22. Türchen

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Maya fand die Idee klasse. Pearl noch viel mehr. Und Larry fand sowieso Gefallen an allem, was die Mädchen planten. Maggeys Begeisterung zeigte sich durch das Funkeln in ihren Augen, das während des gesamten Weges anhielt. Der Einzige, der (ausnahmsweise) ein ganz kleinwenig rational dachte, war Gumshoe. Ihm war nicht wirklich ,klar, was er von alledem halten sollte. Zwar war die Idee an sich schon nicht schlecht, doch ausgerechnet bei DIESER Person würde er das auf keinen Fall machen… so viel Hirn besaß selbst er. Allerdings konnte er den Damen (und dem Butz) keinen einzigen Wunsch ausschlagen und so hatte er sich letzten Endes doch dazu bereiterklärt, sie zu begleiten.
Nervös sah Gumshoe sich um und betrachtete die feinen Schneeflocken, die auf sie herabrieselten. Überall duftete es nach Zimt, Räucherkerzen und Plätzchen. Wirklich weihnachtlich eben. Er liebte die Weihnachtszeit. Wenn er etwas Geld übrighatte, kaufte er sich Spekulatius und Lebkuchen. Er liebte das. Er liebte Süßigkeiten an sich, was man schnell merkte. An Instantnudeln hatte er sich inzwischen einen Ekel gefressen, doch er hatte keine andere Wahl, als sie zu essen. Vor allem, wenn er sich etwas Geld für Lebkuchen und Plätzchen zur Seite legen wollte. Vor allem wollte er Maggey etwas zu Weihnachten schenken. Und dafür brachte er natürlich Geld. Also war es ein wirklich schlechter Zeitpunkt, um die Ernährung umzustellen.
Die kleine Pearl lachte erfreut auf, als die ersten Schneeflocken sich in ihrem Haar verfingen, drehte sich mit ausgestreckten Armen im Kreis und strahlte einfach. Es war so ein unschuldiges Aussehen, so ein unschuldiger Moment, wie er nur von einem kleinen Mädchen verbreitet werden konnte. Ihr glockenhelles Lachen erfüllte sein Herz und vertrieb die Sorgen wegen dem herannahenden Fest. Sogar die Sorgen auf das baldige Aufeinandertreffen mit einer gewissen Person wurden dadurch abgeschwächt. Als sie auch noch den Mund öffnete und kicherte, als die weißen Flocken auf ihrer Zunge zerliefen, konnte er sich nicht mehr beherrschen und streckte ebenfalls die Zunge heraus. Ein kurzes Lachen kam auch ihm über die Lippen, als die kühlen Schneeflocken auf seiner Zunge zu schmelzen begannen. Auch Maya machte mit und sie alle genossen die wenigen kleinen Schneeflocken, die auf sie hinabrieselten. ‚Wird auch langsam mal Zeit‘, dachte Gumshoe für sich. ‚In ein paar Tagen ist Heilig Abend und es hat bis jetzt nur ein einziges Mal auch nur ein wenig geschneit. Wo sind die Bilder von der weißen Winterlandschaft hin?!‘
Kurz darauf blieb er wie angewurzelt stehen und blickte auf das Schild des kleinen Eckhauses, an dem sie sich befanden. Sein Mund wurde trocken und er schluckte hart. ‚In Prozentrechnung war ich noch nie gut, doch sollte sich meine knappe Überlebenschance auszahlen, dann glaube ich tatsächlich an Wunder.‘
Maggey schien sein Zögern zu bemerken, jedoch ging sie ohne große Umschweife zu der Klingel und betätigte diese, bevor sie schnell wieder zu ihnen zurückhüpfte. Maya sah gespannt in die Runde. „In Ordnung. So, wie wir es geprobt haben!“, verkündete sie und der Weihnachtsmann, der früher einmal Larry Butz gewesen war, reckte mit vollem Einverständnis seinen Daumen nach oben. Gumshoe konnte ihre Begeisterung nicht wirklich teilen.

Keine Minute später ging die Tür auf und eine junge Dame mit blauem Haar und kalten Augen sah zu ihnen nach draußen. Man sollte meinen, wenigstens an ihren freien Tagen würde sie ein wenig bequemere Kleidung anziehen, doch wie immer war jede Strähne ihres Haares perfekt frisiert und sie trug dieselbe Kleidung wie immer. Jedoch schien der Blick in ihren Augen noch eisiger, zorniger, sodass dem Inspektor mit einem Mal richtig klar wurde, was für ein verheerender Fehler es war, in ihr Privatleben einzudringen. Ihre Augen hätten Blitze schießen können. „Was zum Teufel tut ihr dummen Dumm-“ Weiter kam sie nicht, denn sie wurde von Mayas begeisterter Stimme unterbrochen.
„Drei, zwei, eins – und alle!“, rief diese aus und auf ihr Kommando hin erhoben sie alle fünf ihre Stimmen im Chor und begannen zu singen.
„Oh, Tannenbaum! Oh, Tannenbaum! Wie grün sind deine Blätter?“ Man konnte sie nicht wirklich als einen Engelschor bezeichnen, denn Mayas Worte: „So, wie wir es geprobt haben“ entsprachen nicht ganz der Wahrheit – sie hatten nur ein einziges Mal geprobt. Und das war – ganz nebenbei gesagt – vor fünfzehn Minuten gewesen, als der jungen Dame mit einem Mal die grandiose Idee dafür gekommen war und sie alle zusammengetrommelt hatte, die vielleicht bei ihrer Idee mitmachen würden.

Weiter als bis zur ersten Frage kam Gumshoe nicht, denn im nächsten Moment landete etwas Kaltes in seinem Gesicht, das auf seiner Haut das Gefühl von tausend Nadelstichen hinterließ. Das Wort, was er gerade – mehr oder weniger – sang, blieb ihm im Halse stecken und wurde von einem Hustenanfall abgelöst. Die wenigen Rädchen in seinem Kopf begannen sich zu drehen, als er sich bemühte, das Zeug in seinem Gesicht einzuordnen. ‚Ein Schneeball?!, dachte er sich, ‚Aber wir haben doch kaum Schnee.‘
Jedoch wurde seine Frage schon im nächsten Moment beantwortet, als er in dem Schwall Wasser, der auf den Weihnachtsmann-Larry traf, ein paar Eiswürfel erkannte. Dem erschrockenen Aufschrei nach zu urteilen, drang das eisige Wasser wohl auch durch das Kostüm hindurch.
Keine drei Sekunden später musste Gumshoe das schwerfällige Denken einstellen, da die Peitsche der Staatsanwältin die eingetretene Stille unterbrach und ihm einen schmerzerfüllten Laut entlockte. Ihm wurde der Boden unter den Füßen weggerissen und einen Augenblick später durfte sein Gesicht den harten Asphalt küssen. Larry Butz alias der Weihnachtsmann folgte nur ein paar Sekunden später.
„HABT IHR NICHTS BESSERES ZU TUN, ALS MICH SELBST AN MEINEN FREIEN TAGEN MIT EURER FASSUNGSRAUBENDEN DUMMHEIT ZU BELÄSTIGEN, IHR DUMMEN DUMMKÖPFE, DIE DIE DUMMHEIT OFFENBAR MIT DER MUTTERMILCH EINGESAUGT HABEN?!“, krachte ihre Stimme wie eine Flutwelle auf die fünf Dummköpfe herab. Und seltsamerweise fragte sich Gumshoe gerade genau dasselbe. Nur mit sehr viel weniger Dummheit in der Frage.
Ein paar Sekunden schwiegen sie, bevor Maya mit einem einzigen Wort diese Frage beantwortete. Immerhin war ja auch nur ein einziges Wort dazu nötig. „Nein“, sagte sie schlicht und das Strahlen war nicht aus ihrem Gesicht verschwunden.
‚Jetzt sind wir tot‘, dachte sich Gumshoe nur, doch stattdessen hörte er nur das Zuknallen der Haustür. Ein paar Augenblicke herrschte wieder Grabesstille auf dem Fußweg, dann brachen die drei Damen in schallendes Gelächter aus.
‚Na, wenigstens haben die ihren Spaß‘, dachte der Inspektor, während er sich die schmerzende Nase rieb.

*~*Aus dem Adventskalender von Dick Gumshoe*~* 



Turnabout X-mas -- der offizielle AA-Adventskalender 2016Where stories live. Discover now