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The earth is 4.5 billion years old, and I'm lucky enough to be alive at the same time with you.

„Carmen alles okay. Wirklich", versuchte ich meine besorgte Gastmutter ruhig zu stellen. Ihr fülliges rundes Gesicht sah mich besorgt an: „Ich komme um 9 pm zurück, aus Arizona. Ruf an wenn es dir an irgendetwas fehlt, sicher? Und falls du Hunger hast ist bestimmt noch irgendwo Pizza". Sie sah sich nach einer Pizza um, als würde mal eben irgendwo eine rumliegen: „Und ansonsten lege ich Geld auf den Küchentisch damit du dir etwas holen kannst. Du kennst dich doch aus oder?". Ihr spanischer Akzent stach heraus und ich bewunderte mich selbst, dass ich es verstand. Ich lächelte sie nur an und gab ihr erneut zu verstehen, dass es mir gut gehen wird. Meine Tasche war schwer und ich rückte sie erneut auf meiner Schulter zurecht. Sie drückte, oder warte ich verbessere mich: erdrückte mich. Bevor ich das Haus verließ atmete ich noch einmal durch, um den Tag auf mich wirken zu lassen. Es war eindeutig alles zu früh für mich. Das Haus sah von außen so aus, als hätte Carmen es original aus Spanien mitgebracht. Eine kleine Palme stand neben der Tür und die Steine auf dem Weg sahen leicht gelblich aus. Ich stolzierte von der Tür weg und ließ meinen Blick über die Straße gleiten. Niemand zu sehen. Kein Wunder. Es war acht Uhr dreißig und mein erster Kurs würde in 20 Minuten anfangen. Heute war Donnerstag, ein guter Donnerstag, denn ich hatte nur 4 Kursstunden und danach sturmfreie Bude. Carmens Mann schien sehr reich zu sein, aber auch oft unterwegs. Bisher hatte ich Noah, so hieß er, nur einmal gesehen. Das war dem Abend, an dem ich angekommen war. Allerdings war er am gleichen Tag schon wieder zu einem Job geflogen. „Buuh", machte es von hinten und mein Herz setzte bestimmt zwei Schläge aus bevor es so weiter schlug, als wären 20 Pferde hinter ihm her. Neben mir tauchte Aiden auf mit einem fettem Grinsen im Gesicht. Wen anders hätte ich erwarten sollen in meinen vier Tagen, die ich hier war. „Du bist doof", murmelte ich und verschränkte meine Arme vor meiner Brust. Einerseits weil ich auf beleidigt tun wollte und andererseits weil mir etwas kalt war nur mit meinem grauen Kardigan, der Shorts und dem Top. Auch wenn es Juli war. „Auch hallo", lachte Aiden (ebenfalls) gespielt empört. Ich gab nach und lächelte ihn leicht an: „Woher wusstest du überhaupt wo ich wohne? Bist du eigentlich 28 und ein fieser pedophiler Stalker? Wenn ja siehst du noch sehr gut aus für dein Alter". Er lachte sein die-Sonne-geht-auf-Lächeln und fuhr sich durch die blonden Haare, als würde er das Kompliment verstärken wollen: „Ich habe etwas mit dem Mädchen geflirtet, dass im Sekretariat aushilft". Ich verdrehte die Augen und versuchte ihm nicht an den Hals zu springen und anzuschreien. „Was hast du heute so für Kurse? Ich hoffe immer noch, dass du mich vor dem Nieser-Jungen retten kannst", fragte Aiden verzweifelt.

„Sag nicht er hat schon wieder so viel geniest!"

„Doch"

„Der Arme"

„Was?"
„Er sitzt neben einem Jungen, der ihn wahrscheinlich jedes Mal total angewiedert anschaut, wenn er niest", lachte ich und stellte mir die Situation bildlich vor, was mich nur noch mehr zum Lachen brachte. „Mathe, Pädagogik, Literatur und soziale Werke", beantwortete ich seine Frage. Leise seufzte ich, da ich auf 3 von 4 Fächern keine Lust hatte. „Jaaaaaa! Ich habe auch Mathe in der ersten Stunde", schrie er rum und ich war erneut froh um diese Zeit niemanden auf der Straße zu sehen, vor dem es mir peinlich sein könnte. Wir waren nur noch zwei Straßen von der Schule entfernt und ich war glücklich Aiden zu haben und stolz, da ich so schnell einen Freund gefunden habe. Aiden murmelte irgendwelche Fluche vor sich her und starrte den Boden so böse an, als wolle er den Boden verschwinden lassen. Immer der Boden... Ich starrte ihn nur entsetzt an, als er anfing alle möglichen die in seinem Weg lagen wütend wegzustoßen. Er bemerkte wohl meine Blicke, denn er sah mich unentschlossen an und sprach: „Das ist einer meiner drei Kurse in denen ich nicht mit dem Niesertypen bin". Ich lachte und erzählte ihm, dass auch der Niesertyp nur ein armer Mensch war.

„Willst du mitkommen etwas essen?", fragte ich Aiden aka mein Superman-Freund, als ich ihn nach meinem vorletzten Kurs traf. Er tippte etwas auf seinem Handy rum und sah sehr angespannt aus. Während er nicht antwortete musterte ich ihn erneut und überlegte ob er wohl magersüchtig war. Aiden war schon wirklich sehr dürr und es war doch normal sich sorgen zu machen oder? Aber nicht bei Aiden, er aß eindeutig genug. „Aiden?", hackte ich nach und stupste ihn an. Sein Kopf fuhr hoch und schaute verwirrt in der Gegend rum. Dabei schüttelte er seine Haare etwas und zerzauste sie. „Kommst du mit etwas essen?"

„Ähhhm... ja klar hier...", er fuhr sich durch die Haare (was er eindeutig zu oft tat), „Hier ist ein Coffee-Shop ganz in der Nähe".

Wir liefen schon eine ganze Zeit einfach nur still nebeneinander und starrten beide den Boden an. Er wahrscheinlich weil er nachdachte und ich mir Sorgen darüber machte worüber er wohl nachdachte. Der Boden hatte wohl eine zu wichtige Rolle in unserem Leben eingenommen. Ich musste bei dem Gedanken schmunzeln und war froh, dass es mal so ruhig war. „Haiii! Aiden! Na was machst du so? Holst du etwas zu essen? Wir kommen mit? Ich habe total Hunger!", schrien irgendwelche schrillen Stimmen durcheinander. Sagte ich gerade etwas von Ruhe? Ja, die vermisse ich nämlich gerade. Aidens und mein Kopf fuhren beide gleichzeitig hoch, als wären wir von irgendetwas gestochen. Wahrscheinlich nicht wir sondern unsere Ohren von diesen Stimmen. Zwei dürre Mädchen. Passt ja. Ich schüttelte kurz meinen Kopf wegen meinen Gedanken oder um mich von diesem Schock zu erholen. Sie trugen ekelhaft farbigen rosa Lippenstift. Sie lächelten zusammen mit dem Lippenstift ekelhaft um die Wette. Bis die eine mich, wahrscheinlich zum ersten Mal bemerkte. Sie stupste die andere mit dem Ellbogen an und ihr gerade noch strahlendes Lächeln wurde zu einem angewiedertem Gesichtsverziehen. Herablassend sahen beide mich an und ich spürte Aidens Arm um meiner Taille. „Wir wollten gerade zu Caras", er deutete auf mich, „Reitstall gehen. Sie hat ein eigenes Pferd und wir müssen seinen Stall ausmisten". Er lächelte beide an und so schnell wie sie kamen waren sie auch schon wieder weg. „Reitstall? Ausmisten? Dein Ernst?", ich lachte und löste mich aus seinem Arm, „Wieso hast du nicht mit ihnen geflirtet? Ist doch bestimmt deine Zielklasse".

„Also bitte! Erstens ist mein Niveau glaube ich nicht so tief gesunken und außerdem wollen sie sich nur an meinen besten Freund ranmachen. Isaac". So war das also. Aiden spielte die gleiche Rolle wie ich auch immer. Allerdings ging er sehr viel besser damit um. Aiden wollte die Stimmung wieder heben und war nicht besonders gut darin sowas geschickt zu machen: „Und hast du schon etwas in den Sommerferien vor?". „Was sollte ich denn? Außer dir kenne ich hier niemanden und ich werde wohl kaum etwas mit meiner Gastmutter machen! So weit geht meine Liebe dann doch nicht". Aiden lachte und wir liefen weiter durch die Straße zu dem Coffee-Shop. „Du solltest meine Freunde kennen lernen", sagte er und kaute auf seiner Lippe rum. „Ja... vielleicht sollte ich das"

Ich konnte schließlich nicht die ganzen 13 Monate nur Aiden voll labern.

Als ich auf die riesige Terrasse trat glitzerte die Sonne auf dem Wasser des Pools. Carmen würde bald wieder kommen und es war schon etwas später und ich sollte mich beeilen, wenn ich nicht frierend schwimmen gehen wollte. Mein ganzer Körper zuckte zusammen, als ich die Blätter einer Topfpflanze rascheln hörte. Nachdem ich mir einen unordentlichen Dutt gemacht hatte, hörte ich erneut ein Geräusch. Ich zögerte bevor ich mich wieder normal bewegte. Das ganze muss ziemlich affig ausgesehen haben. Wie ich andauernd stehen blieb und weiter lief und so brauchte ich länger, als geplant für fünf Schritte von der Terrassentür bis zum Poolrand. Mein großer Zeh ging für mich vor und steckte so ganz leicht im Wasser bevor ich mich an den Rand des Pooles setzte. Ich drehte meinen Kopf einmal langsam und schloss die Augen, damit das Drücken in meinem Nackenbereich verschwand. Fehlanzeige.

„Cara?", sagte eine tiefe unbekannte Stimme hinter mir.

Prom?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt