~1.Freudige Überraschung

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Mein Name war Alice, Alice Summer.


Ich war damals – als alles noch wunderbar war – ein glückliches und selbstbewusstes Mädchen, die es liebte, viel zu erleben und zu wissen. Ein auch nicht immer so motiviertes Mädchen, wie man es sich erhoffte. Ich unternahm sehr viel mit meinen Eltern und meiner jüngeren Schwester. Meine Eltern, Alissa und James Summer sind einfach die liebsten der Welt. So herzlich und lustig. Wollten immer mit ihren Kindern schönes erleben und hatten sich alles beste für uns Schwestern gewünscht. Ich liebte sie unheimlich. Was sich von selbst versteht. Ich lebte in einem Einfamilienhaus außerhalb der Stadt in Kalifornien. Eher in einer Gasse, wie manche es heute sagen würden. Ich finde es übertrieben, denn es war ein wunderschönes, hellblaues Haus, mit einem großen Garten, der von weißen Zäunen umhüllt war, mit einem Spielhaus und einer schönen Blumenwiese mit Sonnenblumen. Ja, richtig gelesen. Sonnenblumen. Da Sonnenblumen für gewöhnlich auf Felder wachsen, hatten wir früher zusammen sehr viele in unseren Garten eingepflanzt, der so groß war wie eine Wiese. Die Sonnenblumenwiese, ich habe es geliebt mich in sie rein zu legen und einfach in den Himmel zu starren. Er war immer so wunderschön hellblau. Meine Gedanken schweifen zu lassen, wohin auch immer. Es half mir einen klaren Kopf zu schaffen, als ich mit schwierigen Situationen konfrontiert wurde, mit denen ich nicht wusste, um zugehen. Selbst meine Eltern konnten es mir nicht sagen. Die Sonne. Die angenehmen Sonnenstrahlen glitzerten leicht auf meiner Haut und hinterließen ein wohliges Gefühl. Auch dies weckte Erinnerungen, friedliche und schöne Erinnerungen. Die einmal waren. Ich wünschte, ich könnte wieder dort sein, mit meinen Eltern und meiner kleinen Schwester. Zusammen als unzertrennliche Familie. Doch das war mal. Denn es überschlugen sich Ereignisse in der schlimmsten Zeit, die ich jemals hatte. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass ich mit Melissa in die Wolken geschaut hatte und wir uns die verschiedensten Geschichten zu den Wolken erzählten.
Es war immer so viel Zeit vergangen. Vor Jahren wurde mir erst klar, dass die Zeit an uns Menschen vorbeirennt. Sie – die Zeit – rennt nicht vor uns weg, sondern wir rennen in Wirklichkeit vor ihr weg. Wir versuchen zu flüchten, was unmöglich ist. Wir versuchen die Zeit so langsam wie nur möglich zu verbringen und die schönen Momente zu genießen, jedoch beschäftigen wir uns einfach viel zu sehr mit ihr. Sich mit der Zeit zu beschäftigen kostet zu viel Leben und Zeit. Das Leben, was an einem Stück für Stück verschwindet. Jeden Tag ein Stück mehr von uns entfernt wird.
Es ist vergebens die Zeit anzuhalten oder sie zurückzuspulen, egal wie sehr wir es und manchmal wünschten.

Zur meiner Schulzeit, war ich nicht wirklich beliebt in der Klasse, weder woanders aber das hat mich ehrlich gesagt nie gestört. Ich war einfach zu schüchtern und verschlossen. So gut wie immer war ich von anderen abgeneigt und zog mich zurück. Ich hatte außerdem meine eigenen Beschäftigungen gehabt, z. B. lesen, zeichnen, Musik hören oder Geschichten schreiben. Sogar Hausaufgaben in der Pause machen, damit ich sie nicht zu Hause hätte machen müssen. Das ersparte so einiges an Zeit. Da gab es noch vieles mehr, was aber eine lange Liste werden würde, wenn ich es aufzählen würde. Ein, bis zwei Freundinnen hatte ich tatsächlich, aber es hat sich nach nur wenigen Monaten herausgestellt, dass sie mich nur benutzt hatten und somit kündigte ich die Freundschaft, da ich sowieso eine Klasse versetzt wurde. Passte ziemlich gut, da ich eh auf eine neue Schule gewechselt war. In meiner neuen Klasse fand ich schließlich einen Jungen namens, Kian. Wir beide freundeten uns recht schnell an, was mich die erste Zeit sehr verwunderte, aber das Gefühl verschwand sogleich. Von der vierten bis zur sechsten Klasse waren wir unzertrennlich. Wir hatten wirklich nie Gefühle für einander gehabt, ich dachte nicht einmal daran, immerhin waren wir noch jung und hatten das Leben noch vor uns. Na gut, vielleicht ein paar mal aber es gab einfach keine Momente bei uns, wo es klick machte. Ich sah ihn auch schon seit Anfang an als größeren Bruder. Jedoch verließ auch dieses Mal mich mein Glück und er musste umziehen. Wir hielten zwar Kontakt, jedoch wurde es Stück für Stück immer weniger, bis der Kontakt auf komischster Art und Weise ganz abbrach. Ich redete mir immer ein, dass wir uns einfach durch Familie und Schule aus den Augen verloren hatten. Doch nach einiger Zeit, wusste ich ehrlich gesagt nicht mehr, ob es das war, was dazu führte.
Kommen wir zum wesentlichen zurück, zum Ernst des Lebens.

Am 22. April 2006, als ich noch 18 war, wollte ich endlich einer meiner Wünsche erfüllen lassen. Meinen Führerschein bestehen! Ich habe so hart dafür geübt, denn ich wollte nur einmal ein einziges Wochenende in einer Stadt sein und Zeit für mich haben, da ich gerade mein Abitur noch so hinbekommen hatte und dadurch viel Stress hatte. Eine Auszeit tat mal wirklich gut! Und somit ging mein Traum in Erfüllung.

Nächsten Morgen stand ich wie immer auf und kam von meinem Zimmer runter zum Frühstücken. Meine Eltern liebten es morgens den ganzen Tisch voll zudecken. Und wenn sie ich voll meinte, das hieß das sehr voll. Wir saßen zu dritt am Esstisch und unterhielten uns über meine Erfolge in dieser Woche. Mein Herz hätte vor Freude nur so raus springen können, doch das wäre jetzt zu dramatisch gewesen und dann noch vor meinen Eltern, damit sie vermutlich selbst einen Herzkasper bekommen würden? Nein, danke. Meine Eltern waren einfach so stolz auf mich. So stolz hatte ich sie lange nicht mehr gesehen. Das hat mich um so glücklicher gemacht. Als wir fertig waren, räumte ich – wie immer – alles auf. Ich tat alles für meine Eltern mit Liebe, da sie mir immer Liebe gaben. Besonders in den letzten Jahren ist die Beziehung zu meinen Eltern noch fester geworden. In meinem gesamten Leben waren sie für mich immer da gewesen. In schweren und in guten Zeiten. Für Immer. Wie es Eltern nun mal taten.

Als ich fertig war, drehte ich mich um und sah meine Eltern beide am Türrahmen stehen. Was mir damals nicht aufgefallen war, meine Mutter hatte eine ihrer Hände hinter ihren Rücken versteckt. »Mom, Dad? Ich dachte, ihr wolltet jetzt in die Stadt?« Ich zog fragend eine Augenbraue hoch und sah sie beide verdutzt an. Meine Eltern grinsten nur vor sich hin und schauten sich kurz gegenseitig an und nickten schließlich entschlossen. »Schatz schau doch mal vor die Tür, wir haben ein kleines Geschenk für dich«, meinte meine Mom liebevoll. Ich sah beide verwundert an, aber ging zur Tür und öffnete sie.
Ein neues Auto! Für mich?
Das muss doch ein Scherz sein! Meine Eltern kamen zu mir und fragten beide gleichzeitig »Gefällt es dir?« Ich drehte mich zu Ihnen und mein Gesicht strahlte nur so vor Aufregung und Unfassbarkeit. Beide zog ich in eine feste Umarmung. »Danke!«, schrie ich Ihnen beinahe in die Ohren. Als ich sie losließ, holte meine Mutter etwas hinter ihren Rücken hervor. Der Autoschlüssel für mein Auto! Sie drückte ihn mir fest in meine leicht geöffnete Hand und schloss sie zärtlich mit einem Lächeln.
Nächsten Morgen, packte ich in meinem Zimmer bereits meine Sachen für meine Reise. Ein paar Outfits, meinen Schlüssel, mein Handy, ein paar Snacks und so vieles weiteres für Pflege. Einfach alles mögliche. Geld nicht zu vergessen, was ich gespart hatte. Bevor ich aus meinem Zimmer ging, schloss ich schnell meine Kommode und stoppte abrupt vor ihr. Ich ließ meine Tasche ein Paar cm sanft zu Boden fallen und nahm einen weißen Bilderrahmen in die Hand wo ich, meine kleine Schwester und meine Eltern abgebildet waren. Sofort fuhren meine Mundwinkel runter. Unsere Eltern standen hinten, beide hatten jeweils eine Hand rechts und links auf meinen Schultern gelegt. Meine kleine Schwester stand vor mir und ich umarmte sie leicht und wir beide strahlten prächtig. Erinnerungen prasselten in der Sekunde auf mich hinein und hinterließen ein Loch in meinem Herzen. Willkommen zurück in der hässlichen Realität. Wenige Minuten später stellte ich es wieder zurück auf die Kommode. Positiv bleiben Alice, alles wird besser werden, dachte ich mir und setzte ein weit aus ehrliches Lächeln auf. Für sie.

Eine paar Minuten später kam ich aus meinem Zimmer mit einer Sporttasche runter. Meine Eltern standen unten und warteten bereits auf mich. Ich umarmte beide gleichzeitig ganz fest und gab beiden nacheinander einen Kuss auf die Wange. »Danke, das bedeutet mir echt viel. Ich fahre Sonntagabend wieder nach Hause, ich verspreche es euch. Und melden tu ich mich jede Stunde, na gut wahrscheinlich nicht«, lächelte ich leicht. »Schatz, wir machen das, weil wir wissen, dass du mal eine Auszeit nach dem ganzen Stress brauchst. Lass es dir gut gehen, aber schreib uns, wenn du angekommen bist«, meinte mein Dad und zwinkerte mir noch zu. Ich lachte ihn kurz an und sah zu meiner Mom. »Worauf wartest du meine Süße, dein Vater hat recht. Lass es dir gut gehen und komm heil an!«, lächelte meine Mom mich daraufhin glücklich an.
»Ich melde mich, wenn ich angekommen bin«, schrie ich, als ich das Haus verließ und die Tür hinter mir ins Schloss fielen ließ

Mein schlimmster Albtraum(Abgeschlossen)Where stories live. Discover now