Mein Atmen ging laut und immer wieder musste ich mit meinem Ärmel über das Gesicht streichen, schwer schluchzend. Ich fand eine Pause, als ich bedrohlich nahe an einer Klippe stand. Fast hätte ich sie vergessen.

Ich stand da und spürte wie der frische Wind gegen meinen Körper peitschte als ob er mich nach hinten drücken wolle. Trotzig stand ich aber dagegen und starrte der breiten Landschaft entgegen. Sie schien mich regelrecht verschlingen zu wollen und ehrlich gesagt hätte ich nichts dagegen wenn sie es täte.

Der sausende Wind brachte mich bald zurück in die Realität und ich schloss meine Augen für einen Moment um tief einzuatmen. "Alles ist okay..", flüsterte ich zu mir selbst und strich ein letztes Mal über meine Wangen. "Es ist.. okay."

Meine Augen öffneten sich selbstständig und fixierten den Horizont, welcher eine schöne Gebirgskette zeigte. Ich hatte bis zum heutigen Tage nicht realisiert wie bezaubernd dieser Wald eigentlich war. Meine Wahrnehmung schien während den 2 Jahren gestorben zu sein und dieser 'glorreichen' Tag schien die Wiedergeburt zu sein.

Plump liess ich mich auf den Laub fallen und die Beine über den Rand baumeln, den Rucksack auf meinem Schoss ruhend. Tausend Gedanke schwirrten in meinem Gehirn während mein Ausdruck einer blanken, weissen Wand ähnelte. Der pochende Schmerz an meiner rechten Schläfe schaltete wieder ein aber ich verzog keine Miene. Dafür war ich viel zu aufgewühlt.

"Das bedeutet also alleine zu sein?", fragte ich mich selber nach einer geschätzten Stunde von Stille. "Ist irgendwie.. scheisse."

Vielleicht konnte es sein, dass die Einsamkeit mich zögern liess. Wenn ich gründlich darüber nachdachte, hatte ich noch nie wahre Einsamkeit gespürt. Ich war immer umzingelt von Menschen und ja, ich weiss, dass ich gesagt habe ich fühle mich verlassen. Levi war ja immer noch da.

Doch jetzt sass ich alleine hier. Komplett alleine. Abgeschnitten von jeglichen Kontakt und ich wusste nicht recht ob ich es schätzte oder verabscheute. Zurück konnte ich aber nicht. Zurück durfte ich nicht. Levi hatte mich rausgeschmissen und er hatte gesagt ich dürfe nicht wieder zurück solange ich ihm was Böses will. Und wie leid es mir auch tut, ich wollte in diesem Moment nichts anders als Levi zu verletzten.

Die Unterdrückung durch diese lange Zeit hinweg war mehr als inhuman und ich vernahm tief in mir eine Stimme, welche sich tatsächlich über diese Freiheit freute. Sie schätzte und liebte. Aber so eine lange Zeit in Gefangenschaft liess einem vergessen wie es war, normal zu leben. Apropos normal, was ist überhaupt ein normales Leben..?

Für verdammte Philosophie hatte ich keine Nerven übrig. All diese Fragen würden mich sowieso nur depressiv machen. Und so stand ich langsam auf und schwang mir den Rucksack über die Schulter.

Ich war bereit der Ungewissheit entgegen zu treten und so machte ich mich auf den Weg nach Hause. Ich meine damit mein Zuhause. Das Zuhause, dass ich schon lange nicht mehr betreten hatte. Das Zuhause, von dem ich nicht mal das Recht mehr hatte Zuhause zu nennen. Ich meinte damit die Einzimmerwohnung von Armin und mir. Mein Zuhause.

Meine Hände umklammerten die Träger des Rucksackes und mit einer sichtlichen geringerem Tempo stampfte ich durch den Wald. Ich kannte mich da perfekt aus und doch machte ich einen Umweg. Ich liess mich einfach von meinen Füssen führen. Und ich wollte auch nicht so schnell wieder Zuhause sein, weil ich wollte mindestens eine Nacht dort verbringen bevor ich dann im Gefängnis schmoren müsste.

Heartlessly Loving YouWhere stories live. Discover now