Willkommen im »The Green Grove«

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Am Ende der Kingsley Road Nr. 6 liegt es: The Green Grove. Mit seinem Efeu überwucherten Mauerwerk aus rotem Ziegel und dem Charm einer heruntergekommenen Straßenkneipe thront es dort schon seit fast über hundert Jahren im Herzen von London.

Das Pub wirkt nicht gerade einladend auf Touristen. Vielleicht liegt das an dem verblichenen Aushängeschild, das schief über der Tür hängt. Die verwaschenen Buchstaben darauf die einst in einem tiefen Emeraldgrün vor langer Zeit kunstvoll auf das dunkle Holz geschrieben worden waren, glichen nur mehr einem billigen Gartenzaungrün. Wahrlich kein Ort um als Fremder dort einzukehren.

Auch an diesem sommerlichen Spätnachmittag, an dem die Sonne vom wolkenlosen Himmel strahlte, war das The Green Grove leer. Die wenigen Touristen die sich in die Kingsley Road verirrten, musterten das alte Pub nur. Die rostigen, schmiedeeisernen Sessel und Tische vor ihm, waren zum Teil umgeworfen oder  von den gierigen Efeuranken überwuchert worden. So oder so, fand man hier keine Sitzgelegenheit im Freien. Es schien, als wollte der Besitzer das man das The Green Grove betritt.

Der Pflasterstein der Kingsley Road war uneben, so dass Anna Clarkson, eine junge Studentin aus Yorkshire, unbeholfen mit ihren dunkelblauen Pumps dahin torkelte. Sie war nicht die Art von Frau, die oft, geschweige den gerne, Schuhe mit hohen Absätzen trug. Um ehrlich zu sein, gehörten die Schuhe nicht einmal ihr, sondern ihrer Freundin Clara. Es war eine echte Schnapsidee gewesen sie zu ihrem ersten Date zu tragen.

Schon alleine deswegen, weil sie viel zu klein waren. Ihr erstes Date, schoss es Anna durch den Kopf und erinnerte sie, dass auch das Claras Idee gewesen war.  Anna war im Julie gerade mal zwanzig geworden und ihre beste Freundin hielt das anscheinend für höchste Zeit um endlich männliche Bekanntschaften zu schließen. Und siehe da, hier war Anna, vor dem The Green Grove Pub. Überrascht blieb sie stehen und holte den Zettel mit der verabredeten Adresse aus ihrer Handtasche.

»Das kann nicht Claras Ernst sein«, murmelte sie und nahm ihr Handy zur Hand. Hastig suchte sie Claras Nummer aus der Kontaktliste und wählte das grüne Symbol. Sofort nach dem ersten Klingeln nahm Clara ab. »Hast du dich etwa verlaufen?«, fragte sie neckisch »Nein«, gab Anna knapp zurück und blickte skeptisch auf das verblichene Aushängeschild. »Es ist nur... ist die Adresse wirklich richtig? Ich meine...« »Ja das ist sie«, unterbrach sie Clara.

»Das ist die Adresse die mir dieser Dorian auf Facebook 1gegeben hat«, versicherte sie. Anna seufzte »Denkst du wirklich, dass er es ernst gemeint hat?« »Was?«, Anna ließ den Zettel wieder in ihrer Tasche verschwinden. »Das er mich treffen will«, Anna wandte sich um und sah die Straße hinunter. »Das Pub ist ziemlich heruntergekommen. Es wirkt, als würde es geschlossen haben«.

Clara lachte am anderen Ende der Leitung. »Anna, das ist ein echtes englisches Pub mitten in London. Die sehen alle so aus. Warte erst, bis du drinnen bist« »Ich bin mir nicht sicher, ob es Innen besser wird«, sagte Anna und fuhr mit dem rechten Fuß einen Riss im Pflasterstein nach. »Ach übrigens, deine Schuhe sind die reinste Hölle. Wie kannst du mit den Dingern nur richtig gehen« »Jahrelange Übung Anna. Ich werde dich auch noch soweit bringen, dass du nicht wie eine unbeholfene Ente aussieht, wenn du sie trägst«.

Anna musste lächeln, auch wenn Clara ziemlich verrückt war mochte sie ihre Mitbewohnerin und Freundin mehr als jeden andere Menschen der nicht mit ihr verwandt war. »Siehst du Dorian schon?«, wechselte Clara das Thema »Nein, aber ich bin ja auch zehn Minuten zu spät. Er wartet bestimmt schon drinnen«

»Dann solltest du jetzt auflegen und rein gehen«, schlug Clara vor und kicherte wie ein Schulmädchen. »Dann bis später Clara«. Anna legte auf, verstaute ihr Handy wieder in der Tasche und atmete einmal tief durch. Unsicher strich sie sich ihr geblümtes Sommerkleid zurecht. »Du schaffst das Anna«, versicherte sie sich selbst halblaut und legte ihre Hand auf das kalte Metall der Türklinke. Mit einem mulmigen Gefühl betrat sie das halbdunkle Innere des The Green Grove.

[Ende der Leseprobe]

The Green Grove - LeseprobeWhere stories live. Discover now