Kapitel 1 - Zehra

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„Ali," warnte Onkel Mehmed und hob seinen Zeigefinger.

Ali hob frustriert die Hände. „Und jetzt nehmen wir die Eigenarten der Deutschen an," er schüttelte den Kopf und lief in sein Zimmer. Teenager.

„Dein Sohn," kommentierte Onkel Mehmed und guckte zu Tante Sümeyra.

„Als er gestern mit dem Zeugnis Durchschnitt von 1,5 kam, war es noch dein Sohn," neckte sie ihn.

„Zeiten ändern sich," winkte Onkel Mehmed ab und setzte sich auf die Couch und schaltete den Fernseher an.

„Wieso darf ich eigentlich nicht mit Zehra fahren?" Fragte Mustafa.

„Weil wir diesen Sommer Tante Emine in Schweden besuchen," antwortete Onkel Mehmed und nahm Mustafa auf den Schoß, dieser seufzte nur.

„Nächstes Jahr nehme ich dich mit, versprochen," versuchte ich ihn aufzumuntern. „Nicht wahr Onkel?"

Mustafa schaute mit großen Augen auf sein Vater und wartete auf seine Antwort. „Nächstes Jahr gehen wir alle zusammen."

Mustafa sprang runter von seinem Vater. „TAREK; ALI!" Schrie er und lief die Treppen runter zu seinen Brüdern.

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„Und du hast auch nichts vergessen?"

Ich schüttelte meinen Kopf und lächelte meinen Onkel an. „Mach dir keine Sorgen, ich habe schon sechs mal gecheckt ob mein Pass, Handy und Geld in der Tasche sind. Und die Tipps von Facebook habe ich auch ausgedruckt im Handschuhfach, falls mein Navigationsgerät nicht funktioniert auf dem Weg."

Mein Onkel seufzte und umarmte mich. „Es wird wirklich Zeit für dich zu heiraten und mit deiner kleinen Familie deine Eltern zu besuchen, statt immer alleine zu fahren. Auch wenn wir uns für dich freuen und wissen das du es schaffst, machen wir uns sorgen. Es ist nicht immer sicher auf dem Weg, vor allem Nachts."

Ich erwiderte seine Umarmung und versprach ihm extra Vorsichtig zu sein.

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Die Profis unter uns wissen das es besser ist Nachts zu fahren, denn dann sind die Straßen in Deutschland leer und immer paar Tage vor oder nach allen anderen zu fahren. Dabei darf man Länder wie Österreich, die Schweiz und die Niederlande nie vergessen, die sind nah an Deutschland und könnten mehr Stau verursachen als einem lieb ist.

So war es für mich, als arbeitender Single ganz einfach drei Tage vor offiziellem Ferienbeginn schon loszufahren. Drei Uhr Nachts. Den ganzen Jahr lang nahm ich mir kein Urlaub, sodass ich im Sommer genau ein Monat lang bei meinen Eltern sein konnte. Wenn man, wie ich, in einer großen Firma arbeitete, war es auch kein Problem so seinen Urlaub zu planen, keiner merkte wirklich ob eine einzelne Person fehlte.

Kurz nach der Grenze Deutschland / Österreich tankte ich das erste mal Voll. Österreich fuhr ich wie immer ohne Pause durch, für mich sah die Landschaft aus wie in Deutschland, nichts besonderes, kein Grund zu halten, einzuatmen und die Umgebung zu genießen.

Am Mittag erreichte ich die Grenze Österreich / Ungarn und hielt auf Österreichs Seite und rief meinen Onkel an um ihn darüber zu informieren das ich Ungarn erreicht hatte, danach tankte ich noch einmal voll und überquerte die Grenze.

Es ist sehr schwer zu beschreiben, wie es ist, ins Auto zu steigen und loszufahren, mit dem Ziel die Heimat. Wie es ist an Autos vorbeizurasen, zu wissen das diese Autos den selben Weg vor sich haben, den selben Ziel haben. Alle gespannt sind, alle es kaum erwarten können anzukommen. Großfamilien, noch junge Familien, frisch Verheiratete, Singles, eine Gruppe von Männern, alle arten von Menschen, in verschiedenen Stadien in ihrem Leben und für genau diesen Moment, haben alle ein Ziel, die Heimat.

Kapikule - Ab in die HeimatWhere stories live. Discover now