* 1 **

7.3K 137 11
                                    

Juhu - endlich wieder Arbeit, eigenes Geld verdienen und wieder andere soziale Kontakte haben... Ich vollführte einen anspruchsvollen, hochwertigen, gut anzusehenden Freudentanz - innerlich. Okay, manche hielten mich jetzt sicher für verrückt, kann ich verstehen, aber nur ein bisschen.

Wisst ihr wie das ist, wenn man 2 1/2 Jahre aus dem Job raus ist, weil man sich für das Beste entschieden hat was einem passieren konnte - seinen Sohn aufwachsen zu sehen? Ich war noch nie so die Gefühlsduselige, aber wenn es um mein Kind ging, machte ich eine riesige Ausnahme, dann mutierte ich zur Heulsuse. Schrecklich. Na ja egal. Wollt ihr sicher nicht wissen...

Irgendwann musste ich ja auch wieder arbeiten, ich wollte schließlich für meinen und Tristans Lebensunterhalt selber sorgen und nicht nur Mama sein. Das Geld lag ja schließlich nicht auf der Straße. Da Tristan, so hieß mein Sohn, wie man unschwer erkennen konnte, ab August in den Kindergarten ging, suchte ich für September eine Teilzeitstelle im Büro. Mein noch Arbeitgeber hielt nichts von Teilzeitkräften und anscheinend auch nichts von Müttern. Doch ich war guter Dinge. Es konnte ja schließlich nicht so schwer werden einen Teilzeitjob im Büro zu ergattern. Ich wollte ja nicht als abgebrochene Hauptschülerin ein Wundermittel gegen Aids oder so entwickeln. Haha Leyla (mein werter Name), da solltest du dich gewaltig täuschen.

Nach der 10. Bewerbung hatte ich aufgehört zu zählen. Noch nicht mal zu Gesprächen wurde ich eingeladen und so schlecht waren meine Referenzen nicht wirklich. Doch die schienen niemanden zu interessieren. Es schien nur von Interesse zu sein wie die Familienkonstellation aussah. Ausbildung? Studium? Total uninteressant. Ledig? Geschieden? Kinder? Das waren die wichtigen Faktoren. Und genau nach denen wurden auch die Stapel gemacht. Ledig, keine Kinder - Stapel 1; Einladung zu einem Gespräch. Verheiratet, keine Kinder - Stapel 1. Verheiratet, Kinder - Stapel 1 oder schon Übergang zu Stapel 2; nur im Notfall. Ledig, Kinder - Stapel 3; keine Chance. Unsere Gesellschaft hatte echt etwas gegen Alleinerziehende. Dieses Label wurde hier nicht gerne gesehen und dabei versuchte sich das Land doch als Familienfreundlich zu präsentieren. Doch Worte und Taten waren meilenweit voneinander entfernt. Es war frustrierend. Als ob ich nicht noch andere Baustellen hätte... Pfff

Ende August wurde ich dann doch endlich mal zu einem Gespräch eingeladen - oh Wunder. Meine Nervosität hielt sich echt in Grenzen. Dafür dass es mein erstes seit Jahren war, war ich wirklich erstaunlich gelassen. So kannte ich mich gar nicht. Das Gespräch war okay, nur glaubte ich, dass das nicht der richtige Job für mich wäre. Klar Marketing fand ich faszinierend und ich hatte mich vor Jahren mal näher damit befasst und Drucker konnte ich auch wieder zum Laufen bringen, aber ein richtiger IT-Mensch war ich nie. Und das war etwas was die Firma benötigte. Ich fragte mich nach welchen Kriterien die ausgewählt hatten?! Na ja wenigstens mal ein Gespräch zum Reinkommen. Sie würden sich eine Woche später melden und es würde dann eventuell zu einem zweiten Gespräch kommen. Hoffnungen machte ich mir nicht wirklich.

Ich hakte es also als Übung ab und als bestandenen Test für mich selbst. Ich hatte nämlich 3 Tage vorher dem Nikotin den Laufpass gegeben und in so Situationen war Nikotin eigentlich für mich selbstverständlich, aber ich ignorierte die Schreie von Madame Nikotin gekonnt und klopfte mir innerlich auf die Schulter und streckte ihr die Zunge raus. Lang genug war ich darauf hereingefallen. Jawoll.

Einen Tag später, ich hatte gerade Tristan in den Kindergarten gebracht, da meldete sich wieder eine Firma und wollte ein Gespräch. Jetzt ging es bergauf. Zwei Tage hatte ich um mich darauf vorzubereiten. Dort hatte ich mich als Empfangssekretärin beworben und dies war Neuland für mich. Ich war mein Berufsleben lang Sachbearbeiterin im Verkauf. Hatte den meisten Kundenkontakt per Mail oder Telefon. Ab und an besuchte ich die Kunden auch oder traf sie auf Messen. Aber warum nicht auch mal was Neues wagen? Vor diesem Gespräch war ich irgendwie nervöser und die Fahrt über trommelte ich unruhig mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. An dem relativ neuem Gebäude, welches mir schon einladend entgegenkam, strich ich noch mal schnell meine weiße Bluse glatt und kontrollierte im Autofenster noch schnell den Sitz meines schwarzen Blazers und meiner beigen Hose. Noch einmal atmete ich tief ein und aus und dann betrat ich das Gebäude und begab mich in die dritte Etage. Dort prangte an der Milchglastür in vornehmen grau geschwungenen Lettern W&B - Wirtschaftskanzlei. Eine hübsche Mittvierzigerin begrüßte mich freundlich und brachte mich in einen Besprechungsraum und bot mir Wasser und Kaffee an. Dankbar nahm ich das Angebot für einen Kaffee entgegen und wartete mit diesem dann auf meine Gesprächsparnter Herrn Peter und Herrn Lord, die Geschäftsführer. Ich sah mich in dem Raum um und begutachtete die abstrakten Bilder, die an den sonst weiß gehaltenen Wänden hingen und versuchte meine Nerven zu beruhigen. Es klappte nur minimal. Zwei Herren Anfang, Mitte 60 betraten den Raum und stellten sich als meine Gesprächspartner vor. Nach ein wenig Smalltalk wie Gut hergefunden und wie geht es Ihnen, stellten sie einige Fragen zu meinem beruflichen Werdegang und ich entspannte mich ein wenig und auch wenn das einstündige Gespräch nett und okay war, war ich mit mir überhaupt nicht zufrieden. So wortkarg wie ich mich da mal wieder gegeben hatte, war es wieder so typisch für mich. Reden vor anderen Menschen war noch nie meine Stärke und vor allem nicht über mich. Ich hasste es im Mittelpunkt zu stehen. Vorstellungsgespräche waren also jedes Mal eine fürchterliche Qual für mich. Daher wunderte mich auch, warum ich bei dem ersten Gespräch diese alles egal Einstellung hatte. Nervosität und rot werden und rum drucksen waren da doch eher meins. Egal, machen konnte ich ja nun nichts mehr. Das Gespräch würde ich dann auch einfach abhaken, wie das davor auch. Also weiter suchen und irgendwann was finden. Ich verdrängte es einfach in die hinterste Ecke, rechnete nicht mit einem Anruf und ging einfach wie gewohnt meinem Alltag nach. Was blieb mir auch anderes übrig? Kopf in den Sand stecken galt nicht und brachte zu dem ja auch überhaupt nichts.

Dementsprechend positiv geschockt war ich als ich montags morgens erst einen Anruf von der ersten Firma bekam, wo ich für ein erneutes Gespräch eingeladen wurde und dann auch noch einen Anruf von der zweiten Firma bekam, die mir einen Vertrag anbot. Ich konnte mein Glück nicht fassen.

Da musste es doch irgendwo einen Haken geben? Doch da musste ich mich noch etwas gedulden bis der besagte Vertrag in meiner Post lag und ich den Haken suchen konnte. Die Anspannung konnte ich förmlich greifen. Zwei Tage betete ich meinen Briefkasten an und hätte ich knutschen können als endlich der ersehnte weiße Umschlag darin lag. Schnell ging ich ins Wohnzimmer und öffnete mit zitternden Fingern den Umschlag, zog den Vertrag vorsichtig heraus und begann ihn zu verschlingen. Auch nach dem fünften Mal lesen konnte ich keinen Haken entdecken. Es klang zu schön um wahr zu sein. Und als ich meinen Vater bat drüber zu schauen, fand auch er keinen Haken. Die Zeiten stimmten, das Geld passte und auch sonst passte alles. Die Probezeit belief sich auf 3 Monate. Mitte Dezember wäre diese also vorbei. Das war perfekt, denn ich war bei meiner alten Firma noch angestellt und müsste Ende November gekündigt haben, damit alles rechtens laufen würde. Und da ich wusste wo ich hinwollte, rief ich also meinen alten Chef an und berichtete ihm von meiner neuen Stelle mit 25 Stunden pro Woche und der besagten Probezeit. Ich sagte ihm, dass ich die Probezeit gerne abwarten würde und er hatte Verständnis, war damit einverstanden. Na wenigstens das lief mal ordentlich.

Ich sagte der ersten Firma ab, die enttäuscht waren, aber das passte nicht zu 100 Prozent zu mir. Auf kurz oder lang hätte ich mich da nicht wohlgefühlt. Ich kannte mich schließlich. Meine Unterschrift setzte ich freudestrahlend unter den Vertrag und rief dort an und sprach mit meinem neuen Chef Herrn Peter. Montags um 9 Uhr würde mein neuer Arbeitsabschnitt starten und ich freute mich darauf. Es reichte ihm, wenn ich den Vertrag dann zu meinem ersten Arbeitstag mitbringen würde. Zur Feier des Tages gönnte ich mir abends mit meinen Eltern zusammen ein Gläschen Sekt. Lange genug hatte ich mich wertlos gefühlt, weil die Absagen nur so mein Postfach überfluteten. Zum Glück hatte das ein Ende und ich rutschte nicht in die befürchtete Arbeitslosigkeit.

Nun hatte ich dann noch eine Woche Zeit mich voll und ganz einer unangenehmen Sache zu widmen. Ihr müsst wissen, dass ich alleinerziehend war. Tristans Erzeuger Daniel und ich hatten verschiedene Ansichten vom Leben, um das Mal nett auszudrücken. Ich trennte mich von ihm da war Tristan vier Monate alt und ich weiß bis heute nicht was schlimmer war: Die 3 ½ jährige Beziehung oder die Zeit danach. Aber alles im Leben geschieht ja aus einem bestimmten Grund...

Ich hatte alles sehr weit hinten in meinem Gedächtnis untergebracht und es brodelte verdächtig darin. Denn es gab nicht dieses typische: wir haben uns getrennt, aber wir sind Eltern und ziehen an einem Strang zum Wohl des Kindes. Nein, so war das bei uns definitiv nicht und so würde es auch niemals werden. Die Hoffnung hatte ich schon lange aufgegeben. Daniel interessierte sich nicht für Tristan, ihm ging es entweder ums Prinzip oder um mich zu verletzen und zu zerstören. Es dauerte lange bis ich da hinter kam, aber als ich es dann raus hatte, zog ich andere Seiten auf und pochte auf begleiteten Umgang, damit er mir ja nicht mehr zu nahe kommen konnte. Das ging dann übers Jugendamt und genau da hatten wir in einer Woche morgens ein Elterngespräch welches ich nun verschieben musste, da ich ja nun einen Job hatte. Mir war von vornherein bewusst, dass das wieder ein gefundenes Fressen für Daniel und die Tante vom Amt, die alles aber nicht neutral war, sein würde. Aber Augen zu und durch. Die haltlosen Unterstellungen mussten einfach an mir abprallen. Weder die Tante vom Amt noch Daniel konnten mir irgendetwas. Ich durfte mich nicht provozieren lassen und das klappte am besten über Mail. Genau darüber erklärte ich meine Situation und bat um die Verschiebung des Termins. Nach zwei Tagen kam dann auch die neue Einladung per Post.

Darauf die Woche Mittwoch um 15.30 Uhr fand dann nun das Elterngespräch statt. Ich informierte meine Anwältin darüber und besprach mit ihr einige Sachen. Meine Anwältin war mir eine große Hilfe. Sie hatte mir Monate vorher die Augen geöffnet und diese Angst vorm Jungendamt genommen. Ich wusste vorher nämlich nicht, dass die nur eine beratende Funktion hatten und nicht wirklich entscheiden konnten und durften. Bei dem Begriff Jugendamt dachte man ja oft, dass man denen Folge leisten müsste und das tun müsste was die sagen, aber dem war nicht so. Hätte ich das vorher gewusst und hätte ich gewusst wie dort gearbeitet wurde, ich wäre niemals freiwillig dorthin gegangen und hätte um Hilfe gebeten. Da hätte ich ja gleich mein Ticket in die Hölle lösen können. Nun gut ich konnte es nicht mehr ändern und musste mich dem stellen, aber ich war ja nicht allein.

End or beginning? Trust me ✔ #LeseLiebe18Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon