Wenn das Gefüge der Welt ins Wanken gerät

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Ramon nickte nur und verschwand dann aus der Küche.

Ich nahm einen Löffel von der Carbonara-Soße, in der ich gerade herumrührt hatte. Nicht schlecht, aber noch lange nicht perfekt.
Ich war stets bemüht meine Gerichte zu überabreiten und neu zu interpretieren. Ich wollte nicht jeden Tag dieselben langweiligen Gerichte kochen, ich wollte, dass die Gäste jedes Mal, wenn sie her kamen etwas neues entdeckten, dass sie sich jedes Mal aufs Neue in ein Gericht verliebten.

„Cornelius! Kommst du mal bitte?" rief Ramon nach einer Weile aus dem Gastraum. Ich war so vertieft ins Kochen gewesen, das ich die Zeit komplett aus dem Auge verloren hatte. Ich hatte vier verschiedene Soßen und drei neue Nudelrezepte ausprobiert und war mit dem Ergebnis bis jetzt recht zufrieden.
Ich liebe es einfach, mich in meiner Arbeit zu verlieren und alle schlechten Gedanken einfach aus meinem Kopf zu verbannen.

Wiederwillig seufzte ich, stellte die Herdplatte aus und verließ die Küche. Ich trug noch mein schwarzes Chefkochhemd, welches ich immer trug, wenn ich am Herd stand, als ich durch die Tür in den Gastraum trat.

„Oh."  Entwich es mir, als ich sah, dass Ramon nicht alleine war.

„Der wollte zu dir. Meinte ihr seid Freunde oder sowas. Kennst du den etwa?" Mein Kellner stand mit verschränkten Armen hinter Torben dem Tresen und starrte unseren Besucher feindselig an.

„Könnte man so sagen." Erwiderte ich seufzend. Ich hatte nun wirklich keine Lust mich mit ihm auseinander zu setzten.

„Ich wusste nicht, dass du dich mit solchen Schnöseln abgibst." Erwiderte Ramon verächtlich und musterte Löckchen noch einmal abschätzig.

„Ich kann dich übrigens hören." Meldete sich der Lockenkopf zu Wort und lächelte den Jüngeren überfreundlich an.

Na, das nenne ich mal Hass auf den ersten Blick.

„Ramon, kannst du in der Küche bitte das Essen in die Plastik Schüsseln räumen, die auf dem Tisch stehen? Ich bring sie nachher in die Hartwickstraße."
Ramon nickte zustimmend, doch einen weiteren Spruch konnte er sich nicht verkneifen: „Falls der Ärger macht, ruf mich einfach.", damit verschwand er durch die Tür.

Ich konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.

„Reizende Angestellte hast du." Schnaufte Löckchen.
„Ich weiß." Ramons Reaktion hatte mir wirklich das Herz erwärmt. Für Außenstehende hatte es vielleicht gewirkt, als wäre er einfach ein vorlautes Kind, doch ich wusste, dass das nur sein Beschützerinstinkt war. Schon aus Gerds Erzählungen damals,  hatte ich geschlossen, dass Ramon die Menschen, die er lieb gewonnen hatte, versuchte zu beschützen. Er hatte es bei seiner Mutter getan, des Öfteren schon bei Leon und gerade bei mir. Natürlich war es nicht nötig, das der Kleine mich beschützte, vor allem nicht vor Löckchen, doch allein die Tatsache, dass er es versuchte, zeigte mir, dass ich ihm genauso ans Herz gewachsen war, wie er mir. Er war wie der kleine, freche Bruder, den ich nie gehabt hatte.

„Warum bist du hier?" fragte ich, all meine Emotionen runterschluckend, als wäre es mir egal, was er antworten würde.

„Erst einmal wollte ich mich entschuldigen, weil ich mich nicht gemeldet habe. Die letzten Wochen waren ziemlich stressig bei mir." Alles leere Worte. Alles billige Ausreden. Ich hatte schon genug von ihnen gehört.

„Aha. Sonst noch was? Ich hab nämlich zutun." Ich musterte ihn kurz. Sein feines Seidenhemd war faltig und steckte unordentlich in seiner Hose, seine Haare sahen wuscheliger und ungekämmte aus, als sonst. Irgendwie wirkte er müde und erschöpft.

„Ich würde gerne Essen bestellen. Für ein Event. Sowas machst du doch, oder? Also Catering?" Nervös biss er sich aus die Lippe, sah überall hin nur nicht zu mir. Ich spürte, dass hier etwas faul war.

Optimisten werden immer zuerst gefressen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt