Der Weg zum Date

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Um fünf vor neun machten sich Mary, Marlene und ich hinunter auf den Weg zur Eingangshalle, wo wir uns mit den Rumtreibern verabredet hatten. Nach dem Gespräch mit Sirius in der Bibliothek war ich gleich nach oben in den Gryffindorturm geflitzt und war unter die Dusche gesprungen. Als ich aus der Dusche gekommen war, waren Mary und Marlene schon dabei gewesen, sich zu schminken. Meine Gedanken schwirrten zu Potter zurück. Zu was hatte ich mich hier eigentlich mehr oder weniger überreden lassen? Was es nicht so, dass ich James...ich meine, dass ich Potter eigentlich hassen musste. So war es seit eh und je. Seit unserem Treffen im Zug, im Alter von elf Jahren hatten Snape und ich uns mehrmals über ihn echauffiert. Noch bis vor ein paar Wochen hätten mich keine zehn Pferde dazu gebracht, auch nur mehr als zehn Minuten in Potters Nähe zu verbringen, und nun war ich auf dem Weg zu einem Date mit ihm? Irgendetwas lief hier gewaltig schief, doch ich konnte nicht umhin die aufkommende Aufgeregtheit und das angenehme Ziehen irgendwo in meiner Bauchgegend, so seltsam es scheinen mag, zu genießen.
Wir erreichten den Fuß der Treppe und prompt tauchten Potter und Black vor uns auf, beide mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen.
„'n Abend Evans", sagte James mit seiner tiefen Stimme und wie auf Kommando durchzog mein Körper ein angenehmer Schauer. Doch ich blieb ernst, und ließ mir nichts dergleichen anmerken.
„Abend Potter", sagte ich recht forsch.
„Oho." James lachte. „Ich war mir nicht bewusst, dass ich eigentlich ein Date mit Minerva McGonagall zu haben." Auch Sirius grinste, doch ich war eher verwirrt, ob dieser unerwarteten Reaktion. Wieder einmal bewies James sein nicht vorhandenes Taktgefühl.
Ich hob eine Braue und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Nun wenn das so ist, Potter, dann kann ich mich ja auch wieder verziehen."
Ich machte Anstalten auf dem Absatz kehrt zu machen, was natürlich nur Teil meiner Masche war, und keine Sekunde später ging mein Plan auf.
„Immer langsam mit den jungen Hippogreifen, Evans. So war das doch keineswegs gemeint. Es war vielmehr der Bezug auf deine Stimme, du verstehst schon...McGonagall und so..."
Er klang fahrig, nervös.
Ich hob die Hand, und ein kleines Grinsen huschte über mein Gesicht.
„Schon gut, schon gut, Potter. Das war ein Witz."
Ich drehte ihm den Rücken zu, damit er mein Lächeln nicht sah.
„Also dann, gehen wir?"
Ich hakte mich bei Mary und Marlene unter, die beide etwas geschockt aussahen. Merlin, ich hatte doch nur einen kleinen Scherz gemacht. Mary hatte die dunklen Haare zu einem eleganten Knoten im Nacken verschlungen und Marlene trug ein leichtes Blumenkleid und ihre blonden Haare wehten in dem Luftzug, der verursacht wurde, als Sirius und James das schwere Eichenportal aufschoben. Die Nacht war überraschend lau, als wir nach draußen traten.
„Es hat auch seine Vorzüge, Schulsprecher zu sein, nicht wahr Evans?", sagte James und deutete zum Eingangsportal herüber, das langsam hinter uns von der Dunkelheit verschluckt wurde, als wir über das, teils durch Fackeln erleuchtete, Schulgelände liefen.
„Hmm", machte ich nur. James wusste ganz genau, was ich von sowas wie Regelbrüchen und Amtsmissbrauch hielt. Richtig, rein gar nichts.
„Ach komm schon, Evans. So schlimm wird's schon nicht werden. Selbst wenn sie uns erwischen sollten, werden sie dich nicht rauswerfen, dafür bist du zu gut." Ein warmes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, das auch seine Augen erreichte. Zum ersten Mal bemerkte ich, dass seine haselnussbraunen Augen feine goldene Tupfer hatten, ganz genau wie bei Mary, nur dass James' Augen heller waren, als ihre.
Ich lächelte lediglich als Antwort. Zu etwas anderem war ich im Moment nicht im Stande und meine Knie waren eindeutig zu weich. Nach einigen Metern hakten sich Mary und Marlene bei mir aus und huschten zu Sirius. Ich verdrehte die Augen, schnaubte und lief nun einige Meter vor allen anderen her. Ich kam mir reichlich bescheuert vor und fühlte mich seltsamer Weise im Stich gelassen.
James unterhielt sich lautstark mit Sirius, der zwischen meinen beiden Freundinnen lief. Merlin, nun wurde ich von Potter zu einem Date gebeten, und er beachtete mich kaum? War es nicht seit der Unterstufe einer seiner größten Wünsche gewesen, mit mir auszugehen? Ich starrte den Boden an, während ich vor den anderen herlief. Ich war so versunken, dass ich die Blicke, die mir James alle paar Sekunden zuwarf nicht mitbekam.
Wir hatten das Tor zum Ende des Schulgeländes fast erreicht, als James zu mir aufschloss. Im Laufschritt kam er neben mir an, sein warmer Atem verursachte eine kleine Rauchwolke in der stillen Nacht. Es war immerhin Ende September und ich merkte, wie ich in meiner Jeansjacke und meinem Rock zu frösteln begann. Potter suchte meinen Blick, doch ich wich ihm aus.
„Shh, Evans. Was hast du denn?"
Er klang besorgt.
„Nichts", krächzte ich und zog die Ärmel meiner Jacke weiter nach unten.
Erst zögerte Potter, doch dann legte er zögernd einen Arm um mich. Man konnte seine Unsicherheit praktisch greifen. Vermutlich hatte er Schiss, dass ich ihn direkt wieder wegschubsen würde, wie ich es damals im Gemeinschaftsraum bei unserem Beinahe-Kuss getan hatte. Doch ich ließ ihn gewähren.
Wir bogen auf den Weg, der nach Hogsmeade führte ein. James nahm seinen Arm nicht von meiner Taille, sondern zog mich nur enger an sich. Sein Körper war warm, und ich konnte seinen durchtrainierten Unterleib neben mir spüren. Ich atmete kaum merklich. War das hier die Wirklichkeit? Mein verräterischer Körper schmiegte sich noch enger an James, als ein Windstoß über uns her fegte.
Schließlich wagte ich es trotz der ungewohnten Situation wieder das Wort zu ergreifen.
„Wohin gehen wir überhaupt?", fragte ich leise.
„Hogsmeade", sagte James nur und grinste schief.
„Das, Potter, ist mir durchaus bewusst. Ich bin nicht blind weißt du?", knurrte ich, doch in mir drinnen verursachte sein Grinsen ein kleines Flattern.
Wir liefen ziemlich schnell im Gegensatz zu Mary, Marlene und Sirius. Sie waren inzwischen hinter einer der Kurven verschwunden. Ich fühlte mich erstaunlicher Weise wohler, wenn sie nicht dabei waren, denn schließlich hatte ich ihnen mehr als sechs Jahre gepredigt, wie sehr ich James Potter hasste.
„Lily?", raunte James.
Ich hielt den Atem an. Es war das erste Mal, dass er mich Lily genannt hatte. Lily...nicht Evans. Es klang furchtbar ungewohnt aus seinem Munde, doch ich fühlte mich federleicht...beflügelt.
Meine Kehle war wie ausgetrocknet und unter meinem Bauchnabel zogen sich meine Organe auf mir beinahe fremde, aber durchaus angenehme Weise zusammen.
„Ja?", hauchte ich zurück.
James räusperte sich leise.
„Weißt du..."-, setze er an, doch seine Stimme versagte. Er räusperte sich erneut und setzte zu einem erneuten Redeversuch an.
„Weißt du eigentlich, dass ich dich unheimlich toll finde, und dass ich dich..."-
Wieder versagte ihm die Stimme. Ich suchte nun seinen Blick. Haselnussbraun traf auf Smaragdgrün.
„Shh..."
Diesmal war ich diejenige, die ihn beruhigte. Mehr brachte auch ich nicht hervor. Die Nacht um uns herum war rabenschwarz und still, bis auf ein entferntes Kichern, dass darauf hindeutete, dass sich irgendwo hinter der Wegbiegung Mary, Marlene und Sirius befanden.
Fern von jedem Zeitgefühl blickte ich James in die Augen. Mein ganzer Körper schien zu glühen. Als ich für einen Moment die Augen schloss, merkte ich nur noch, wie seine warmen Lippen, auf die meinen trafen. Jeder Gedanke war aus meinem Kopf verschwunden, das einzige was ich spürte, waren seine sinnlichen, warmen Lippen auf meinen eigenen. Und genau in jenem Augenblick spürte ich, wie dieses Gefühl in meinem Bauch ein leuchtendes Feuerwerk entzündete.

Du gefällst mir, wenn du so wütend bist, Evans!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt