kennen sich Mühen geben wollte. Doch da habe ich leider den falschen Eindruck von ihm gehabt. Es war klar, dass wenn er mit Überraschungen ankommt, ich anschließend heulend irgendwo sitzen würde.

So schwer es mir auch fällt mich von der Bank zu heben, stütze ich mich mit beiden Händen auf der Sitzfläche ab und drücke mich hoch. Ich stehe wackelnd auf beiden Beinen und versuche meine Balance zu halten, doch es gelingt mir nicht. Immer wieder Kippe ich leicht zur Seite und fange mich dann wieder selber auf. Zu schwach. Dieser Kerl macht mich fertig. Er verdient es eigentlich nicht, einen Gedanken an ihn zu verschwenden. Ich hasse ihn. Diese Worte kommen so plötzlich in den Sinn. Eigentlich habe ich ihn geliebt, aber es fühlt sich gut an zu sagen, dass ich ihn hasse.
"Ich hasse ihn", flüstere ich leise vor mich hin.
"Ich HASSE ihn", ich schreie es nun förmlich und Kippe bei der Wucht ein wenig nach vorn. Ich balle meine Fäuste und mache mich Schritt für Schritt auf dem Weg zu mir nach Hause. Dort, wo mich keiner erwartet. Dort, wo ich viele Erinnerungen mit ihm gelassen habe. Sei es im Bett, auf dem Balkon oder auf der Couch im Wohnzimmer. Ich muss würgen bei dem Gedanken, dass er mich einmal auf der Couch ganz unerwartet geküsst hatte. Seit dem dreht sich mein Magen in jede Richtung. Damals vor Schmetterlingen und Heute vor Übelkeit.

Es ist Abend und ich bin fast alleine auf den Straßen von Duderstadt. Die Straßenlaternen flackern schon auf und der Regen verstärkt sich. Ab und zu fährt ein Auto neben mir her und ein paar Jugendliche rennen von irgendwelchen Partys auf die Straße zur nächsten Bushaltestelle. Ein Mädchen stolpert mit einem grösseren und gut aussehenden Mann aus einer kleinen Disko.
Wirklich groß Party machen, konnte man hier eigentlich nicht. Aber irgendwie schafften es die 16-,17-Jährigen immer wieder betrunken am Samstag Abend durch die Gegend zu torkeln. Ich laufe weiter und behalte das Mädchen im Auge, die sich gerade an dem Mann abstützt, weil sie ihr Gleichgewicht nicht unter Kontrolle hat. Ich kann das Gesicht das Mannes nicht genau erkennen, nur einzelne Züge lassen mich auf einen Mann von zirka 20 Jahren schätzen. Er packt das Mädchen an ihrer Hüfte und zerrt sie in eine Richtung. Ich sehe am Gesicht des Mädchens, dass sie verzweifelt und hilflos ist. Möglicherweise wegen ihm? Ich bleibe stehen und beobachte weiter das Szenario. Vielleicht aber will er ihr gar nichts Böses? Gehe ich gleich von jedem Typen aus, dass er seine Freundin verletzen will? Aber was ist, wenn der Mann das Mädchen wirklich nicht kennt und die Gelegenheit ihres Vollrausches nutzt, um sich an ihr zu vergehen. Ohne meinen Willen, setzen sich meine Beine in Gang. Sie steuern direkt auf die beiden zu. Der Mann hat das Mädchen mittlerweile ein Stück weiter getragen. Sie sind fast an der Hauswand der Disko angelangt. Er drückt sie ein Stück weiter nach hinten an die kalte Wand und presst sich ganz dicht an sie. Meine Beine werden schneller und erreichen die andere Strassenseite. Das Mädchen guckt mittlerweile hilflos in alle Richtungen, unfähig etwas zu sagen, geschweige denn zu schreien. Ihr Blick fällt auf mich, während der Typ ihre Beine befummelt und ihren Hals küsst. Seine Hand wandert weiter ihren Körper entlang während die andere Hand fest auf ihre Brust gepresst ist. Ich weiß nicht was ich tun soll. Was ist, wenn er bewaffnet ist? Meine Hand streckt sich und greift nach dem Typen. Ich schubse ihn von ihr und brülle ihm ins Gesicht, dass er sie gefälligst in Ruhe lassen soll.
Das Mädchen fällt zu Boden und liegt dort nahezu komatös.
"Verpiss dich!", schreie ich den Typen an, doch der bewegt sich kein Stück. Er grinst, doch sein ganzes Gesicht kann ich nicht erkennen.
"Was willst du? Arschloch", ich schaue zu dem Mädchen runter. Ich bücke mich um ihr auf zu helfen.
"Dich", sagt er mit einer perversen sexy Stimme.
"Ich glaube, da bist du bei mir an der falschen Adresse. Solche Anmachen funktionieren vielleicht bei deiner Oma.", hätte ich das sagen sollen?
Er dreht sich weg, lacht kurz laut auf und läuft über die Straße.
Was war das denn? Hat der sich gerade einfach umgedreht und ist weg gelaufen? Ohne dem Mädchen zu helfen?
"Arschloch", presse ich leise heraus. Ich widme mich wieder dem Mädchen und versuche sie wach zu rütteln, doch sie ist kaum ansprechbar. Was soll ich nur tun? Ohne Handy, ohne jegliches Wissen über Erste Hilfe? Den letzten Erste-Hilfe-Kurs habe ich mit 10 gemacht in der 5. Klasse. Das ist aber auch schon 15 Jahre her. Panisch rüttle ich an ihrer Schulter. Zu meiner Erleichterung macht sie ihre Augen leicht auf.
"Hey, kannst du mich hören?", sie nickt kaum merklich.
"Ich muss dich ins Krankenhaus bringen. Weißt du was und vor allem wie viel du getrunken hast?", sie schüttelt ihren Kopf und presst ein leises "bitte keinen Krankenwagen" heraus.
Ich überlege. Was ist, wenn sie eine Alkoholvergiftung hat? Oder irgendwas anders? So viele Fragen ? Hat sie Drogen genommen? Wie viel hat sie getrunken? Wieso kein Krankenwagen?

Ich überlege. 

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⏰ Last updated: Mar 03, 2017 ⏰

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