Und genau das würde ich tun.

Gleich nachdem ich Neron alleine stehen lassen und den Raum durch eine andere Tür verlassen würde. Langsam sollte er gelernt haben, dass auch ich in der Lage war mich durchzusetzen.

***

Mit schnellen Schritten lief ich über das große Feld auf dem ich schon von weitem viele Männer sah, die trainierten, kämpften und sich dem Anschein nach auch reichlich amüsierten. Doch als ich an den ersten von ihnen vorbei lief, wurde es zunehmend leiser. Die Stimmen, das Gelächter verstummten, bis es schließlich totenstill wurde.

,,Hallo'', begrüßte ich den, den ich als Dajan ausmachte.

,,Prinzessin Liyana - was für eine unheimlich angenehme Überraschung'', entgegnete er und kam mir die letzten Schritte entgegen, bis er schließlich direkt vor mir stehen blieb, meine Hand in seine nahm und einen Kuss auf dieser platzierte. Und es machte mir nichts aus - im Gegenteil: Aus irgendeinem Grund fand ich es mehr als nur amüsant, wie er versuchte mir zu schmeicheln.

,,Prinzessin. Wo ist Neron?'', tauchte der erste Gewinner neben Dajan auf und sah mit ernstem Gesichtsausdruck auf mich herunter. Seiner Frage entnahm ich, dass auch sie wohl von Nerons Auftrag wussten.

,,Ich bin mir nicht so sicher, wahrscheinlich immer noch vor dem Thronsaal - und wenn nicht, dann sucht er mich wohl gerade im ganzen Königshaus.'', antwortete ich wahrheitsgemäß.

,,Adan, was sind das denn für Manieren. Du solltest erstmal fragen, wie es ihr geht'', keifte Dajan seinen Freund gespielt an. Adan war also sein Name.

,,Sie lebt, also kann es ihr wohl nicht allzu schlecht gehen. Aber wenn Neron sie findet, weiß ich nicht, ob das bei diesem 'nicht allzu schlecht' bleiben wird'', stellte er mit neutralem Ton fest. Nur das kurze Zucken seines Mundwinkels gab seine echten Gedanken ein Stück weit preis.

,,Das kann ich leider nicht abstreiten...'', murmelte Dajan mit entschuldigendem Gesicht. ,,Aber sag uns - wieso bist du hier?''

,,Ich wollte mit euch reden - oder eher gesagt: Euch etwas fragen.'' Doch bevor ich auch nur irgendetwas hinzufügen konnte, unterbrach mich ein lauter Schrei - der wohl eher einem Brüllen glich - mitten in meinem Gedankengang.

,,Liyana!'' Gerade wollte ich mich umdrehen, um dem Teufel persönlich zu begegnen, als dies nicht mehr nötig wurde und zwei Hände sich von hinten mit eisernem Griff auf meine Schultern legten.

Wenn ich gedacht hatte, dass bei meinem Auftauchen schon absolute Stille herrschte, dann wusste ich, dass es bei mir noch unheimlich laut gewesen war. Es schien als würde keiner es wagen auch nur einen Atemzug zu tätigen. Und so wenig ich es auch zugeben wollte, selbst ich hielt die Luft an.

,,Wie ich sehe scheint ihr Spaß zu haben - tut mir leid euch sagen zu müssen, dass ich mir dieses Frauenzimmer nun ausleihen muss'', sagte er zu Dajan und Adan, bevor er mich ohne mein Zutun umdrehte und quer über das Feld zurück zum Königshaus navigierte.

,,Lass mich los!'', keifte ich und versuchte mich aus seinem Griff zu winden. Doch natürlich brachte es rein gar nichts - er war zu stark; wie jedes Mal. Den ganzen Weg über redete ich deswegen einfach nur auf ihn ein, dass er mich in Ruhe lassen sollte, doch als kein einziges Mal eine Antwort von ihm kam, bekam ich langsam aber doch ein unwohles Gefühl bei der ganzen Sache. Er war immer still, doch dieses Mal war es anders. Er war zu ruhig.

Als wir am Königshaus ankamen, lief er jedoch nicht zum Eingang, sondern schlug einen komplett anderen Weg ein, sodass wir schließlich an einem Ort ankamen, an dem uns keiner sehen konnte. Bei diesem Gedanken, beschlich mich eine gewisse Panik. Vielleicht hatte ich es tatsächlich zu weit getrieben?

Noch bevor ich meine Zweifel und Panik zeigen konnte, blieben wir mit einem Mal stehen, bevor ich ruckartig gedreht und gegen eine Wand gepresst wurde. Eine Hand umschloss meine Handgelenke, während die andere sicherstellte den Rest meines Körpers an Ort und Stelle zu halten. Ich wusste sofort, dass ich ihm nie im Leben entkommen könnte - doch ich merkte auch, wie er mich hielt. Als sei ich das zerbrechlichste, was er je in seinem Leben gesehen hatte. Er tat mir nicht weh. Er wollte mir nicht weh tun. Das hatte er bis jetzt noch kein einziges Mal.

,,Was sollte das, verdammt?!'', fuhr er mich an. Doch nicht mit lauter Stimme - nein, er war ruhig, doch der Ton in dem er es sagte, ließ auf seine Stimmung schließen und diese war alles andere als gut.

,,Denkst du es macht mir Spaß dich zu suchen?! Denkst du ich habe Lust darauf das ganze Gebäude einmal durch zu laufen, um dich dann auf einem Feld mit dutzenden Männern zu finden, die dich angaffen, als seist du die erste Frau, die sie je in ihrem Leben gesehen haben?!''

Ich wusste nicht, was mich mehr erschreckte: Die Tatsache, dass er tatsächlich das ganze Königshaus durchsucht hatte oder die Tatsache, dass es ihm nicht gefiel, wie mich die anderen angesehen hatten.

,,Verflucht, dir hätte sonst was passieren können! Was, wenn dein kleiner Mörder Verbündete in den Reihen deines Vaters hat?! Was, wenn jetzt ein Messer in deinem Rücken stecken würde?!'' Ich merkte, dass er immer mehr in Rage kam, doch ich schaffte es einfach nicht meinen Mund zu öffnen, um ihn zu beruhigen. Um ehrlich zu sein, wüsste ich noch nicht einmal, was ich sagen sollte.

,,Verstehst du jetzt endlich, wie wichtig es ist, dass du in meiner Nähe bleibst?! Du könntest jeden Moment in Gefahr sein. Und wenn ich nicht da bin, um dich zu beschützen, dann könnte das alles wirklich unschön für dich ausgehen.'' Er schluckte.

Seine grünen Augen schienen sich in meine zu bohren. Er schien in mich sehen zu können und das machte mir mehr Angst, als die Situation in der ich mich befand.

,,Und glaub es oder nicht, aber das würde ich nicht wollen.'' Er flüsterte. So leise, dass ich nur mit Mühe seine Worte mitbekam.

Gerade als ich realisierte, wie nah wir uns waren, ließ er von mir ab und trat zwei Schritte zurück.

,,Ich glaube die Köche sind fertig mit dem Essen'', nach diesen Worten, die er mit kratziger Stimme von sich gab, wartete er darauf, dass ich mich von der Wand in meinem Rücken löste, die mich wie eine Stütze auf den Beinen zu halten schien und mich schließlich vor ihm auf den Weg zum Essen machte.

Was genau war da gerade passiert?

LiyanaWhere stories live. Discover now