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»Die Ärzte sollten gleich hier sein«, meinte unser Trainer. »Großes Lob, Finn. Deine Reaktion und die erste Hilfe, ich hätte es nicht besser machen können«, lobte er Finn.

»Ardy, hörst du mich«, fragte Sarah und strich mir über die Wange. Erschöpft nickte ich. »Nicht einschlafen, Ardy. Bleib bitte bei uns, bis du auf der Krankenstation bist«, mahnte mich mein Trainer. Mit letzter Kraft blieb ich wach, bis endlich die Ärzte kamen.

Später im Krankenhaus musste ich mich hunderten Untersuchungen unterziehen, bis ich endlich in ein Zimmer gebracht wurde. Ich war so erschöpft, dass ich nicht einmal mehr panisch wegen der Spritzen werden konnte. »Herr Bora. Da sie stark untergewichtig sind, müssen Sie für eine Woche hierbleiben und bekommen von uns künstlich Nahrung, über eine Sonde in der Nase, de wir Ihnen morgen legen werden. Desweiteren werden wir Ihre Therapeutin über Ihre Magersucht in Kenntnis setzen und hoffen, dass Sie die Therapie von jetzt an nicht mehr verweigern«, ratterte der Arzt monoton herunter.

Innerlich verdrehte ich die Augen. Es ging ihn nichts an, was ich verweigerte und was ich annahm.

Mir kam Lenas Gesicht wieder in den Sinn. Wie sie vor mir stand und mir Vorwürfe machte. Vorwürfe über einen Absturz, den sie hervorgerufen hatte. Aber sie sprach in meiner Erscheinung auch über den Brief, den sie mir geschrieben hatte und dass sie wusste, wie viel unrecht sie mir angetan hatte. Aber war diese Erscheinung echt? Oder war es eher ein Streich von meinem Unterbewusstsein?

Doch ich fühlte mich erleichtert. Ich fühlte mich frei, als hätte ich damit abschließen können. »Ardy, worüber denkst du nach?«, fragte Sarah sanft. Ich schaute sie müde an. »Ich glaube, ich habe mit Lena abgeschlossen«, flüsterte ich und spürte erst jetzt, wie schwer mir das Atmen fiel und wie sehr mein Hals schmerzte.
Sarah sah erfreut zu Finn, der ebenso erleichtert zu ihr schaute. Doch beide wurden schnell wieder ernst. Aus eigener Erfahrung wollten sie sich nicht zu viele Hoffnungen machen. In guten Momenten sagte man viel, was man später nie einhielt. Und nun kam ich mir ebenfalls dumm vor, das gesagt zu haben. Wenn ich später aufwachte, würde ich bestimmt immer noch den Kopf in den Sand stecken und mich gehen lassen. Doch tief in mir konnte ich fühlen, dass ich abgeschlossen hatte und weiterleben wollte. Dass ich mich zurück ins Leben kämpfen wollte.

Sarah erhob sich langsam von ihrem Stuhl und nickte Finn zu. Er verstand und sie verabschiedeten sich von mir. Kurz bevor sie den Raum verließen, hielt ich die beiden auf. »Könnt ihr Taddl zu mir schicken?«, fragte ich sehnsüchtig. Ich wollte ihn unbedingt sehen. Missmutig stimmten die beiden ein. Ich wusste, sie mochte Taddl nciht besonders. Vor allem seit er mir die letzten Wochen immer mehr in den Rücken fiel.

Kaum waren sie weg, fiel ich in einen traumlosen, tiefen Schlaf.

Boot camp | TardyWhere stories live. Discover now