Sein Blick ist undurchschaubar. Er bleibt abrupt stehen als er mich erblickt. Die Müdigkeit ist kaum zu übersehen. Die tiefe Trauer steht ihm ins Gesicht geschrieben. Sein Bart war noch nie so lang, wie jetzt. Er schweigt, seine geröteten Augen jedoch, schreien sein Leid nur so heraus.

Nach einem kurzen Augenblick, fängt er sich wieder und geht ohne ein Wort an mir vorbei. Er betritt noch vor mir den Klassenraum. Verzweifelt ringe ich nach Luft und versuche meine Tränen zu verbergen. Meine Beine wollen mir nicht gehorchen mit aller Kraft zwinge ich mich, reinzugehen.

Er redet und redet. Jedes Wort, was er sagt sticht nur immer tiefer und tiefer in mein Herz. Ich kann ihn nicht ansehen. Seine Stimme zu hören löst dieses unerträgliche Pochen in meinem Kopf aus. Er hört sich so an, als wäre alles in Ordnung. Das ist jedoch nicht die Wahrheit, es ist gelogen.

Meine Mitschüler unterhalten sich lebhaft mit ihm, stellen neugierige Fragen und erzählen von der Zeit seiner Abwesenheit. Das macht mich einfach nur wahnsinnig. Sie wissen nichts, Rein gar nichts von ihm, was er für ein riesiges Arschloch ist. Ein unsicherer, erbärmlicher und von Selbsthass erfüllter Mann. Eine Hülle, die nur vor sich hin lebt und immer mehr Fehler begeht und damit unschuldige Menschen mit in den Abgrund zieht.

Der Druck auf meiner Brust wird immer schwerer. Ich gebe schon schluchzende Töne von mir. Bisher kann man sie nicht hören, doch bald breche ich zusammen. Plötzlich dreht sich Tanya zu mir um und wirft mir einen teuflischen Blick zu, der mir Gänsehaut bereitet. Sofort schließe ich meine Augen.

"So Leute, genug geplaudert. Ab jetzt wird wieder Englisch geredet. Allright?", spricht Dean motiviert und kramt aus seinem Rucksack das Englischbuch heraus. Auch er entflieht meinem Blick. Dieser Feigling kann mir nicht einmal ins Gesicht sehen. Er bewundert ja immer mein Schauspielerisches Talent, dabei ist er derjenige, der einen Oskar verdient. Dieser Mann ist ein Naturtalent darin, seine wahren Gefühle zu verbergen. Wenn die Anderen nur wüssten, was für ein gebrochener Mann er in Wirklichkeit ist.

Um mich abzulenken beobachte ich meine Mitschüler und frage mich auf einmal, was jeder für ein Geheimnis haben könnte. Jeder einzelne von Ihnen verbirgt etwas, das liegt auf der Hand. Wir verbringen so viel Zeit miteinander, sehen uns jeden Tag aber trotzdem kennen wir uns kaum. Vor einer halben Stunde habe ich noch gedacht Tanya wäre eine Freundin, der Loyalität wichtig ist. Wer weiß, was in den Köpfen der Anderen vor sich gehen mag. Sie kennen mich auch nicht. Nicht einmal meine beste Freundin weiß, was in meinem Leben  gerade passiert, wie sehr ich leide kann sich keiner von ihnen auch nur vorstellen.

Mein Blick schweift zu Ashley Ich sehe, wie sie abwesend aus dem Fenster guckt. Sie war ganz oben auf der Verdächtigen-Liste. Sie ist in meinem Augen zwar eine Schlampe aber das heißt noch lange nicht, dass sie ein schlechter Mensch ist. Bestimmt hat sie auch viele Probleme, mit denen sie zu kämpfen hat. Wir wissen nichts und doch urteilen wir so schnell. Allerdings haben wir alles etwas gemeinsam, mit aller Kraft versuchen wir durch den Tag zu gehen, Erfahrungen zu sammeln mit ihnen fertig zu werden und letztendlich stark zu bleiben.

Ich halte es keine Minute länger hier aus. Deshalb stehe ich langsam von meinem Platz auf und gehe mit weichen Knien zur Tür. Ich spüre die Blicke auf mir. Tom ist gerade dabei, einen Text aus dem Englischbuch vorzulesen. Deshalb schleiche ich mich mit gesenktem Kopf aus dem Klassenraum. Obwohl ich es nicht sehen kann, weiß ich einfach, dass Dean's Blick mich verfolgt.

Auf der Mädchentoilette angekommen, lasse ich meinen aufgestauten Tränen nun freien Lauf. Dieser Druck in meiner Brust wird mit jedem Schluchzen leichter. Mir fehlt der Mut, mich im Spiegel zu betrachten.

Ich bemühe mich, tief ein und aus zu atmen. Was soll ich jetzt bloß tun? Wie kann Tanya so etwas abscheuliches von mir verlangen. Wie soll ich mich entscheiden? Natürlich werde ich mich für Dean entscheiden, das tue ich immer. Er ist der Mittelpunkt meines Lebens, obwohl ich mir wünsche, es wäre nicht so. Die Wahrheit darf nichts ans Licht kommen, auch wenn das bedeutet, dass ich meinen Ruf in den Schmutz ziehen muss. Mesut wird mich wirklich hassen. Er wird mir aber nicht einmal glauben. Was hat Tanya gegen Pascal in der Hand, dass er sich auf so etwas furchtbares einlässt. Sie ist eine Psychopathin.

Love Lesson Band 1 (wird überarbeitet)Where stories live. Discover now