Kapitel 4 - Ian

12 1 1
                                    

Nach der eigenartigen Begegnung mit Kara ging ich erstmal wieder in mein Zimmer. Nach all den Jahren hatte ich Kara glatt vergessen. Als Kinder hatten wir zusammen gespielt, wenn ihre Eltern zu tun hatten und sie und ihr Bruder Noah bei uns waren. Wir waren früher sehr gut befreundet gewesen. Was Noah jetzt wohl so machte?

Je länger ich über sie nachdachte, desto weniger wollte mir Kara aus dem Kopf gehen. Mich interessierte es brennend, wie es ihr und ihrer Familie ging und ob Kara sich stark verändert hatte oder immer noch die Alte war. Natürlich hatten wir uns nur als Kinder gekannt, aber manche Eigenschaften behält man doch für sein ganzes Leben. In diesem Moment musste ich unwillkürlich an ihr fröhliches Lachen denken, wenn Noah und ich uns gegenseitig geärgert hatten. Und an ihre niedlichen Grübchen. Warum ging sie mir nicht aus dem Kopf? Und warum musste ich gerade die ganze Zeit an sie denken? Vermutlich lag es nur daran, dass wir uns seit elf Jahren nicht mehr gesehen hatten, nachdem ich mit zwölf auf ein Internat gegangen bin.

Ich beschloss, meine Mutter zu suchen und sie ein bisschen auszufragen. Als ich sie schließlich im Garten hinter dem Haus fand, wie sie Unkraut zwischen den Rosensträuchern jätete, gesellte ich mich zu ihr und ging wie sie in die Hocke. Sie drehte sich zu mir um, während ihre Hände noch in den Rosensträuchern vergraben waren, was wohl keine so gute Idee war, denn kurz darauf schrie sie: "Aua! Diese verdammten Dornen!" und rieb sich anschließend die rechte Hand. Dann bemerkte sie wieder, dass sie nicht allein war und meinte ganz schnell: "Oh, entschuldigung für die Kraftausdrücke, aber die Rosen können manchmal wirklich lebensgefährlich werden." 

Ich lachte. "Mom, du musst aufpassen. Und hat dir Dad nicht schon öfters gesagt, du solltest Handschuhe anziehen, wenn du im Garten rumhantierst?"

Mit heruntergezogenen Mundwinkeln schaute sie mich an. "Ja ja, aber ich hasse diese Handschuhe. Danach riechen meine Hände wie billiges verseuchtes Plastik." Sie zog eine Grimasse, um ihren Ekel noch zusätzlich zu unterstreichen. "Wie auch immer. Brauchst du was, Ian?", fragte sie mich mit einem warmen Lächeln.

"Ich wollte dich fragen, ob wir die Bakers nicht mal zum Abendessen einladen könnten?" Die Idee war aus dem Nichts enstanden und bevor ich auch nur darüber hätte nachdenken können, war sie auch schon ausgesprochen. Bereuen tat ich es jedoch nicht, denn es erschien mir gar nicht so blöd. Dann hätte ich eine Möglichkeit, mit Kara zu reden. Vielleicht würde ja auch Noah kommen.

Mom sah mich erst erstaunt an, jedoch verwandelte sich ihr Blick in kurzer Zeit in Freude und Euphorie. "Das ist eine wundervolle Idee! Ihr habt euch schon lange nicht mehr gesehen und Anne redet immer davon, wie gern sie dich mal wieder treffen würde!" Anne war Karas Mutter. "Ich rufe sie gleich an!" Damit stand sie auf und stürmte ins Haus.

Nun, da das erledigt war, verspürte ich das Bedürfnis nach ein bisschen Bewegung. Ich eilte in mein Zimmer, um mir lockere Sachen und Turnschuhe anzuziehen und machte mich anschließend auf den Weg in den Park in der Nähe unseres Hauses. Mit entspanntem Tempo joggte ich durch die Straßen und sog die ganze Umgebung, die ich so vermisst hatte, nur so in mich auf. Die altbekannte Nachbarschaft, in der meine früheren Freunde und Feinde gelebt hatten. Das Haus von Karas Familie sprang mir natürlich besonders ins Auge, jedoch wollte ich mich nun etwas von ihr ablenken.

Nach einer Weile war ich im Park angekommen, der von einem schmalen kleinen Fluss durchzogen wurde. Ich lief daran entlang und genoss das wunderbare sonnige Wetter, während ich Kindern beim Spielen und zahlreichen Hunden beim Herumtollen begegnete und die Enten im Wasser beobachtete. Trotz der Menschen war es hier ruhig und entspannt, so von Bäumen umringt und der puren Natur ausgesetzt.

Plötzlich hörte ich eine Stimme, die mir erschreckend bekannt vorkam. "Samy, Suri, lasst die Enten in Ruhe! Die Armen haben euch doch nichts getan!" War wohl nichts mit der ersehnten Ablenkung.

Ich blieb stehen, sah mich um und nach kurzer Zeit entdeckte ich erstaunlicherweise Kara, die am Flussufer stand und versuchte, ihre zwei Hunde - ich vermutete zumindest mal, dass es ihre Hunde waren - dazu zu bewegen, von den Enten weg zu kommen, die bereits aufgeregt mit den Flügeln schlugen und einen Fluchtversuch starteten.

Belustigt sah ich ihr zu, denn sie schien nicht viel Efolg mit ihrer Taktik zu haben. "Kann ich dir irgendwie behilflich sein? Deine Hunde scheinen nicht gerade so, als würden sie auf dich hören wollen."

Mit einem erschrockenen Ausdruck auf dem Gesicht drehte sie sich um und blickte mich an. Wieder fielen mir ihre schönen blau-grauen Augen auf. Die Augen, die mich an unsere Kindheit erinnerten.

Als sie mich erkannte, wich dem Erschrockenen ein leichtes Lächeln. "Zweimal an einem Tag. Verfolgst du mich Ian oder ist das nur Zufall?" Sie lachte ihr herzliches Lachen, das ich ebenfalls von früher kannte - sie besaß es also immer noch.

"Vielleicht verfolgst auch du mich.", konterte ich. Doch Kara widerlegte meine Aussage schnell wieder. "Ich war aber zuerst hier, das würde keinen Sinn ergeben.", meinte sie.

"Naja was soll's. Brauchst du nun Hilfe oder nicht?"

Sie  hatte ihre Hunde in der Zwischenzeit wohl ganz vergessen, denn blitzschnell drehte sie sich wieder um und schrie wieder nach ihren Hunden Suri und Samy. Nebenbei bemerkte sie: "Ein bisschen Hilfe wäre wohl nicht schlecht."

Nach nur wenigen Sekunden war meine Sporthose bis zu den Knien durchnässt, da ich in den Fluss musste, um die Hunde von den Enten wegzuscheuchen, aber immerhin waren die zwei Schlingel nun aus dem Wasser draußen und tollten wieder im Gras herum.

Kara sah mich dankbar an. "Das hättest du doch nicht machen brauchen. Du bist ganz nass!"

Ich war inzwischen schon dabei, wieder meine Socken und Schuhe anzuziehen, die ich am Ufer  gelassen hatte, bevor ich einen Ausflug ins kühle Nass machte. "Einer alten Freundin helfe ich doch gern."

Sie lächelte mich an und sofort zogen sich auch meine Mundwinkel nach oben. Ein schöner Moment voller schöner Erinnerungen. "Ich bin froh, dass du wieder da bist. Auch wenn es etwas länger gedauert hat, als erwartet.", meinte sie.

"Ich bin auch froh darüber.", erwiderte ich mit einem Grinsen. "Wir haben einiges nachzuholen. Elf Jahre sind wir schon im Verzug."

"Solange du nicht gleich wieder abhaust, werden wir genug Zeit dafür haben."

Ich bemerkte den traurigen Unterton in ihrer Stimme. Hatte sie mich vermisst?

"Ich werde nicht abhauen.", versprach ich und fügte anschließend hinzu: "Also dann, ich muss los. Wir sehen uns aber irgendwann in den nächsten Tagen beim Abendessen wieder! Bis dann!"

"Hey, was meinst du damit?", rief sie mir hinterher, als ich schon losgelaufen war.

"Wirst schon sehen!", warf ich mit einem Grinsen zurück und sah noch ihr verdattertes Gesicht, bis sie hinter den Bäumen verschwand.

Naabot mo na ang dulo ng mga na-publish na parte.

⏰ Huling update: Mar 19, 2017 ⏰

Idagdag ang kuwentong ito sa iyong Library para ma-notify tungkol sa mga bagong parte!

So fern und doch so nahTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon