O N E

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~ Ash ~

Die Landschaft aus rissigen Erdböden und trockenen Wüstenpflanzen wirkte fast lebendig, als die hitzegefüllte Luft sie vor meinen Augen zum flimmern brachte.

Grillen zierpten laut aus allen Richtungen und zwei Adler segelten majestätisch über die Berge hinweg, die aus dem sandgelben Untergrund hervorstachen.

Jetzt fehlte nur noch ein Cowboy am Straßenrand, ein einsames Lied auf seiner Mundharmonika spielend.

Das Auto, an dessen Steuer ich gerade saß, ließ eine große Staubwolke aus Sand über der Straße hinter uns zurück. Ich warf einen unsicheren Blick in den Rückspiegel. "So sehe ich ja gar nicht richtig, ob jemand hinter mir ist.", teilte ich Ty etwas besorgt mit, der neben mir im Beifahrersitz saß.

Er nahm die Sonnenbrille ab um etwas Sand aus seinen Augen zu reiben. "Das ist man hier gewohnt, keine Sorge. Außerdem wird diese Straße ohnehin kaum befahren, wegen...", setzte er wie einstudiert an und ich beendete seinen Satz: "...dem Geist, der hier in den Bergen herumspruckt. Hab ich fast vergessen.", ich wendete mein Blick wieder der Straß zu und lächelte verstohlen in mich hinein.

Der "Jahrhunderte alte Geist" von dem Tier, dass einmal die Stadt vor allen möglichen Gefahren beschützt haben soll. Wer glaubte denn an so einen Schrott?
Achja: Tyson.

"Wie weit ist es noch?", fragte ich ihn und kontrollierte unauffällig die Gasanzeige.

"Du weißt genau, wie weit es noch ist. Die Ablenkung, damit du unser Benzin prüfen kannst, hat nicht funktioniert.", antwortete er seufzend und verschränkte die Arme.

Ich öffnete protestierenden den Mund, wußte aber gar nicht, was ich sagen sollte.
"Das...das stimmt doch gar nicht!", verteidigte ich mich schließlich und Tyson schüttelte nur mit dem Kopf: "Doch, das tust du!"

Tyson glaubte doch tatsächlich, immer genau zu wissen, was in mir vorging.
Ok, meistens hatte er auch recht.
So wie jetzt.

"Bist du nun Arzt oder Psychologe!?", entfuhr es mir verärgert und er grinste mich blöd von der Seite an.

Tysons Ziel war es immer gewesen, Menschen zu helfen. Er hatte sich nie entscheiden können, ob er Arzt oder Psychologe werden wollte und manchmal glaubte ich, er bereute seine Entscheidung, nun ein Arzt zu sein.

"Wo du es gerade ansprichst: bist du eigentlich Kellner, Maurer, Verkäufer oder Bäcker?", entgegnete er mit einem selbstzufriedenen Unterton.
Es war eben schwer, ohne richtigen Abschluss eine anständige Arbeit zu finden - daher holte ich mein Geld nur durch Minijobs ein.
Doch genau deshalb fuhren wir ja in die Stadt. Es war an der Zeit, nach etwas besserem zu suchen.

"Alles, was du willst.", sagte ich extra mit einem erregten Unterton und er sah lachend aus dem Fenster.

Von weitem waren schon die ersten Wolkenkratzer von Salt Lake City zu sehen und ich warf sicherheitshalber noch einen Blick in den Rückspiegel. Dichte, sandige Staubwolken - und mittendrin ein paar goldbrauner Augen, das zurück blickte.

"Was zum...!?", stieß ich aus und verlor für einen Augenblick die Kontrolle über das Lenkrad. Die Reifen schlugen zur Seite an einen großen Felsen und ich trat schnell auf die Bremse. Ohoh.

Was war das eben für ein zerschmetterndes Geräusch gewesen?

"Ash...!", presste Tyson erschrocken hervor und stieg keuchend aus dem Auto, sobald wir schlagartig zum Stehen kamen. "Scheiße!"

Irgendwo aus dem vorderen Teil des Autos stieg eine Dampfwolke in die heiße Luft, die wohl nichts Gutes zu bedeuten hatte. Ich öffnete die Autotür um festzustellen, dass das Auto vorne herum eine riesige Delle hatte.
Was zur Hölle hatte ich da gesehen?
Ich drehte mich um, damit ich mich nach dem Tier mit den goldbrauner Augen erkunden konnte - doch da war nichts und niemand weit und breit.

ENDGAME | BoyxBoy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt