Das Tier lag verkrümmt auf dem Boden. Drei Männer hievten das Motorrad in den Laster. Die Frauen knieten neben dem bewusstlosen jungen Mann. Ihre Hände waren auf dem Rücken gefesselt. Die Asiatin, die sich hinter der Toilettenanlage versteckt hatte, wurde von einem der Männer nach vorne getrieben und zu den anderen gestoßen. Gepäckstücke wurden aus den Fahrzeugen entladen und in den Laster gebracht. Die Männer stiegen wieder in ihre Autos. Ein Mann nahm sich den größeren Wagen der Frauen. Die Asiatin rannte zu dem Fahrzeug. Jana verstand nicht, was sie sagte, doch einer der Typen schnitt ihr lachend die Fesseln durch und schubste sie in das Auto. Kurz bevor sie abfuhren, stieg ein anderer wieder aus. Jana vermutete, dass er die Gefesselten bewachen sollte. Nachdem seine Gefährten abgefahren waren, zündete er sich eine Zigarette an, ging auf das junge Mädchen zu und versetzte ihr einen Tritt.
Jana schob die Leiter vorsichtig nach hinten. In ihren Ohren klang das Manöver überlaut, doch die Personen auf dem Rastplatz schienen nichts zu hören, was vielleicht auch an dem Weinen der Frauen lag. Vorsichtig kletterte Jana nach unten und schlich sich um das Gebäude. Der Mann war damit beschäftigt, der jungen Frau, deren gefesselte Arme er an einen Pfahl gebunden hatte, die Hosen hinunterzuziehen.
»Lass sie in Ruhe und nimm die Hände hoch!« Janas Stimme zitterte.
Der Typ drehte sich um, spuckte die Zigarette aus und grinste. »Willst du auch drankommen? Mädel, dass du nicht schießt sieht ein Blinder!« Er lachte, während er die Arme ausbreitete. »Schau Schnucki, ich zittere vor Angst!«
Jana schluckte. Der Kerl kam langsam auf sie zu. »Komm, gib Papi das Gewehr!«
Sie schloss die Augen und betätigte den Abzug. Der Rückschlag schmerzte.
»Scheiße!« Der Mann zuckte zusammen. »Verdammte Fotze!«
Sie hatte auf seine Beine gezielt, aber anscheinend nicht getroffen, denn er kam weiter auf sie zu, doch bevor er sie erreichte, sackte er zusammen. Noch bevor sie den sich rasch vergrößernden dunklen Fleck über seiner Hose sah, ahnte sie, dass ihm nicht mehr zu helfen war.
Das junge Mädchen schaute sie mit weit aufgerissenen Augen an. Sie eilte zu ihr und zog ihr die halb heruntergezogene Hose hoch, bevor sie die Fesseln mit dem Messer zerschnitt. Während sich das Mädchen die Handgelenke rieb, löste sie die Fesseln der anderen Frauen.
»Diese Typen kommen sicher wieder. Wir sollten verschwinden.«
Das Mädchen nickte. Ihr Begleiter, der niedergeschlagen wurde, lebte, war aber bewusstlos. Jana wies die Frauen an, ihn in ihr Auto zu legen. Danach quetschten sie den Erschossenen in den Kofferraum.
»Ich muss nur noch schnell etwas klären, bevor wir losfahren.« Jana wählte Gerd an, der auch gleich abnahm. Er nannte ihr Ort und Treffpunkt, die sie  mit Kuli auf ihren Arm schrieb, gab ihr Tipps für die Fahrt und eine Liste von Gegenständen, die sie für ihn besorgen sollte.
Das Mädchen hatte inzwischen eine Decke aus ihrem Auto genommen, in die sie ihren Hund einschlug, bevor sie ihn auf den Boden vor der Rückbank ihres Wagens legte. Jana, die mit einem Ohr ihrem Onkel zuhörte, überlegte, ob das Tier vielleicht doch noch lebte.

Die Fahrzeuge waren bereit, als Jana das Gespräch abbrach.
»Wohin fahren wir?« , fragte das Mädchen misstrauisch.
»Ich habe eine sichere Unterkunft, dort seid ihr erst einmal in Sicherheit, aber wenn ihr wollt, könnt ihr auch woanders hin. Ihr müsst mich nicht begleiten.« Jana stieg in ihren Fiat. Das Mädchen setzte sich neben sie.
»Wir fahren jetzt als Geisterfahrer auf der Autobahn, folgt mir einfach.«, rief Jana den anderen zu. Dann fuhr sie an. Das andere Auto folgte ihr.

Sie fuhren etwa zwölf Kilometer, bis zu einer Abzweigung, die sie vor einer Woche getestet hatte. Noch bevor sie zum nächsten Rastplatz kamen, hielt sie vor einer Brücke an.

»Wir sollten euer Auto hier entsorgen, dann werden sie nicht überall nach euch suchen. Herunterklettern und Nachsehen werden sie sicher nicht. Die Schlucht ist zombieverseucht.  Ich kann euch später ein anderes Fahrzeug geben, ich habe genug zur Auswahl.«
Die Frauen diskutierten kurz, dann holten sie den jungen Mann und  den Hund aus dem Wagen und hievten den Erschossenen auf den Fahrersitz. Nachdem sie das Fahrzeug im Leerlauf in Startposition gebracht hatten, schob Jana es mit ihrem Fiat an. Sie brauchte zwei Versuche, bis der Wagen genug Schwung hatte und die steile Böschung hinunter krachte. Er überschlug sich und hing dann, etwa zwanzig Meter weiter unten, im steilen Geröll. Die Vorderfront wippte gefährlich, ein Windhauch und der Wagen würde weiterfallen. Jana wollte darauf nicht warten.
»Deinen Fiat hat es auch voll erwischt!«, bemerkte das junge Mädchen.
Jana zuckte mit den Schultern. »Egal. Hauptsache er fährt noch, wir müssen hier weg, den Krach hat man sicher kilometerweit gehört. «
Der junge Mann auf ihrer Rückbank stöhnte, als die beiden älteren Frauen sich zu ihm quetschten. Das Mädchen setzte sich wieder neben sie, nachdem sie ihren Hund vorsichtig in den Kofferraum gelegt hatte.

Jana fuhr bis zur nächsten Abfahrt und dann über Feldwege zurück. Sie war froh, sich die Gegend so gut eingeprägt zu haben, denn die offiziellen Straßen mussten sie meiden. Immer noch kannte sie nicht alle Fallen, die die Dorfbewohner angelegt hatten.

Noch bevor sie ankamen, erfuhr Jana, dass die beiden Frauen, Lisa und Irene, Mutter und Oma von Marie, so hieß das Mädchen, waren. Der Junge, Sascha, war ihr Schulfreund. Ihre Begleiterin, die mit den Männer mitgefahren war, kannten sie noch nicht lange.

Marie hoffte, ihr Hund wäre nur bewusstlos. Wenn sie von ihm redete, liefen ihr Tränen die Wangen hinunter.

Der Wagen, völlig überladen und durch das Manöver stärker beeinträchtigt als gedacht, fing an zu stottern. Etwa hundert Meter vor dem Ziel trat Wasserdampf aus. Jana war froh, dass es der Fiat zumindest bis in das Dorf geschafft hatte. Sie holte eine Karre und gemeinsam brachten sie erst den jungen Mann und dann den Hund in das Haus. Bella versteckte sich winselnd unter dem Bett, während sich die Frauen um den jungen Mann kümmerten.
Der Hund war tot. Der Junge, Jana schätzte ihn auf höchstens achtzehn, kam stöhnend zu sich.
»Schwere Gehirnerschütterung. Das Beste ist, wenn er liegen bleibt.« Lisa, die Mutter der jungen Frau kannte sich aus. Sie war Krankenschwester, wie Jana.
Die Ältere saß zitternd im Sessel. »Wir wollten auf einen Hof. Selbstversorgung. Das Gelände dort ist extra dafür verbereitet. Doch der Weg war nicht passierbar, wir haben uns total verfahren und der Hubschrauber, der uns im Notfall dorthin bringen sollte, war nicht mehr da!« Sie weinte. »Wenn Sie uns nicht gerettet hätten, junge Frau, diese Typen, die hätten uns umgebracht!«
»Naja«, Jana räusperte sich, ich glaube nicht, dass die euch umgebracht hätten.« Dafür bin ich jetzt eine Mörderin, fiel ihr ein, aber diesen Gedanken wischte sie schnell zur Seite.
»Doch, die haben uns gedroht! Mich auf jeden Fall, ich bin zu alt, um für solche Gestalten nützlich zu sein. Und Sascha haben sie völlig grundlos niedergeschlagen.«
»Sascha wird wieder. Ich habe seine Pupillen kontrolliert, die Reaktion ist normal. Er hat wahnsinnige Kopfschmerzen, aber ein paar Tage Ruhe und er ist wieder der Alte!« Die Stimme von Maries Mutter klang bestimmt. Sie schaute erst zu Irene, bevor sie sich an ihre Tochter wandte. »Um den Hund tut es mir leid. Wir werden ihn begraben.«
Jana runzelte die Stirn. »Das solltet ihr bald machen. Und so tief wie möglich. Hier sind ein paar Wildschweine im Ort, die buddeln ihn sonst wieder aus.«
Sie öffnete die Tür zum hinteren Garten. »Hier war die Rotte bisher noch nicht. In der Ecke steht eine Schaufel. Ich mache jetzt Essen und dann können wir überlegen wie es weitergeht. Seit etwas mehr als zwei Monaten lebe ich jetzt ganz allein hier. Vorräte gibt es noch genug. Wasser und Strom leider nicht immer, doch im Garten ist eine mechanische Grundwasserpumpe und dieses Haus hat einen Kachelofen. Ihr könnt also gerne bleiben. Ich erkläre euch alles, doch in spätestens zwei Tagenmuss ich  fahren. Ich habe eine Verabredung in Hannover.
Es gibt hier Fahrzeuge, falls ihr nicht bleiben, sondern euren Hof doch noch suchen wollt. Ich kann euch Karten geben, von der Umgebung hier. Und Bella«, sie streichelte das Tier, das sich inzwischen herausgewagt hatte. »Bella bleibt vielleicht auch bei euch.«

Infektion 0Where stories live. Discover now